Fachbeiträge

Ausgabe 1 / /2003
Fachbeitrag Wissenstransfer

Erfolgsfaktor Führungs- und Unternehmenskultur

von Matthias Dreschert

In vielen Unternehmen ist die Produktion weitgehend optimiert – durch technische Innovationen und ein weiteres Verschlanken der Prozesse lässt sich die Leistung kaum noch steigern. Allerdings eröffnet eine optimierte Unternehmens- und Führungskultur oftmals erhebliche Potenziale für eine Steigerung der Produktivität. Dies hat auch die Honsel GmbH & Co. KG in Meschede erkannt, wie Matthias Dreschert berichtet. In einer Befragung ermittelte der Automobilindustriezulieferer die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter und verglich die Daten mit denen anderer Unternehmen, um hieraus Verbesserungspotenziale abzuleiten.

 

Von Matthias

Dreschert

 

Inhaltsübersicht:

 

In vielen Unternehmen ist die Produktion weitgehend optimiert.

Doch lässt sich über eine verbesserte Führungs- und

Unternehmenskultur die Leistung noch deutlich steigern. Dies hat

auch der Spezialist für Leichtmetallprodukte Honsel mit Sitz

in Meschede erkannt. Der Automobilindustriezulieferer ermittelte

daher, wie zufrieden seine Mitarbeiter sind und verglich die Daten

mit denen anderer Unternehmen, um hieraus Verbesserungspotenziale

abzuleiten.

 

 

 

„Durch technische Innovationen und ein weiteres Verschlanken

der Prozesse können wir unsere Produktivität kaum noch

steigern“, sagt Hellmuth Knauber. „Hier sind die Potenziale

weitgehend ausgereizt. Unter anderem, weil wir mit EFQM und Six

Sigma unsere Produktionsabläufe kontinuierlich verbessern“,

betont der Leiter Personalmanagement bei der Honsel GmbH & Co.

KG. Quantensprünge könne der Automobilindustriezulieferer

nur noch erzielen, indem er Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit

und Führungsqualität gezielt beeinflusse. Deshalb regten

die Personalmanager des Unternehmens vor zwei Jahren eine Mitarbeiterbefragung

an, um zu ermitteln,

 

  • wie zufrieden die über 3.000 Honsel-Mitarbeiter in Deutschland mit ihrer Arbeitssituation und der (Führungs-) Kultur des Unternehmens sind
  • wie sie die Marktposition des Unternehmens und die Qualität seiner Produkte/Leistungen einschätzen und
  • wie sich das Unternehmen aus Mitarbeitersicht noch stärker als kompetenter Entwicklungs- und Lieferpartner für Leichtmetallprodukte profilieren kann

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Mitarbeiterbefragung ist kein Sonderprojekt

 

Der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Honsel-Gruppe, Dr.

Engelbert Heimes, stimmte dem Vorschlag sofort zu. Insbesondere

auch, weil die Mitarbeiterbefragung kein Sonderprojekt sein sollte.

Sie sollte vielmehr in das Honsel-Management-System integriert sein

und wie die EFQM- und Six-Sigma-Initiative dazu beitragen, dass

die Unternehmensgruppe ihre Ziele erreicht. So wurde dem Leiter

des Bereichs Six Sigma, Klaus Mazurczyk, die Leitung der Mitarbeiterbefragung

übertragen.

 

 

Im Juni 2001 begannen die Projektverantwortlichen mit der Vorbereitung

des „Sag Deine Meinung“ getauften Projekts. Dabei wurden

sie von der ISR International Survey Research GmbH, Frankfurt am

Main, unterstützt. Für ISR als Partner entschied sich

Honsel, weil das auf Organisationsanalysen durch Mitarbeiter-, Kunden-

und Lieferantenbefragungen spezialisierte Beratungsunternehmen jährlich

circa 1,5 Millionen Mitarbeiter von Unternehmen weltweit befragt.

Mit den dabei gewonnenen Daten erstellt es nationale und branchenbezogene

Benchmarks. Diese Vergleichsinstrumente wollte Honsel zur Interpretation

der bei der Befragung seiner Mitarbeiter gewonnenen Daten nutzen.

