Fachbeiträge

Ausgabe 8 / /2018
Fachbeitrag Digitalisierung

Digitale Transformation mit Augenmaß: Pragmatische Tipps zur schrittweisen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten

von Jörg Steiss, Reiner Wodey

Michael Gorbatschows Spruch „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ beschreibt sehr treffend die Situation der digitalen Transformation. Wie Unternehmen es schaffen, die richtigen Weichen zu stellen, diskutieren Jörg Steiss, General Manager, MindManager EMEA bei Corel und Reiner Wodey, Consultant im Bereich industrieller Großprojekte. 

Inhaltsübersicht:

wm: Industrie 4.0 ist nicht mehr brandneu, aber warum ist es gerade jetzt so wichtig sich mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen?

Jörg Steiss: Die Beschäftigung mit der digitalen Transformation ist unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Wettrennen um Flexibilität, Geschwindigkeit und Effizienz werden sich nur die Besten der jeweiligen Branchen durchsetzen und überleben.

Reiner Wodey: Und die Veränderungen im Alltag und der Arbeitswelt haben bereits begonnen. Nehmen wir doch nur den 3-D-Druck mit seinen Möglichkeiten. Vieles ist da bereits Realität und nicht mehr nur Zukunftsmusik.

wm: Welche Veränderungen erwarten uns konkret?

Steiss: Die digitale Transformation ist eine ganzheitliche Veränderung, bei der es nicht nur um IT-Technologie geht, sondern um einen ganzheitlichen Wandel. Ob Unternehmenskultur, verschlankte Unternehmensstrukturen, veränderte Prozesse, neue Führungsmethoden und auch die Art wie Arbeit in Zukunft geleistet wird - alles muss gemäß den unternehmensspezifischen Anforderungen überprüft, angepasst und getestet werden. Die große Herausforderung ist dabei, dass all das im „laufenden Betrieb“ umgesetzt werden muss.

wm: Wo liegen denn die Chancen der Industriellen Revolution 4.0?

Wodey: Dort wo Veränderungen stattfinden, trifft man auch auf Chancen. Dies betrifft sowohl die Unternehmensstruktur und die Prozesse, aber auch die Anforderungen an das Personal. Nehmen wir das Beispiel der Programmiersprache COBOL. Durch den Einzug neuer Servertechnologien ist beispielsweise die Nachfrage nach COBOL-Entwicklern rückläufig.

Steiss: Richtig – aber frühzeitig erkannt, konnte die jahrelange Erfahrung in der Lösungs-Entwicklung gesichert werden und rechtzeitig durch Weiterbildung die neuen Technologien erlernt und trainiert werden. So geht kein Unternehmens-Knowhow und auch kein Arbeitsplatz verloren. Wichtigste Voraussetzung dabei ist, dass sowohl das Unternehmen als auch die Menschen diese Chance erkennen und bereit zur Veränderung sind. Lebenslanges Lernen ist keine neue Disziplin!

wm: Wo sehen Sie die Risiken?

Wodey: Digitalisierung geht einher mit dem Begriff „disruptiv“. Das ist in vielen Fällen richtig, ist aber nicht immer „zerstörend“ gemeint. Es kann auch die Veränderung an sich sein. Disruptiv ist nur der erste Schritt der Transformation. Es wird Platz für Neues geschaffen. Berufe verändern sich oder verschwinden. Dafür bilden sich neue Aufgabenstellungen und Berufsbilder. Anders formuliert: Disruption schafft durch Veränderung Platz für Neues.

Steiss: Hinzu kommt, dass sich die Digitalisierung immer an den tatsächlichen Gegebenheiten des Unternehmens orientieren sollte. Blindes Nachmachen von allgemeinen Strategien, oder das bruchstückhafte Umsetzen in einzelnen Bereichen des Unternehmens, führen nicht zum erhofften Erfolg.

wm: Aus Ihrer Erfahrung, was sind typische Herausforderungen und Fehler?

