Fachbeiträge

Ausgabe 12 / /2018
Fachbeitrag Best Practice

Wissensmanagement im Mittelstand: PS Automation digitalisiert seine Fertigung

von Fabienne Bosle

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind in ihren Strukturen häufig flexibler als Großkonzerne. Dadurch haben sie die Chance, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen und sich so mit ihrem Angebot am Markt zu behaupten. Das ist ein großes Potenzial für KMU, aber auch eine Herausforderung. Individuelle Kundenwünsche gehen mit einer hohen Variantenvielfalt der Produkte einher. Die Mitarbeiter der Produktion müssen viele Fertigungsschritte aus dem Gedächtnis abrufen oder sie anhand bestehender Dokumentationen in Papierform ausführen. Diese Situation kennt man auch bei PS Automation aus Bad Dürkheim. Der Hersteller von Antriebstechnik hat in einem digitalen Pilotprojekt ein Wissensmanagementsystem über eine App eingeführt und dadurch die Effizienz in der Produktion gesteigert. Unterstützt wurde das Unternehmen dabei vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern. 

Inhaltsübersicht:

Seit fast 30 Jahren produziert die PS Automation GmbH Stellantriebe zur Steuerung und Regelung von Armaturen für strömende Medien aller Art, wie Dampf oder Flüssigkeiten. Solche Antriebe stellen den Betrieb von Gebäudetechnik und Industrieanlagen rund um die Uhr sicher. Die Stellantriebe aus Bad Dürkheim in der Pfalz sind weltweit im Einsatz: Sie bewegen die gläsernen Wendeflügel in der Fassade der Hamburger Elbphilharmonie, verrichten ihren Dienst in türkischen Sodafabriken und sorgen am Flughafen von Abu Dhabi für Kühlung. Entsprechend groß ist das Produktportfolio des Familienunternehmens, und die Anzahl der Varianten durch spezielle Kundenwünsche steigt stetig.

Kundenwünsche als Herausforderung für Unternehmen

Die Varianten unterscheiden sich dabei teilweise nur durch kleine Details, beispielsweise einem anderen Material bei einem Zahnrad. Dabei den Überblick zu behalten und die Änderungen den Produktionsmitarbeitern immer aktuell bereitzustellen, ist eine zeitaufwändige Aufgabe. Insbesondere neue Angestellte oder Aushilfskräfte müssen sich für die Montage der komplexen Antriebe immer wieder bei erfahrenen Kollegen erkundigen oder dicke Papierordner mit gedruckten Konstruktionsplänen wälzen. Diese Konstruktionspläne sind nicht so einfach auf aktuellem Stand zu halten, weil das Unternehmen sehr dynamisch ist. Änderungen sind eventuell noch nicht eingepflegt oder Pläne für eine neue Variante noch nicht ausgedruckt. Das kostet in der Fertigung viel Zeit und kann zu Fehlern führen.

Um die Effizienz in der Produktion zu steigern und die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, setzt PS Automation auf eine digitale Lösung, die den Zugang zum Montagewissen erleichtert. „In einer Produktion, in der fast ausschließlich manuell gefertigt wird, nehmen die Mitarbeiter eine zentrale Rolle ein. Sie müssen optimal unterstützt und motiviert werden“, bekräftigt Geschäftsführer Christian Schmidhuber die Entscheidung zur Einführung eines digitalen Wissensmanagementsystems.

Der Mitarbeiter im Mittelpunkt der Entwicklung

Der Erfolg einer solchen Lösung hängt nicht nur davon ab, ob sie leicht zu bedienen ist. Vielmehr ist wichtig, dass die Mitarbeiter das neue Tool akzeptieren. Darum wurde die Belegschaft von PS Automation von Anfang an in das Digitalisierungsprojekt involviert. Startschuss waren ausführliche Interviews mit den Produktionsmitarbeitern sowie eine Analyse der bestehenden Arbeitsprozesse, um die spezifischen Anforderungen an den Arbeitsstationen zu erfassen.

Die Interviews dienten als Grundlage zur Konzeption verschiedener Lösungsansätze, die von der eigenen App-Entwicklung bis hin zur simplen Bereitstellung digitaler Konstruktionspläne über Touchscreens reichten. „Für uns war damit eine der größten Hürden genommen. Es war schwer, sich einen Überblick der spezifischen Anforderungen an den verschiedenen Arbeitsstationen in der Produktion zu verschaffen. Natürlich waren dafür die Mitarbeiter, die an diesen Stationen arbeiten, die beste Informationsquelle. Die externen Experten des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kaiserslautern haben uns sehr dabei geholfen, neutrale und offene Aussagen von unseren Mitarbeitern zu erhalten“, erklärt Schmidhuber.