 

 

 

Im September 2001 hatte das Projektteam, dem auch Mitglieder des

Betriebsrats und ISR-Berater angehörten, den benötigten

Fragebogen erstellt. Er gliederte sich in drei Teile: Mit dem ersten

Teil sollten die relevanten Mitarbeiterdaten erfasst werden. Die

Fragen im zweiten Teil zielten darauf ab, die Arbeitszufriedenheit

der Mitarbeiter zu ermitteln und wie sie die (Markt-) Situation

von Honsel und die verschiedenen Qualitäts- und Erfolgssteigerungsprogramme

des Unternehmens beurteilen. Im dritten Teil des Fragebogens konnten

die Mitarbeiter persönliche Kommentare zu den insgesamt sieben

Fragenkomplexen abgeben.

 

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Einbindung des Betriebsrats

 

Im Dezember 2001 stellten die Betriebsräte in Betriebsversammlungen

an den vier deutschen Honsel-Standorten Meschede, Nürnberg,

Soest und Bestwig den Mitarbeitern die Befragung vor. Sie versicherten

ihnen, dass diese freiwillig und anonym erfolge. Jeder Mitarbeiter

erhielt zudem eine Broschüre mit den wichtigsten Informationen

über die Befragung.

 

 

 

Im Januar und Februar 2002 fand die eigentliche Befragung statt.

Hierbei spielten die Betriebsräte eine Schlüsselrolle.

Sie standen den Mitarbeitern als Ansprechpartner zur Verfügung.

„Rund um die Uhr“, wie Knauber betont. Schließlich

produzieren die Honsel-Werke im Schicht-Betrieb. Über 80 Prozent

der Mitarbeiter nahmen an der Befragung teil. „Für eine

anonyme und freiwillige Mitarbeiterbefragung ein extrem hoher Wert“,

versichert Dr. Michaela Dabringhausen, Leiterin der deutschen Niederlassung

von ISR.

 

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Vergleich mit anderen Unternehmen

 

Im April 2002 präsentierte ISR die zentralen Ergebnisse der

Geschäftsführung und dem Management-Führungskreis.

Hierfür ordnete ISR die Antworten der Mitarbeiter 17 Kategorien

zu. Dabei zeigte sich: Die Honsel-Mitarbeiter sind mit ihrer Arbeit

und ihrem Arbeitsumfeld weitgehend zufrieden. Auch ihre direkte

Führung und die Unternehmensführung beurteilten sie zumeist

positiv. Weniger zufrieden sind sie mit der Belohnung und Anerkennung

für ihre Arbeit und mit den Abläufen, die sich ihrem Einfluss

entziehen.

 

 

mitarbeiterbefragung picture

Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung bei der Honsel GmbH & Co. KG

 

 

Solche Zahlen sind erste Indizien dafür, wo die Stärken

und Schwächen eines Unternehmens liegen. Isoliert betrachtet

ist ihre Aussagekraft jedoch gering. Deshalb verglich ISR die bei

den einzelnen Fragen und Fragenkomplexen ermittelten Durchschnittswerte

mit denen anderer deutscher Unternehmen. Hierbei ergaben sich einige

interessante Befunde. So zeigte sich etwa, dass bei Honsel zwar

nur 46 Prozent der Mitarbeiter meinen, ihr Unternehmen sei kundenorientiert.

Trotzdem ist Honsel in diesem Bereich Spitze, denn dieser Wert liegt

8 Prozent höher als durchschnittlich bei anderen Unternehmen.

Ähnlich ist es im Bereich Qualität, zumindest wenn man

die Antworten auf die einzelnen Fragen betrachtet.

 

 

 

vergleich picture

Vergleich der Befragungsergebnisse mit den Durchschnittswerten anderer Unternehmen

 

 

Das umgekehrte Bild ergab sich beim Fragenkomplex „Direkte

Führung“: Zwar beurteilen 59 Prozent der Honsel-Mitarbeiter

ihre unmittelbaren Vorgesetzten positiv, dies sind aber 5 Prozent

weniger als bei den anderen Unternehmen. Die Auswertung nach Hierarchieebenen

offenbarte zudem, wo die größten Abweichungen bestehen:

auf der Ebene der Vorarbeiter und Meister. Eine Ursache hierfür,

so Knauber: „Ihre Funktion hat sich stark gewandelt“.

 

 

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Motivation der Mitarbeiter ermittelt

 

Die ISR-Berater ermittelten auch, wie verbunden sich die Honsel-Mitarbeiter

dem Unternehmen fühlen. Dabei zeigte sich, dass sich die Vorarbeiter

– also die Mitarbeiter auf der unmittelbar wertschöpfenden

Ebene – am wenigsten mit dem Unternehmen identifizieren. Dies

ist in vielen Produktionsunternehmen der Fall. Trotzdem will Honsel

hier verstärkt aktiv werden, zumal die weitere Analyse zeigte:

Die Defizite der Vorgesetzten im Bereich Führung wirken sich

unmittelbar auf die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit

aus.

