Fachbeiträge

Ausgabe 6 / /2017
Fachbeitrag Unternehmensorganisation

Wissensgesellschaft: Eine neue Qualität des Wettbewerbs

von Prof. Dr. Anabel Ternès, Marco Englert

Die Vision der Wissensgesellschaft zielt auf die Entstehung intelligenter Organisationen als Orte systemischer Kompetenz mit hoher Flexibilität. Intelligenz bedeutet dabei zu wissen, wann der Wandel nötig ist und diesen zu fördern, indem man die Fähigkeiten, Routinen zu erkennen, hinterfragt und bricht. Dazu benötigt die intelligente Organisation eine Unternehmenskultur, welche durch ein hohes Maß an Vertrauen, Offenheit und Non-Konformität geprägt ist. In einem solchen Klima der Zusammenarbeit ergeben sich Räume für organisationales Lernen. Wissensmanagement sollte dabei als integrierter Managementansatz verstanden werden, welcher sich mit dem optimalen Einsatz des Produktionsfaktors Wissen beschäftigt.

Inhaltsübersicht:

Im Rahmen der Digitalisierung entsteht aktuell die digitale und vernetzte Wissensgesellschaft und Wissensorganisation 4.0 des 21. Jahrhunderts. Das „Mooresche Gesetz“, das für eine Verdopplung von Rechenleistung alle 18 Monate steht, ermöglicht diese exponentielle Entwicklung der Veränderungsgeschwindigkeit. Diese Entwicklung bringt neue technische Möglichkeiten wie beispielsweise Corporate Digital Learning, Big Data, Data Analytics, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen mit sich. Durch diese „Wissensevolution“ entsteht auch eine neue Qualität von Wertschöpfung und Wettbewerb innerhalb und zwischen Unternehmen.

Als Managementdisziplin verfolgt das Wissensmanagement allgemein das Ziel, Wissen und Fähigkeiten im Unternehmen so zu nutzen und zu entwickeln, damit die organisationalen Ziele bestmöglich erreicht werden können. Wissensmanagement ist dabei eng mit dem Konzept des organisationalen Lernens verbunden.

Die zentrale Aufgabe einer wissensorientierten Unternehmensführung ist konkret die Erreichung der strategischen und operativen Ziele durch die passende Bereitstellung bzw. Entwicklung und Nutzung von Wissen und Kompetenz. Dies bedeutet, die Ressource Wissen dafür einzusetzen, um die Effizienz zu steigern und die Qualität des Wettbewerbs zu verändern. Dazu generiert wissensorientierte Unternehmensführung aus Daten und Informationen Wissen und setzt dieses Wissen in nachhaltige Wettbewerbsvorteile um, welche als Geschäftserfolge messbar werden.

Von der Information zum Wissen

Die so genannte Wissenstreppe beschreibt dabei die Schritte von Informationen zu Wissen und Kompetenz. Aus dieser Sichtweise ist Wissen der Prozess der zweckdienlichen Vernetzung von Informationen. Es entsteht als Ergebnis der Verarbeitung von Informationen durch das Bewusstsein der Menschen. Informationen sind sozusagen die Essenz, aus dem Wissen generiert wird, und die Form, in der Wissen kommuniziert und gespeichert wird.

Wie beim Finanzkapital wird durch eine Vermehrung des Wissenskapitals eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes angestrebt. Dabei endet ein umfassendes Wissensmanagement, im Sinne eines Total Knowledge Management (TKM), nicht an den Unternehmensgrenzen, sondern bezieht alle Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette, wie beispielsweise Lieferanten und Allianzpartner, mit ein. Wissensmanagement steht daher zugleich für eine Öffnung nach innen und nach außen.

Der Weg zur professionellen Wissensorganisation

Ein umfassendes Wissensmanagement zu implementieren, heißt zuallererst, sich der Bedeutung der Ressource Wissen bewusst zu werden. Daraus lassen sich drei übergeordnete strategische Unternehmensziele formulieren, deren Erfüllung durch entsprechenden Wissensaufbau und -transfer unterstützt wird. Eine wissensorientierte Strategie muss die strategischen Ziele „Product Leadership“, „Customer Intimacy“ und „Operational Excellence“, also vor allem die Optimierung von Produktivität und Qualität durch intelligentes Prozessmanagement, fokussieren. Ein Gesamtkonzept wissensorientierter Unternehmensführung kann Wissen nur in Verbindung mit Menschen und ihren Handlungsstrategien betrachten. Das Wissensmarktkonzept ist ein mögliches Implementierungsmodell von Wissensmanagement im Unternehmen.

Wissensorientierte Unternehmensführung bedeutet dabei, nicht nur „schneller und besser“, sondern auch „langsam und anders“ zu werden. Langsam bedeutet hier eine Chance für einen Wandel hin zu einer neuen Unternehmens-, Innovations- und Nachhaltigkeitskultur, welche Ergebnis eines komplexen Prozesses sind, der initiiert und nachhaltig gestaltet werden muss. Anders bedeutet diesbezüglich, dass das Ergebnis des Kulturwandels die Organisation – durch die neue Konfiguration seiner Ressourcen – schwerer imitierbar macht. Denn auch komplexe Produkte und Dienstleistungen lassen sich letztlich nachahmen. Die systematisch organisierte und im Unternehmen verankerte Fähigkeit, Wissen aufzubauen, zu kombinieren, anzuwenden und zu sichern, damit daraus bessere Wege gefunden werden und neuartige Lösungen für die Bedürfnisse der Kunden generiert werden können, ist nur schwer imitierbar und daher eine zentrale Quelle nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit.

