Fachbeiträge

Ausgabe 8 / /2008
Fachbeitrag Interview

Erfolgsfaktor Höchstleistung – von den Besten lernen

von Gerhard Wohland

Was machen Höchstleister besser als andere? Wie erringen und halten Marktführer ihre Position an der Spitze einer Branche? Antworten auf diese und andere Fragen gibt Dr. Gerhard Wohland, Leiter des Instituts für Höchstleistungen an der Benmark University, in einem Experten-Interview. Exemplarisch führt er dabei Toyota als Beispiel für erfolgreiches Wissensmanagement an. Seiner Meinung nach kann nur eine ausgewogene Kombination von Wissen und Können langfristig zum Erfolg führen. Voraussetzung dafür sind jedoch talentierte Mitarbeiter, die situativ auf neue Herausforderungen reagieren. Wie man diese findet und gezielt fördert, macht zum Beispiel Nokia Networks vor.

Erfolg und Misserfolg liegen häufig nah beieinander. Den entscheidenden Unterschied bilden in dynamischen Märkten oftmals die so genannten High Performer – oder Höchstleister. Was zeichnet sie aus? Worin unterscheiden sie sich von der breiten Masse? Und – ganz wichtig: Was kann man von ihnen lernen?

 

 

 

wissensmanagement: Kostensenkung mittels Outsourcing ist für viele Unternehmen der einzige Weg, um die Effizienz und Produktivität zu erhöhen. In wiefern gilt dies auch für dynamische Märkte?

 

 

 

Wohland: Das kommt darauf an, was mit Outsourcing gemeint ist. Konventionell ist Outsourcing die externe Zulieferung einer Leistung, die zuvor von einer internen Funktion erbracht wurde. Bei niedriger Dynamik kann dies die Kosten senken. Bei zunehmender Dynamik kann es jedoch gefährlich werden, denn je höher die Dynamik, umso mehr unterscheiden sich die Anforderungen. Es entsteht eine dynamische Vielfalt, der ein externer Zulieferer nicht mehr folgen kann.

 

 

 

wissensmanagement: … und was machen die Höchstleister nun anders?

 

 

 

Wohland: Höchstleister zerlegen die interne Kompetenz in zwei Anteile. Der erste Anteil besteht aus allen Kompetenzen, die über einen echten Markt bezogen werden können. Markt heißt: Eine Leistung wird von mehreren angeboten und von mehreren nachgefragt. Nur wenn der Zukauf auf die Schalenkompetenz beschränkt bleibt, kann die Selbstorganisation des Marktes genutzt werden. Nur dann sinken die Preise und die Qualität steigt. Nur diese Form des Outsourcings ist ein Element von Höchstleistung. Die Wertschöpfungstiefe wird reduziert. Die Steuerung wird entlastet. Die dynamikrobuste Selbstorganisation des Marktes wird genutzt.

 

 

 

wissensmanagement: … und der zweite Anteil?

 

 

 

Wohland: Der zweite Anteil ist die so genannte Kernkompetenz. Dieser "Rest" darf auf keinen Fall zugekauft werden. Sie wandelt eine Marktbeziehung früher oder später in eine teure Abhängigkeit. Bei hoher Dynamik führt schon die geringste "Verunreinigung" durch Kernkompetenz zum Scheitern der Outsourcing-Projekte.

 

 

 

wissensmanagement: Was sind die Kriterien für Höchstleistung? Haben sich diese verändert?

 

 

 

Wohland: Während der tayloristischen Industrialisierung waren die Merkmale der Höchstleister eine starre Massenproduktion bei geringen Kosten und hoher Qualität. Erreicht wurden diese durch technische Innovation, gesteuerte Prozesse und Größe. In den heutigen dynamischen Märkten haben sich diese Kriterien tatsächlich verändert.

 

 

 

wissensmanagement: Inwiefern?

 

 

 

Wohland: Heute dominiert Dynamik. Sie entsteht durch die Enge der globalen Märkte. In diese Enge beginnt der Konkurrenzkampf nicht erst mit einem Produkt in einem Markt. Schon die Produktidee wird beobachtet und, wenn irgend möglich, mit einer Gegenidee gestört. Hier helfen weder Prozesse noch sorgfältige Planung. Die einzige Lösung sind Leute, die – schneller als andere – passende Ideen haben. Wir nennen sie "Meister". Deswegen beginnen dynamikrobuste Höchstleister nicht mit der Frage: "Wie kann mein Problem gelöst werden" sondern: "Wer kann es lösen".

 

 

 

wissensmanagement: Der Automobilhersteller Toyota gilt als einer der ersten Höchstleister überhaupt. Wie unterscheidet sich der „Toyota Way“ von den Wegen durchschnittlicher Unternehmen?

