Fachbeiträge

Ausgabe 2 / /2003
Fachbeitrag Weiterbildung

Des Trainers neue Werkzeuge:

von Oliver Ückerseifer

Was darf Mitarbeiterqualifizierung heute eigentlich kosten? Wenn sich diese Frage in der Geschäftsführung oder der Controllingabteilung stellt, reichen die Meinungen von "am besten nichts" über "nur so viel wie unbedingt nötig" bis hin zu "nicht mehr als letztes Jahr". Fallen durch eine Weiterbildungsmaßnahme die Schlüsselpersonen oder Kernkompetenzträger der Firma wie beispielsweise Ingenieure oder Konstrukteure für mehrere Tage aus, sind sich die meisten Firmenchefs jedoch einig: Das strategische Marktpotenzial eines Unternehmens steht hier in direktem Verhältnis zur Performance der Mitarbeiter. Oliver Ückerseifer rechnet anhand anschaulicher Praxisbeispiele vor, welche Schulungsmethoden im CAD-Bereich am effektivsten sind und wo sich auf einfache Weise Kosten einsparen lassen

Von Oliver Ückerseifer

Inhaltsübersicht:

 

 

Was darf Mitarbeiterqualifizierung heute

eigentlich kosten? Spätestens wenn diese Frage in der Geschäftsführung

oder der Controllingabteilung gestellt wird, dann klaffen die Meinungen

von "am besten nichts" über "nur so viel wie

unbedingt nötig" bis hin zu "nicht mehr als letztes

Jahr" auseinander. Betrifft die Weiterbildungsmaßnahme

unmittelbar die Schlüsselpersonen oder Kernkompetenzen der

Firma, wie dies etwa bei Ingenieuren oder Konstrukteuren der Fall

ist, sind sich die meisten Firmenchefs jedoch einig: Das strategische

Marktpotenzial eines Unternehmens steht hier in direktem Verhältnis

zur Performance der Mitarbeiter.

 

 

 

Automobil- und Flugzeugindustrie haben dies längst erkannt

und setzen die ständige Weiterbildung ihrer Ingenieure konsequent

um. Vor allem die nötigen Schulungen zur flächendeckenden

Einführung des CAD-Pogrammes Catia V5, welche Mitte 2003 beginnen

soll, lässt sich mit konventionellen Trainingsmethoden für

mittelständische Firmen aber kaum umsetzen, viel weniger finanzieren.

"Machen wir es den Konzernen einfach nach", sagt Christian

Fuchs, Trainer und Software-Consultant aus München. Rechen-

und Praxisbeispiele zeigen, welche Schulungsmethoden im CAD-Bereich

für Firmenchefs am effektivsten sind.

 

 

"Das altbekannte Prinzip des Training on the job erfährt

zur Zeit im Bereich Qualifizierung ein unerwartetes Comeback",

berichtet Christian Fuchs, Geschäftsführer der Unico Media

GmbH aus München. Fuchs begründet dies durch die Tatsache,

dass während einer typischen Schulung im Klassenzimmer praktisch

keine Projektarbeit möglich ist: "Viele Unternehmen wollen

und können den hohen Produktivitätsverlust während

und nach der Weiterbildung einfach nicht mehr bezahlen." Erfolgreiche

Trainingsmethoden in Großkonzernen kombinieren die Schulung

im Klassenverband mit dem Lernen auf Projektebene am Arbeitsplatz

nach Anforderung (just in time) oder mit Selbststudium. Diese Kombination

hat sich als deutlich günstiger erwiesen und verringert die

Projektausfallzeiten erheblich, denn das Personal bleibt dabei in

der Regel im Haus.