Steiss: In vielen Fällen wird an den entscheidenden Stellen die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Strategie nicht gesehen, oder gar nicht gewollt. Zum einen ist der aktuell bestehende Erfolg im Unternehmen ein täuschender Faktor, zum anderen ist auch die Veränderung, die jede Person und seine Position im Unternehmen treffen könnte, ein Hinderungsgrund. Diese Sicht kann auf Dauer falsch sein und wird leider oft zu spät erkannt. Veränderung braucht Zeit, Geduld und auch Investment.

wm: Es handelt sich also um ein gravierendes Change-Management-Projekt. Was sind die wichtigen Eckpfeiler? Technik, Prozesse, Kultur, Menschen, Hierarchien?

Wodey: Wenn wir von Digitalisierung sprechen, könnten wir auch über ein Change-Management-Projekt mit den Besonderheiten der neuen digitalen Möglichkeiten sprechen. Dies betrifft alle Bereiche im Unternehmen. Für jeden der genannten Bereiche gab es schon in der Vergangenheit Veränderungsprojekte. Vielfach sind davon jedoch die Unternehmenskultur, als ein elementarer Bestandteil des Unternehmens, sowie die Hierarchien verschont geblieben. Digitale Transformation richtig gelebt bedeutet nicht Zerstörung von allem Bestehenden, sondern die digitalen Möglichkeiten sinn- und maßvoll in das gesamte Unternehmen zu integrieren.

Steiss: Mir fällt da spontan die Microsoft Corp. mit dem neuen CEO Satya Nadella als Beispiel für die Umsetzung einer Transformation ein: Um das Unternehmen wieder schneller und flexibler zu machen, wurden 2-4 Hierarchie-Ebenen entfernt, Teams zusammengelegt und durch die Einführung von modernen Arbeitsmodellen und Werkzeugen die Informationsgeschwindigkeit erhöht.

wm: Und was ist in dem Prozess der Veränderung zu beachten?

Wodey: In vielen Fällen sieht der digitale Prozess wie folgt aus: a) Beginn der Planung der digitalen Transformation, b) Start der digitalen Revolution, c) Ergebnis ist die digitale Konfusion. Das muss nicht sein. Es bedarf einer Analyse der aktuellen Unternehmenssituation durch erfahrene Berater. In dieser Phase sollten auch die Beteiligten im Unternehmen eingebunden werden, weil so höhere Akzeptanz entsteht. Stetige Kontrolle bei der Umsetzung und, wenn notwendig, Anpassungen erzeugen Stabilität im Change-Prozess.

wm: Warum sollten Unternehmen sich dennoch gerade jetzt an die digitale Transformation wagen?

Wodey: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Dieser Spruch ist besonders zutreffend für die digitale Transformation. Ist man zu sehr in seiner bisher erfolgreichen Struktur verhaftet, fürchtet sich vor gravierenden Veränderungen und beschränkt sich auf kleine technologischen Anpassungen, kann die Transformation nicht gelingen. Bei einer digitalen Transformationsstrategie mit Augenmaß und entsprechender Beratung können aber die angestrebten Erfolge erreicht werden.

wm: Kann Visualisierung als Unterstützung in der Transformation ein entscheidender Faktor sein?

Steiss: Die Visualisierung ist eines der wichtigsten technologischen Hilfsmittel in allen Phasen der Transformation. Veränderungen müssen verstanden, akzeptiert und aktiv gelöst werden. Bei diesen Schritten hilft es, wenn die Betroffenen sich die Veränderungen besser vorstellen, im Zusammenhang sehen und den Überblick haben können. Beginnend bei der Analyse hilft Visualisierung Strukturen, Hierarchien und Prozesse darzustellen. Die Aufteilung der diversen Aufgabenstellungen in den unterschiedlichen Teams macht eine teamübergreifende Planung und Steuerung unbedingt erforderlich. Controlling und Reporting stellen ein wichtiges Steuerungselement in jeder Phase der Transformation dar. Und nicht zuletzt müssen die Menschen als Teil der Veränderungsprozesse abgeholt werden und eingebunden bleiben.

Außerdem passend zum Thema:

In unserem Blog-Beitrag „Die Macht der Visualisierung in der digitalen Welt“ erfahren Sie, wie Sie große Datenmengen effektiv nutzen können, um schnellere und bessere Entscheidungen zu treffen um Risiken und Fehler zu vermeiden.

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