 

 

 

Wohland: Ein Höchstleister weiß zwar, dass er besser ist als seine Konkurrenten; er weiß aber nur sehr ungenau warum. Das gilt auch für Toyota und seine Beobachter. Was bei Toyota vielleicht am häufigsten übersehen wird, ist die für Höchstleister typische Dualität! Das bedeutet, dass zwei eigentlich unvereinbare Arbeitsweisen in einem "widerständigen" konstruktiven Verhältnis gehalten werden können.

 

 

 

wissensmanagement: Welche Arbeitsweisen sind das?

 

 

 

Wohland: Zum einen sind es die bekannten streng methodischen Prozesse, wie sie für die Massenproduktion benötigt werden. Diese sind bei Toyota nur leicht durch Kaizen dynamisiert. Zum anderen ist es die talentbasierte Innovation, die immer durch einen ehrenwerten Meister dominiert ist. Hier gibt es weder Prozesse, Steuerung noch Budgetierung. Dem Ersten ordnen wir die Farbe blau zu, dem Zweiten die Farbe rot. Das Problem der meisten Unternehmen ist, dass sie nur eines von beiden können: Zeitungsredaktionen, Theater oder Modehäuser können nur rot. Konventionelle Betriebe können fast nur blau.

 

 

 

wissensmanagement: In Ihrem Buch „Denkwerkzeuge der Höchstleister“ schreiben Sie, dass ein Unternehmen, das versuche seine Kultur zu verbessern, sich eine blockierende Paradoxie einhandelt. Wie entsteht dann die, oft beeindruckende, Firmenkultur eines Höchstleisters?

 

 

 

Wohland: Kultur ist nicht Ursache, sondern Ergebnis der herrschenden Verhältnisse. Höchstleister gestalten ihre Kultur nicht, sie beobachten sie aber. Auch kleinste Veränderungen dienen als informativer Sensor für Überlastung oder für Reserven. Wenn es einem Unternehmen gelingt, sich dynamikrobust zu transformieren, dann folgt die Kultur automatisch. Das erklärt, warum ein Höchstleiter immer eine beeindruckende Kultur hat, ohne sich je mit dieser beschäftigt zu haben. Projekte zur Kulturentwicklung finden sich nur in Unternehmen, deren Kultur die eigene Überforderung abbildet. Die Werte von Individuen und Organisation funktionieren wie ein Gedächtnis. Sie ändern sich ständig, können aber nicht willentlich geändert werden.

 

 

 

wissensmanagement: „Das Wissen muss ein Können werden“, schrieb bereits der renommierte preußische General Carl von Clausewitz. Auch er war der Meinung, dass nur durch Können Spitzenleistungen zu erreichen sind. Ist das bei dynamikrobusten Höchstleistern genauso?

 

 

 

Wohland: Dass Können und nicht Wissen die Basis von Höchstleistung ist, gilt nur im Kontext hoher Dynamik. In den Zeiten träger Märkte war der tayloristische Formalismus, also Wissen, die Basis für Höchstleistung. Das Fachgebiet von Clausewitz war der Krieg, also ein System mit maximaler Dynamik. Das ist wohl der Grund, warum der General zur gleichen Erkenntnis gelangte wie heutige Höchstleister. Überall wo Dynamik dominiert – in der Kunst, im Sport, im Krieg und heute auch in der Wirtschaft – dominiert das schnelle dynamikrobuste Können vor dem langsamen dynamikempfindlichen Wissen.

 

 

 

wissensmanagement: Welche Unternehmen können besonders von den Denkwerkzeugen der Höchstleister zu profitieren?

 

 

 

Wohland: Alle können davon profitieren. Allerdings machen die Werkzeuge allein aus einem traditionellen Unternehmen noch keinen Höchstleister. Das ist aber auch nicht nötig. Zunächst geht es nur darum, falsche Fragen durch richtige zu ersetzen. Auch für Nicht-Höchstleister ist dies der einfachste schnellste und billigste Weg Dynamikprobleme zu lösen. Übrigens können auch solche Unternehmen, die bereits Höchstleister sind, die Denkwerkzeuge nutzen, um sich selbst besser zu verstehen und so die eigenen Errungenschaften zu schützen. Geschieht dies nämlich zu wenig, kann ein Höchstleister schnell wieder abstürzen. Wir nennen das "Seitenwindempfindlichkeit".

 

 

 

wissensmanagement: Sie sagen, dass Dynamikprobleme nur mit den Ideen der Könner zu meistern sind. Woher sollen aber die vielen Talente kommen?

 

 

 

Wohland: Sie sind längst da. Da sie aber in konventionellen Unternehmen bisher nicht gebraucht wurden, sind sie unsichtbar, auch für die potenziellen Talente selber. Die Frage ist also nicht, wo man Talente findet, sondern wie man sie sichtbar macht. Bei Nokia Networks zum Beispiel werden dem Karrierekandidaten einige der aktuellen Probleme des Unternehmens präsentiert. Fällt es ihm leicht, beeindruckende Ideen für eine Lösung zu nennen, ist er "talent-verdächtig". Ausbildung und bisherige Karriere spielen bei der Beurteilung fast keine Rolle.

 

 

 

wissensmanagement: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

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