 

 

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Das klassische Szenario:
Schulung extern, völliger Projektstillstand, keine Nachschulung möglich

 

Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: Eine Firma schickt 6 Ingenieure

auswärts auf eine CAD-Schulung von 10 Tagen Dauer. Der Mittelwert

beträgt hierfür nach einem Schnitt aktueller Preislisten

23.400 Euro (400 Euro pro Tag und Teilnehmer x 6 Teilnehmer x 10

Tage). Hotelkosten und Bahntickets sind hierbei noch unberücksichtigt.

Als zusätzlicher Ausfall müssen 60 Manntage Arbeitszeit

kalkuliert werden, was 3 Monatsgehältern entspricht. Die Tatsache,

dass in dieser Zeit die Projekte der jeweiligen Mitarbeiter stillstehen,

lässt sich kaum mit Zahlenwerten darstellen, ist aber ein weiteres

großes Manko. Bei einem mittleren Bruttogehalt von 3.800 Euro

pro Ingenieur beläuft sich die Summe dann auf stolze 37.800

Euro (23.400 Euro Schulungskosten plus 3.800 Euro Bruttogehalt pro

Ingenieur plus ca. 1.000 Euro Sozialabgaben für das Gehalt

x 3).

 

 

 

Arbeiten die 6 Ingenieure nicht sofort nach der noch frischen Schulung

an einem entsprechenden Projekt und bleiben somit beim Thema, "dann

gehen ca. 50% der Anfangsperformance innerhalb von nur ca. 10 Wochen

verloren und machen eigentlich schon wieder eine Nachschulung erforderlich",

weiß Fuchs aus seiner 12-jährigen Trainererfahrung zu

berichten. "Der Hauptnachteil einer Schulung außer Haus

ist, dass die Schulungsteilnehmer aus ihren aktuellen Projekten

herausgerissen werden und nicht in die Produktion eingebunden werden

können", bestätigt Georg Maier, Systemadministrator

für den CAD-Betrieb der Astrium AG in Ottobrunn. "Die

Ingenieure sind für die Firma nicht erreichbar und müssen

ohne weiteren Support alles Gelernte behalten, bis zum eigentlichen

Projekt". Einen deutlichen Vorteil sieht Maier daher in der

Schulung just in time. Sobald sich bei Astrium ein Projekt ankündigt,

wird eine auf die spezifischen Anforderungen angepasste Schulung

angesetzt. "Und zwar nicht mit der Gießkanne", so

Maier. "Das funktioniert nicht mehr. Nur spezifische Schulungsmodule

nach dem Prinzip 'Das muss ich können' kommen auf den Plan".

 

 

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Variante 1:
Inhouse-Schulung ohne Selbstlernanteil, kein völliger Projektstillstand, Nachschulung möglich

 

Überträgt man dieses Szenario auf eine intern stattfindende

Weiterbildungsmaßnahme, so kostet die gleiche Schulung viele

Konzerne beim ersten Mal ca. 35.390 Euro – alle weiteren Schulungen

kosten durch einen einfachen Trick jedoch nur noch 23.400 Euro,

bei einem Plus an Leistung und Effizienz.

 

 

 

Die Schulung findet Inhouse statt, der Trainer kommt für 10

Tage in die Firma. Reise- und Übernachtungskosten fallen nur

für den Trainer, nicht aber für die Teilnehmer an. Ausgewählt

werden wieder 6 Ingenieure, welche den Lernstoff auf aktueller Projektbasis

erhalten. Die Anforderungen werden vor dem ersten Schulungstag vom

Trainer ermittelt und der Kurs dann aus den benötigten Modulen

zusammengesetzt. Ein Schulen auf Verdacht nach dem Gießkannen-Prinzip

ist somit ausgeschlossen. Sowohl Vorkenntnisse und Übungsziele

werden bestimmt als auch der Schwierigkeitsgrad, bei dem die Teilnehmer

einsteigen wollen. (Unter Umständen kann hier sogar schon auf

ein oder zwei Trainingstage verzichtet werden.) Mittels einer speziellen

Lernsoftware, die im Hintergrund der Catia- oder Pro-Engineer-Oberfläche

läuft, absolvieren die Teilnehmer zuvor ausgewählte Übungen.

