Fachbeiträge

Ausgabe 11 / /2006
Fachbeitrag Wissensmanagement

Wissenspool sichern

von Nils Hagels

Die größte Ressource eines Unternehmens ist sein Wissen. Scheiden langjährige Mitarbeiter aus dem Betrieb aus, gehen oft wichtige Informationen zu Kunden, Aufträgen und Abläufen verloren. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) trifft das hart, weil sie nur wenige Experten beschäftigen. Lesen Sie hier, wie Unternehmen ihre wichtigsten Applikationen mit einem so genannten "Escrow"-Vertrag gegen Unwägbarkeiten auf Seiten des Softwarelieferanten schützen können.

Von Nils Hagels

Inhaltsübersicht:

 

 

 

Viele Unternehmen setzen für ihr Wissensmanagement spezielle IT-Anwendungen ein. Die Software sortiert und strukturiert die Inhalte. Sie verwaltet Mitarbeiterdaten und legt eine Übersicht über das gesamte Firmen-Know-how an. IT-Systeme, die sich für das Management von Wissen eignen, müssen deshalb ständig aktualisiert werden. Was passiert aber, wenn der Hersteller die Produktlinie und den Support einstellt oder gar Insolvenz anmeldet? Die Anwendungen sind dann infolge fehlender Wartung nur noch begrenzt nutzbar. Denn die gespeicherten Daten lassen sich nur schwer auf neue Systeme migrieren. Um neues Wissen laufend einzupflegen, braucht man den Quellcode. Und der wird beim Kauf von Standardsoftware selten mitgeliefert.

 

Investitionssicherheit für Wissensmanagement-Software

 

 

 

Für unternehmenskritische Anwendungen wie Wissensmanagement-Systeme sollte deshalb ein so genannter "Escrow-Vertrag" mit dem Lieferanten in Erwägung gezogen werden. "Escrow" ist ein einfaches Verfahren, bei dem der Quellcode bei einem unabhängigen Treuhänder wie der NCC Group, vom britischen National Computing Center gegründet, hinterlegt wird. Kommt der Lieferant seinen Verpflichtungen nicht nach, erhält der Anwender das Material sowie weitere, zur Rekonstruktion seiner IT-Applikationen notwendige Komponenten.

 

 

 

 

 

In Großbritannien und den USA ist "Escrow" bereits ein etabliertes Verfahren. Auch große deutsche Unternehmen setzen zunehmend auf die Versicherung ihrer IT-Investitionen. Viele von ihnen haben "Escrow" als festen Bestandteil bei der Beschaffung kritischer Applikationen eingeführt. Für die meisten Mittelständler ist das Thema allerdings neu. Sie entdecken erst jetzt die Möglichkeit, bestimmte IT-Anwendungen abzusichern. Lösungen kleiner und mittlerer Anbieter decken ihre Anforderungen oftmals gut ab, bergen jedoch aufgrund der geringeren Finanzkraft des Lieferanten ein erhöhtes Investitionsrisiko. Werden diese IT-Lösungen zusätzlich über "Escrow" abgesichert, verringert sich die Gefahr, dass wertvolles Wissen im Unternehmen nicht mehr zugänglich ist und verloren geht.

 

 

 

Quellcode sicher verwahrt und aktualisiert

 

 

Statt einen unabhängigen Treuhänder mit der Hinterlegung des Quellcodes zu beauftragen, könnte man diesen auch in einem Bankschließfach deponieren. Es ist dann aber fraglich, ob dort tatsächlich das richtige Material verwahrt ist und ob es auch regelmäßig aktualisiert wird. Will ein Unternehmen auf Nummer sicher gehen, sollte es sich deshalb für einen Treuhänder mit ausgeprägtem IT-Know-how entscheiden. Dieser kann erkennen, ob es sich bei dem hinterlegten Material tatsächlich um den Quellcode handelt oder ob die Programmierung lesbar und virenfrei ist. Er kümmert sich auch regelmäßig um die Verwaltung der Updates. Auf Wunsch erstellt und implementiert ein ausgewiesener "Escrow"-Spezialist sogar einen so genannten "Build", eine Kopie des Originalprodukts, aus dem hinterlegten Material. Mit dieser Vollverifikation lässt sich überprüfen, ob alle für die Rekonstruktion der Software erforderlichen Komponenten vorhanden sind. Im Idealfall bekommt der Kunde als Ergebnis zusätzlich eine ausführliche Bauanleitung für seine Applikationen. Auf diese Weise können selbst ältere Anwendungen nach Jahren wieder nachgebaut werden. Da es sich bei Quellcodes um geistiges Eigentum handelt, muss der Treuhänder bei der Verwahrung äußerste Sorgfalt walten lassen und Manipulationen unter allen Umständen ausschließen.

 

 

 

Treuhänder vermittelt

 

 

Viele Hersteller sind skeptisch, wenn es um Vereinbarungen geht, die in bestimmten Fällen die Offenlegung ihres Quellcodes verlangen. Das ist verständlich, bedenkt man, dass der Quellcode praktisch das Know-how und den größten Aktivposten in der Unternehmensbilanz des Softwarelieferanten darstellt. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Kunden, seine Softwareinvestition und damit sein unternehmensinternes Know-how möglichst gut abzusichern. Bei der Vertragsgestaltung gilt es deshalb genau zu regeln, wann ein Schadensfall vorliegt und der Quellcode herausgegeben wird. Typischerweise führen folgende Sachverhalte zur Herausgabe des Quellcodes:

 

 

 

 

 

 

  • Der Lieferant hat Insolvenz beantragt
  • Das Insolvenzverfahren ist eröffnet
  • Der Lieferant wurde aufgekauft
  • Die Produktlinie oder die Wartung wird eingestellt
  • Die Preise werden stark erhöht
  • Eine Auftragsarbeit wird nicht erfüllt.

 

 

 

 

Auch die Rechte des Kunden müssen festgeschrieben sein. Im Normalfall heißt das, der Kunde hat das Recht, den Code für die Weiterführung seiner Geschäfte einzusetzen. Eine Nutzung über den Eigenbedarf hinaus, Qualitätsprüfungen und Publikationen zur Programmierung sind unzulässig. Um beiden Parteien gerecht zu werden, ist auf Seiten des vermittelnden Treuhänders Fingerspitzengefühl gefragt.

 

 

Nach Sammelvertrag fragen

 

 

Um ihren Kunden mehr Investitionssicherheit zu bieten, hinterlegen kleinere Softwarehersteller ihren Quellcode immer häufiger auf eigene Initiative. Bei konkreten Anfragen von Unternehmen nach einer Absicherung der Investition, besteht die Möglichkeit, einem Sammelvertrag beizutreten. Neben optimalem Funktionsumfang und attraktivem Preis-Leistungsverhältnis betonen sie damit den Investitionsschutz als Vorteil.

 

 

 

Fazit

 

 

 

Unternehmen sollten bei der Anschaffung einer Wissensmanagement-Software "Escrow" grundsätzlich in Erwägung ziehen. Dabei gilt es, den Lizenzumfang sowie die Anzahl der angeschlossenen Arbeitsplätze zu berücksichtigen. So kann das System effektiv gegen verschiedene Risiken abgesichert werden. Ebenfalls sinnvoll ist eine genaue Klassifizierung des Softwarebestands.

 

 

 

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