 

 

 

Nachdem ISR die Geschäftsführung über die Befragungsergebnisse

informiert hatte, präsentierten die Berater diese den Führungsteams

der Bereiche. Die Mitarbeiter wurden im Juni 2002 mit einem Faltblatt

über die Ergebnisse informiert. Dann folgte die größte

Herausforderung: Welche Maßnahmen werden aus der Befragung

abgeleitet? Und: Wie werden diese umgesetzt? Vereinbart wurde, dass

für das Entwickeln der bereichsbezogenen Maßnahmen die

so genannten Excellence Teams zuständig sein sollen. Diese

Teams waren schon vor der Befragung in allen Unternehmensbereichen

etabliert worden, um die verschiedenen Aktivitäten, mit denen

Honsel seine strategischen Ziele anstrebt, zu bündeln.

 

 

Die Excellence Teams, denen auch die Qualitätsmanager der

Six-Sigma- und EFQM-Projekte angehören, werteten die bereichsbezogenen

Ergebnisse aus. Dann definierten sie Schwerpunktthemen und leiteten

daraus konkrete Maßnahmen ab. Dabei griffen sie vorrangig

jene Themen auf, bei denen der Zufriedenheitswert ihres Bereichs

niedriger war als 60 Prozent, niedriger als im Gesamtunternehmen

Honsel und niedriger als beim Benchmark.

 

 

 

Das für die Holding zuständige Excellence Team definierte

zudem bereichsübergreifende Maßnahmen. Diese betrafen

vor allem die Bereiche Mitarbeiterführung und -kommunikation.

Ende Juli 2002 waren alle Maßnahmenpläne erstellt. Die

wichtigsten und dringendsten Maßnahmen wurden in die Zielsetzungen

der Bereiche für das Jahr 2003 aufgenommen.

 

 

Ein Schwerpunkt lag auf dem Führungsverhalten der unteren

Führungskräfte, da diese, wie die Befragung zeigte, zum

Teil Probleme mit dem Wahrnehmen ihrer Führungsaufgabe haben.

Deshalb startete das Unternehmen bereits im September 2002 ein Qualifizierungsprogramm

für diese Zielgruppe. Ein weiteres Ergebnis der Befragung:

Viele Mitarbeiter fühlen sich nicht ausreichend über die

Bereichs- und Unternehmensziele informiert. Also wurde auch dieses

Thema in die Führungstrainings integriert. Zudem wurde die

Mitarbeiterzeitschrift „Der Honselaner“ zu einer Kommunikationsplattform

für die Mitarbeiter umgestaltet. Außerdem richtete das

Unternehmen in den Betriebsstätten so genannte Showrooms ein.

Dort können sich die Mitarbeiter an Terminals via Intranet

über neue Entwicklungen und aktuelle Maßnahmen informieren.

Verbessert wurde auch das Vorschlagswesen.

 

 


Qualitäts- statt Tonnendenken

 

Bei der Befragung ermittelte Honsel auch, wie stark die verschiedenen

Qualitätsinitiativen im Bewusstsein der Mitarbeiter verankert

sind. Dabei zeigte sich: Die meisten Mitarbeiter haben nicht mehr

das „Tonnendenken“, das früher für Gießerei-Mitarbeiter

typisch war. Qualität zu produzieren, ist für sie mindestens

ebenso wichtig, wie einen hohen Output zu erzielen. Das beweist:

Honsel ist auf dem richtigen Weg.

 

 

 

Um eine hohe Verbindlichkeit zu erzeugen, lässt sich Geschäftsführer

Dr. Engelbert Heimes monatlich über den Grad der Umsetzung

der vereinbarten Maßnahmen in allen Bereichen informieren.

Wichtiger als alle Einzelmaßnahmen ist Honsel jedoch, dass

im Unternehmen eine neue Führungskultur entsteht. Zudem möchte

Honsel unternehmensweit ein Management-System etablieren, das auch

Faktoren wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie Führungsqualität

umfasst. Dies ist dem Unternehmen, so Mazurczyk, mit der Befragung

weitgehend gelungen. Nun verfügt es über die nötigen

Kennzahlen, um bei der nächsten Mitarbeiterbefragung Veränderungen

zu erfassen. Sie findet im Juni 2003 statt.

 

 

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