Je nach Entwicklungsstufe einer Organisation gemäß der Wissenstreppe, hat sie einen bestimmten Reifegrad wissensorientierter Unternehmensführung erreicht. Der höchste Reifegrad stellt eine professionelle Wissensorganisation als Idealzustand dar, indem Zusammenarbeit, Wissensaustausch über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinausgeht und die aktive Suche nach Innovationen sowie ein offene, transparente und vertrauensvolle Unternehmenskultur von Führungskräften und Mitarbeitern gelebt wird. Ein bedeutsamer Bestandteil dieser Unternehmenskultur ist das Lernen von außen, zum Beispiel von Märkten, Technologien, Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten, das durch eine ausgereifte Informations- und Kommunikationsarchitektur unterstützt wird.

Paradigmenwechsel: Management by Excellence

Bildung ist die zentrale Prämisse für jeden Menschen, um seine Potenziale bzw. Talente zu entfalten, eine ausgewogene Persönlichkeit zu entwickeln und in einer komplexen Welt seinen Weg finden und erfolgreich gehen zu können. Sie hilft dem Menschen, seine Fähigkeiten zu entdecken, zu entwickeln und seine Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst durch Bildung wird dieser Prozess des wirksamen Selbstmanagements bzw. der persönlichen Weiterentwicklung möglich.

Optimale Lern-, Bildungs- bzw. Entwicklungsprozesse finden in Systemen bzw. Organisationen statt, die eine hohe Vernetzung und Interaktion aufweisen, und sind wichtige Prämissen für People Excellence sowie Organisational Excellence. Der Begriff „Bildung“ ist in diesem Kontext ausgesprochen vieldeutig. Er umfasst den Prozess der Ausbildung dessen, was die Persönlichkeit und den Charakter eines Menschen als innere Bildung prägt und wird gleichzeitig benutzt, um das Ergebnis dieses Prozesses zu beschreiben. Bildung ist als zielgerichteter Prozess ohne Kommunikation nicht möglich. Daher gilt allgemein die einfache Formel, dass Wissen plus Kommunikation gleich Bildung ist. Weiterhin kann man formulieren, dass Bildung plus Kreativität gleich Fortschritt bedeutet.

Die Bedeutung des Wissenstransfers

Im klassischen Wissensmanagement versucht man, den wirtschaftlichen Erfolg von Organisationen durch die Weitergabe bzw. Kommunikation von Wissen (Sharing Knowledge) zu erklären. Hier werden die Menge von Wissen und die Intensität der Kommunikation als Erfolgsfaktoren angesehen. In der Praxis wird allerdings deutlich, dass Wissen nur dann effektiv weitergegeben bzw. kommuniziert werden kann, wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind. Das Vorhandensein von gemeinsamer bzw. geteilter Exzellenz (Sharing Excellence), welche auch soziale Kompetenzen, emotionale Intelligenz bzw. Soft Skills inkludiert, ist eine solche notwendige Voraussetzung für eine effektive Kommunikation von Wissen und ein erfolgreiches Wissensmanagement im klassischen Sinne. In der Praxis gilt es daher, zuerst eine Sharing Excellence zu schaffen. Der Einsatz von Sharing Excellence als Basis steht hier für ein neues Unternehmensführungskonzept, das als Management by Excellence bezeichnet wird. Management by Excellence führt durch den systematischen Aufbau und den Einsatz von Exzellenz in Entscheidungs- und Problemlösungsprozessen sowie durch eine kognitive und emotionale Reflexion, welche auf Expertise und Intuition aufbaut, zu einer systemischen Förderung von Kreativität, Flexibilität und Innovation in sozialen Systemen.

In nachhaltig erfolgreichen Organisationen werden systematisch Werkzeuge, zum Beispiel die World-Cafè-Technik, verwendet und Schulungen auf Basis des so genannten Dialog-Handelns betrieben, um dadurch auch wirksame informale Gespräche unter den Mitgliedern einer Organisation zu unterstützen. Man geht davon aus, dass pervasives Lernen sowie das Entwickeln von innovativen Lösungen nicht vorwiegend in Schulungs- oder Konferenzräumen stattfindet, sondern vielmehr in der Kantine, einer Cafeteria oder dafür geschaffenen virtuellen Räumen.

 

 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

12010
Editorial       Weiterbildung

Leben heißt (weiter-)bilden

von Oliver Lehnert

Artikel lesen


Online Fachbeiträge Ausgabe 11 / 2003
Fachbeitrag       Implementierung

Nachhaltigkeit im Spannungsfeld von Wissensgesellschaft und Demografie

von Thomas Auer

Artikel lesen


Online Fachbeiträge Ausgabe 8 / 2008
Fachbeitrag       Social Media

Das Ende von Wissen am Fließband

von Willms Buhse, Axel Dornis

Artikel lesen


Online Fachbeiträge Ausgabe 7 / 2016
Fachbeitrag       Wissensgesellschaft

Bricks, Bytes & Behaviour: Die drei Säulen des neuen Arbeitens

Artikel lesen


12013
Titelthema       Big Data

Von der Wissens- zur Resonanzgesellschaft

Artikel lesen


Unsere Empfehlungen