Digitalisierung soll echten Mehrwert bieten

Letztendlich bot eine Lösung in Verbindung mit dem bestehenden ERP-System (Enterprise-Resource-Planning) die größten Potenziale für PS Automation. Die im Unternehmen digital vorliegenden Dokumente, wie die Konstruktionspläne für verschiedene Antriebstypen, werden systematisch im ERP-System erfasst. Dadurch können sie mit den Aufträgen und den individuellen Kundenwünschen verknüpft und zielgerichtet an den entsprechenden Arbeitsstationen in der Fertigung über Tablets angezeigt werden.

Auf den mobilen Endgeräten läuft eine Web-Applikation, die gemeinsam mit dem ERP-Anbieter entwickelt wurde. Nach einem Barcodescan der Auftragsnummer greift das Programm direkt auf die individuellen Auftrags- und Kundeninformationen im ERP-System zu. Auf diese Weise werden den Produktionsmitarbeitern in Sekundenschnelle immer die aktuellsten Konstruktionspläne und Fertigungsinformationen für den vorliegenden Arbeitsauftrag angezeigt. Unnötige Laufwege, ständiges Nachfragen und zeitaufwändiges Blättern in Papierunterlagen gehören damit bei PS Automation der Vergangenheit an.

„Wir haben die Informationen aus dem ERP-System entsprechend der Anforderungen an den verschiedenen Arbeitsstationen aufbereitet. So können die Mitarbeiter von PS Automation mit Hilfe der neuen Web-Anwendung optimal bei ihren Tätigkeiten angeleitet werden. Diese Unterstützung durch Assistenzsysteme ist eine sehr geeignete, digitale Lösung für den Mittelstand“, so Christian Bosse, Projektkoordinator von Seiten des Mittelstand 4.0-Komptenzzentrums Kaiserslautern. Das Projekt mit PS Automation ist eine von fünf Projektbegleitungen, bei denen das Kompetenzzentrum Kaiserslautern Unternehmen bei der Umsetzung einer Digitalisierungsidee begleitet.

Zunächst wurde ein Tablet als Pilotprojekt an einer zentralen Arbeitsstation eingeführt und erprobt. Das gesammelte Mitarbeiterfeedback wird in die Weiterentwicklung der App einfließen. So kann eine hohe Nutzerfreundlichkeit sichergestellt sowie eine Lösung erarbeitet werden, die bestmöglich auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnittene ist. „Der Grundstein für das unternehmensinterne Wissensmanagementsystem ist gelegt. Dadurch, dass die Mitarbeiter direkt eingebunden wurden, ist die Akzeptanz des neuen Tools sehr hoch und sie spüren die positiven Auswirkungen im Arbeitsalltag“, berichtet Andreas Göpel, Betriebsleiter von PS Automation und Projektleiter des Digitalisierungsprojekts.

In der Folge werden nun schrittweise weitere Arbeitsstationen mit Tablets oder Touchscreens ausgestattet und die Mitarbeiter für den Einsatz der neuen Anwendungen geschult. Ebenso sind weitere Funktionen wie die Dokumentation individueller Erfahrungen - im Sinne von „Tipps und Tricks“ - bei der Montage komplexer Antriebe angedacht. Damit ist PS Automation gut gerüstet für ihren Weg in eine digitale Zukunft.

Exkurs Wissensmanagement: Wissen ist Produktions- und Erfolgsfaktor

Ziel des Wissensmanagements ist es, das für ein Unternehmen relevante Wissen systematisch aufzubereiten, sodass es zielgerichtet eingesetzt werden kann. Unter Wissen wird hierbei aber noch viel mehr verstanden als nur die vorhandenen Daten und Dokumente. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht umfasst Wissen alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die von den Mitarbeitern bei der Erledigung ihrer Tätigkeiten sowie zur Problemlösung eingesetzt werden. Das beste Beispiel dafür ist das Erfahrungswissen. So ist ein Berufsanfänger zwar durchaus mit den gängigen Arbeitsabläufen und Maschinen vertraut, dennoch fehlt ihm im Gegensatz zu langjährigen Mitarbeitern der Erfahrungshintergrund, um auch bei unerwarteten Problemen im Arbeitsablauf adäquat zu reagieren.
Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie eröffnen dem Wissensmanagement umfangreiche Möglichkeiten zur Speicherung, Bereitstellung und zielgerichteten Suche. Insbesondere der Erfahrungsaustausch kann durch digitale Lösungen - selbst über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg - unterstützt und gefördert werden.

Aber die digitalen Technologien bringen auch Herausforderungen mit sich, so zum Beispiel bei der Auswahl geeigneter Medien oder einer nutzerfreundlichen Gestaltung. Hierzu gehören unter anderem Aspekte der Software-Ergonomie wie eine intuitive Bedienbarkeit. Ebenfalls ist es sehr wichtig, dass die Mitarbeiter zur Bedienung des Systems qualifiziert sind und entsprechend geschult werden. Denn auch wenn die technischen Möglichkeiten ein großes Potenzial eröffnen, im Zentrum des Wissensmanagements steht weiterhin der Mensch als Wissensträger, der fähig und gewillt sein muss, die eingesetzte Technologie zu nutzen.

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