Fachbeiträge

Ausgabe 12 / /2007
Fachbeitrag Weiterbildung

Wissensvermittlung um jeden Preis?

von Birgit Lutzer

Manche Trainer arbeiten bewusst mit Methoden, die Teilnehmer in emotionale Grenzsituationen bringen. Sie beschämen einzelne vor versammelter Runde, um sie dann wieder aufzubauen und an sich zu binden. Die dahinter stehende Annahme lautet: „Nur, wer sich schlecht fühlt, ist bereit, sich zu ändern.“ Lernpsychologisch nachgewiesen ist jedoch, dass emotionale Verstörtheit die Aufnahme neuer Lerninhalte verhindert. Daher sind einige moderne Seminarmethoden mit Vorsicht zu betrachten. Hier gilt: Wissensvermittlung um jeden Preis ist für keinen der Beteiligten förderlich.

Von Birgit Lutzer

Inhaltsübersicht:

Führungskräfteseminar in einem Fünfsterne-Hotel. „Jeder von Ihnen erhält nun der Reihe nach ein ungeschminktes Feedback von den anderen, wie er wirkt!“ ordnet der Trainer an. Die Teilnehmer müssen sich der Reihe nach auf den „heißen Stuhl“ setzen, auf dem jede/r im buchstäblichen Sinne „sein Fett weg kriegt“. Eine Teilnehmerin kommt mit den Rückmeldungen der anderen nicht zu recht und fängt an zu weinen. Sie hat kein Taschentuch und ihre Nase läuft. Hilflos schluchzend blickt sie in die Runde. Niemand – auch nicht der Trainer – reagiert. Schließlich steht sie auf und rennt aus dem Raum. Im Nachhinein beschreibt die Frau diese Situation als zutiefst demütigend und beschämend. Solche Erfahrungen können sich tief im Bewusstsein verankern: Jeder Mensch hat ein Idealbild von sich selbst. Weicht er von diesem Ideal-Selbst vor Publikum oder für sich alleine ab, kann dies heftige Scham auslösen. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob das abweichende Verhalten von ihm selbst oder durch externe Einwirkung ausgelöst wird.

Selbstbild: Abweichungen und ihre Folgen

 

Führungskräfteseminar in einem Fünfsterne-Hotel. „Jeder von Ihnen erhält nun der Reihe nach ein ungeschminktes Feedback von den anderen, wie er wirkt!“ ordnet der Trainer an. Die Teilnehmer müssen sich der Reihe nach auf den „heißen Stuhl“ setzen, auf dem jede/r im buchstäblichen Sinne „sein Fett weg kriegt“. Eine Teilnehmerin kommt mit den Rückmeldungen der anderen nicht zu recht und fängt an zu weinen. Sie hat kein Taschentuch und ihre Nase läuft. Hilflos schluchzend blickt sie in die Runde. Niemand – auch nicht der Trainer – reagiert. Schließlich steht sie auf und rennt aus dem Raum. Im Nachhinein beschreibt die Frau diese Situation als zutiefst demütigend und beschämend. Doch gerade das Schamgefühl, das jeder Mensch aus eigener, unangenehmer Erfahrung kennt, hat weit reichende Folgen: Zunächst strahlt es unmittelbar auf das Gehirn aus: Gestik, Mimik und Sprechvermögen entwickeln ein unangenehmes Eigenleben, das gleichzeitig noch die Scham verstärkt. Ist die erste, akute Schamphase überwunden, entwickeln sensible Menschen manchmal über einen langen Zeitraum hinweg Deprimiertheits- und Schuldgefühle.

Je tiefer verwurzelt ein Aspekt des Selbstbildes in der Persönlichkeit ist, desto stärkere Auswirkungen hat eine (provozierte) Abweichung davon: Manche Personen erinnern sich ein Leben lang mit Schaudern an bestimmte Schamanlässe und entwickeln im Extremfall psychische Störungen. Natürlich reagiert jeder Mensch individuell auf eine Situation. Das, was dem einen die tiefste Schamesröte ins Gesicht treibt, löst bei anderen nur ein Achselzucken aus – weil die Abweichung vom Ideal-Selbst durch andere Gegebenheiten ausgelöst wird.

 

 

Lernmethoden: Folgen müssen absehbar sein

 

 

Übertragen auf die Seminarsituation bedeutet das: Hätte der Dozent die Übung nicht angeordnet, bestünde für die Frau kein Anlass, zu weinen. Also ist er indirekt der Verursacher der Abweichung von ihrem Idealbild, das vielleicht lautet: „Ich bin eine selbstbewusste Führungskraft, die sich zu jeder Zeit emotional im Griff hat und öffentlich keine Schwäche zeigt.“ Darüber hinaus hat der Trainer nichts unternommen, um die Frau zu trösten. Jeder Bildungsanbieter sollte das, was er mit einer bestimmten Methode hervorruft, auch auffangen können. Sonst geht es ihm wie Goethes Zauberlehrling, der in Abwesenheit seines Meisters einen Besen durch Magie zum Leben erweckte und anschließend nicht mehr damit umgehen konnte.

 

In einer normalen Seminarsituation ist es meist schwierig, alle Personen so gut einzuschätzen, um die jeweilige Reaktion auf eine gezielte Bloßstellung vorauszuberechnen. Hier ist Vorbeugung gefordert: Damit Weiterbildungskunden wissen, auf welche Art von Erfahrungen sie sich einlassen, sollte die Ausrichtung des Seminars deutlich aus der Seminarbeschreibung bzw. dem Angebot hervorgehen.

 

 

Qualitätsanspruch: Berufskodex für die Weiterbildung

Das „Forum Werteorientierung in der Weiterbildung“ setzt sich für ethisches Verhalten von Trainern und Beratern bei ihrer Berufsausübung ein. Dazu wurde der „Berufskodex für die Weiterbildung“ entwickelt, den Trainerinnen und Trainer aus den Mitgliedsorganisationen des „Forum Werteorientierung“ als freiwillige Selbstverpflichtung unterzeichnen können. Der Kodex enthält Hinweise über das Menschenbild sowie Richtlinien für den fairen Umgang und eine wertschätzende Wissensvermittlung zwischen Trainern bzw. Beratern und ihren Teilnehmern, Kunden und Geschäftspartnern. Als Zeichen der Anerkennung des Berufskodex verwenden die Unterzeichnenden das Siegel „Qualität-Transparenz-Integrität“ sowie den Berufskodex im Wortlaut in ihren Werbematerialien. Ist der Kunde eines solchen Anbieters der Meinung, dieser habe gegen Inhalte des Berufskodex für die Weiterbildung verstoßen, kann er diesen Vorfall kostenlos prüfen lassen.

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