Fachbeiträge

Ausgabe 3 / /2006
Fachbeitrag Weiterbildung

Mit Coaching (kein) Geld verdienen

von Bernhard Kuntz

Es gibt Berufe, die liegen im Trend und locken auch Quereinsteiger mit Gewinn und Profit. Doch was steckt tatsächlich hinter den viel versprechenden Geschäften? Bernhard Kuntz hat im folgenden Artikel das Coaching unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Davon kann man nicht leben.

Von Bernhard Kuntz

Inhaltsübersicht:

Wer sich als Coach selbstständig machen möchte, hat es nicht leicht. Denn der Bedarf an freiberuflichen Trainern wird überschätzt. Hinzu kommt: Die meisten Coachings in Unternehmen sind gar keine, sondern „Trainings-on-the job“.

Der Bildungs- und Beratungsmarkt wimmelt von so genannten Coachs.  Oft sind es Branchenunerfahrene die mit dem Wunsch „Ich möchte Coach werden“ in einem neuen Beruf durchstarten wollen. Denn bei den Newcomern muss man sich oft fragen: Warum sind sie zum Beispiel als Karrierecoach kompetent? Vielleicht weil sie selbst noch vor wenigen Wochen Bewerbungen geschrieben haben? Oder wie wird man zum Konfliktcoach? Durch regelmäßigen Wechsel von Streit und Versöhnung mit dem Lebenspartner? Was zeichnet einen Coach für obere Führungskräfte oder gar Unternehmer aus? Qualifizieren einige Jahre als Erziehungsberater dazu, Unternehmer bei Konflikten zu beraten wie: Soll ich expandieren? Oder wen soll ich entlassen?

 

„Selbstverständlich nicht“, antworten fast alle Newcomer auf solche Einwände. „Wir sind keine Fachberater. Aber wenn es darum geht, ‚Wie schaffe ich die rechte Balance zwischen Beruf und Freizeit?’ oder wenn sich die Mitglieder des Führungsteams die Köpfe einschlagen, können wir beraten.“ Stimmt, auch dies sind mögliche Coachingthemen. Bleibt die Frage: Welche obere Führungskraft akzeptiert einen Sozialpädagogen als Gesprächspartner, der noch nie einen Betrieb von innen gesehen hat? Hier prallen völlig verschiedene Lebens- und Erfahrungswelten aufeinander. Und gelten für das Schlichten von Konflikten zwischen Mitarbeitern oder Bereichen von Unternehmen nicht andere Regeln als für das Beilegen von Paarkonflikten?

 

 

 

 

 

 

 

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Den viel zitierten Boom gibt es nicht

 

 

Bei fast allen Newcomern müsste denn auch die Empfehlung lauten: Macht euch nicht als Coach selbstständig, denn in diesem Bereich könnt ihr euren Lebensunterhalt nicht verdienen. Dass dies schwierig ist, wollen die meisten nicht wahrhaben. Dazu tut die Fachpresse ein Ãœbriges. Sie zitiert regelmäßig „Studien“, die zum Ergebnis kommen: Coaching boomt.

Schaut man aber, wer diese „Studien“ erstellt hat, dann stellt man meist fest: Dahinter stecken Anbieter von Coachingausbildungen. Und die verkündeten Steigerungen der Ausgaben für Coaching? Sie lassen sich einfach erklären. Wenn ein Betrieb statt 10 Euro pro Jahr 20 ausgibt, beträgt die Steigerung 100 Prozent. Doch können davon Heerscharen von Coachs leben?

 

Jede "gute" Beratung ist auch ein Coaching

Fragt man Personaler, welche Rolle das Coaching in ihrer Organisation spielt, dann antworten sie oft: „eine steigende“. Fragt man nach, was dies bedeutet, lautet ihre Antwort: „Im Rahmen unserer Qualifizierungsmaßnahmen werden unsere Mitarbeiter zunehmend auch gecoacht“. Die so genannten Coachings sind also eher Trainings-on-the-job als persönliche Beratungen.