Der Trainer schult direkt am Arbeitsplatz.

 

 

Weit verbreitet für CAD-Systeme in der Automobilindustrie

ist das Qualifizierungssystem Surf&Learn. In didaktisch hochwertig

aufbereiteten Lernschritten können praktisch alle Arbeitsanforderungen

des Ingenieurs im aktuellen Projekt für Catia V4, V5 oder ProEngineer

dargestellt werden. Bereits über 1.000 Personen wurden alleine

bei BMW damit geschult, eine Reihe weiterer Automobilkonzerne auf

der Referenzliste wie Scania und Volvo erreichen ebenfalls gute

Werte.

 

 

 

Der Trainer verwendet bei der Erstschulung die Lernplattform Surf&Learn.

Nach dem Training verbleiben 3 Lizenzen der Lernsoftware im Haus

und können weiter genutzt werden. Besteht später Nachholbedarf,

so kann ein Schulungsteilnehmer, der die Lernsoftware ja schon vom

Training kennt, eine Übung aus dem Firmen-Intranet abrufen

und nochmals durcharbeiten. "Dies behebt sofort die sonst üblichen

Verluste in der Performance neuer Schulungsteilnehmer", bestätigt

Michael Kirchgässner, Geschäftsführer und Trainer

bei Maschine im Raum in München. Seit 13 Monaten arbeiten die

Trainer des CAD-Schulungsdienstleisters mit der Plattform Surf&Learn

und erzielen damit gute Ergebnisse. "Der Nachschulbedarf fällt

deutlich geringer aus, wenn die elektronischen Übungen aus

dem Kurs weiterhin zur Verfügung stehen", so Kirchgässner.

"Ohne Konstruktionsjobs und ständiges Üben keine

Projekterfahrung, ohne Projekterfahrung keine neuen Jobs",

fasst Kirchgässner das Problem vieler Konstruktionsfirmen zusammen.

 

 

Die Beispielrechnung ergibt folgende Werte für Variante 1:

 

10 Trainertage á 900 Euro (Mittelwert) plus 3 Lizenzen der

Lernsoftware für 11.990 Euro (3 von 6 bringt der Trainer für

die Dauer der Schulung kostenfrei mit) plus 60 Manntage Ausfallzeit

zu insgesamt 14.400 Euro. Dies ergibt in der Summe 35.390 Euro.

 

 

Bei einer weiteren Inhouse-Schulung sind die Lizenzen der Lernsoftware

aber schon vorhanden, es kommen also nur noch 23.400 Euro für

Trainer und Ausfall zusammen. Eine Nachschulung ist ebenfalls jederzeit

möglich. Selbst wenn man sich den Luxus leisten möchte,

für jeden weiteren Schulungsteilnehmer eine eigene Lizenz zu

erwerben, reduziert sich der Kostenaufwand spätestens bei der

dritten Schulung auf einen Schlag um über 30%.

 

 

 

"Es gibt mit Sicherheit Arbeitnehmer, die sich nach einer

Erstschulung mit Surf&Learn auch ohne Trainer selbst weiterbilden.

Es wäre auch praktisch gar nicht möglich, alle meine 50

Konstrukteure und Ingenieure ständig auf Schulungen zu schicken,

vor allem nicht im Hinblick auf die Umstellung von Catia V4 auf

V5. Das würde mein Budget auf zwei Jahre im voraus blockieren",

erklärt Georg Maier. Er teilt seine Ingenieure daher in drei

Hauptgruppen ein: 60% sind normale Anwender, die am liebsten ganz

gewöhnlich im Classroom lernen. 15% der Anwender sind "die

echten Ultras, die bringen sich fast alles selbst bei", schmunzelt

er. "Und 25% brauchen nur einen kleinen Anstoß, dann

kann man sie selbst lernen lassen".