Selbstverständlich werden qualifizierte und hochrangige Mitarbeiter vereinzelt auch individuell gecoacht. Dann jedoch meist, wenn sie beruflich vor einer neuen Herausforderung stehen. Also muss der Coach zum Beispiel ein Experte im Steuern von Vertriebsmannschaften oder Managen von Großprojekten sein. Dann ist das Coaching eine fachliche Einzelberatung in deren Rahmen selbstverständlich auch über die Bedenken gesprochen wird, die der Projekt- oder Vertriebsleiter hegt.

 

Als mögliche Arbeitsfelder der Newcomer bleiben zwei Themenkomplexe übrig: Karriereberatung und Beratung in Work-Life-Balance-Fragen. Für Karriereberatungen gibt es zwei Zielgruppen:

  • private Selbstzahler. Doch wie viele Privatpersonen sind bereit 1000 oder mehr Euro für ein Karrierecoaching zu bezahlen?
  • Arbeitslose, deren Beratung von der Agentur für Arbeit oder von ihrem alten Arbeitgeber bezahlt wird. Hier stellt sich die Frage, ob es verantwortlich ist, wenn frischgebackene Coachs, die selbst noch an ihrer beruflichen Existenz basteln, diesen Personenkreis beraten.

Die Work-Life-Balance-Trainings gehören in einigen Konzernen ebenso zum guten Ton wie eine Frau, die den Unternehmensbereich Kommunikation leitet, damit das Unternehmen eine Vorzeige-Karrierefrau hat. Das tatsächliche Volumen dieses Marktsegments beschreibt die Aussage des Bereichsleiters Personal eines großen deutschen Finanzdienstleisters, der jährlich fast zehn Millionen Euro für Personalentwicklungsmaßnahmen ausgibt. In dem Konzern erhielten im vergangenen Jahr sieben Führungskräfte ein solches Coaching. Das Budget hierfür betrug 15 000 Euro, also magere 0,15 Prozent des Gesamtetats.

Ausbildungen erfüllen Hoffnungen nicht

 

Dessen ungeachtet existiert ein Markt für Coachingausbildungen. Er ist hart umkämpft. Das beweist die Gründung zahlreicher Coachingverbände im vergangenen Jahr, in denen meist Ausbildungsanbieter das Sagen haben. Außerdem tummeln sich auch am Coaching-Markt selbsternannte Ausbilder. Ihre Versprechen sind unrealistisch, denn der Markt für Coaching hat nicht den von den Anbietern suggerierten Umfang. Der Autor kennt keinen einzigen Coach, der nur vom Coachen lebt. Er kennt zwar Trainer, die Qualifizierungsmaßnahmen in Unternehmen durchführen, in deren Rahmen auch mal ein Coaching (genauer gesagt: Training-on-the-job) stattfindet. Er kennt auch Management- und Vertriebsberater, die im Rahmen ihrer Projekte regelmäßig Beratungen durchführen, die eher den Charakter eines Coachings haben. Aber einen Coach, der rein vom Coachen lebt, den kennt er nicht.

 

Und hier wird das Ganze unseriös. Denn die meisten Newcomer starten ihre Coaching-Ausbildung in der Hoffnung, sich eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Sie werden - wenn ihnen ein Markt vorgegaukelt wird, der so nicht existiert - aufs falsche Gleis geführt. Hierfür einige Beispiele aus ähnlichen Berufen: Welche Person, die vor zehn oder fünfzehn Jahren eine Suggestopädie-Ausbildung absolvierte, verdient heute noch ihr Geld als Suggestopäde? Welche Person, die sich zum Moderator ausbilden ließ, arbeitet heute noch als Moderationskarten-Beschrifter und -Sortierer? Bei welchem Trainer, der eine NLP-Practitioner-Ausbildung durchlief, ist dies heute mehr als eine Fußnote im Lebenslauf? Und was ist aus den Männern und Frauen geworden, die eine Mediatorenausbildung durchliefen? Wie viele von ihnen verdienen heute ihr Geld als Mediatoren? Ganz, ganz wenige – sofern es nicht zugleich Anbieter einer Mediatoren-Ausbildung sind.

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