 

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Variante 2:
Inhouse-Schulung mit Selbstlernanteil, geringer Projektstillstand, Nachschulung möglich

 

Je nach Schulungsprofil wird in der zweiten Phase ein bestimmter

Selbstlernanteil definiert. Dieser kann bis zu 70% betragen, der

Durchschnitt liegt um 40%. "Sinnvollerweise wird hier nicht

versucht, den Trainer durch ein E-Learning-Tool zu ersetzen",

so Christian Fuchs. Er warnt sogar davor: "Dies ist in einem

hoch spezialisierten Gebiet wie Catia auch gar nicht möglich.

Aber: Ein Basistraining über eine Lernsoftware in Kombination

mit einem Trainer, der dann nur noch die spezifischen Fachfragen

beantwortet, hat sich als sehr effektiv erwiesen".

 

 

 

An zwei Einführungstagen wird mit den Teilnehmern der Umgang

mit dem Übungstool erlernt, danach werden ein- oder zweimal

in der Woche Trainertage eingelegt, die Lernfortschritte sichergestellt

und Fragen beantwortet. "Diese Schulungen sind nicht so kompakt,

bieten aber einen unschätzbaren Vorteil: Der Ingenieur kann

zumindest die Hälfte seiner Zeit am Arbeitsplatz verbringen

und das Gelernte sofort in der Praxis anwenden", kommentiert

Michael Kirchgässner. Zu der Frage, ob sich der Einsatz von

Selbstlernsoftware in Kombination mit Erstschulung rechnet, meint

Georg Maier von Astrium: "Ich bin mir darin ziemlich sicher,

denn das Konzept des Selbstlernansatzes entspricht voll den Anforderungen

des Marktes. Schließlich macht genau der Umstand einer ständigen

Weiterbildung unsere Wettbewerbsfähigkeit aus."

 

Die Beispielrechnung ergibt folgende Werte für Variante 2:

 

 

7 Trainertage á 900 Euro (Mittelwert) plus 60 Manntage Ausfallzeit

zu insgesamt 14.400 Euro. Die Lernsoftware ist schon vorhanden.

In der Summe ergibt dies 20.700 Euro – für eine eigentlich

10 Tage dauernde Schulung.

 

 

Als kleiner Denkansatz sei noch erwähnt, dass es nicht bei

den 6 Teilnehmern bleiben muss: Investiert ein Unternehmen beispielsweise

in 9 Lizenzen, so kann ein Trainer auch leicht den Lernfortschritt

von 9 Ingenieuren überwachen, wobei hier ein weiterer Trainertag

hinzukommen dürfte, da es bei mehr Teilnehmern auch mehr Fragen

gibt.

 

 

Eine Gegenüberstellung von Lernfortschritt und Kosten ist

in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

 

 

Anzahl
Teilnehmer

Kosten
intern
in Euro

Kosten
extern
in Euro

Performance
extern

Performance
intern

Wochen

6

37.800

35.390

0

12

75.600

58.790

80%

80%

5

18

113.400

82.190

45%

75%

10

24

151.200

105.590

55%

72%

15

30

189.000

128.990

60%

75%

20

36

226.800

152.390

65%

77%

25

42

264.600

175.790

70%

80%

30

 

 

training picture
Vergleich der Schulungskosten intern (hell) versus extern (dunkel), kumuliert für je weitere 6 Ingenieure pro Schulung

 

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Fazit

 

Bei gleichbleibend guter Qualität ist es somit möglich,

mittels didaktisch hochwertiger Lerntools auf Intranet-Basis Ingenieure

und Konstrukteure direkt am Arbeitsplatz zu schulen – und dies

ohne Hinnahme der sonst üblichen Performance-Verluste unmittelbar

nach der Schulung, bei zudem deutlich geringeren Ausfallzeiten in

laufenden Projekten und erheblich gesenkten Schulungskosten.

 

 

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