Fachbeiträge

Ausgabe 2 / /2018
Fachbeitrag Anreizsysteme

Sind Ihre Mitarbeiter im Flow?

von Veronika Stiene

Der Flow ist der schmale Grad zwischen Über- und Unterforderung, auf dem Menschen über sich hinauswachsen und in der Lage sind, Höchstleistungen zu vollbringen. Wer seine Mitarbeiter dahingehend motiviert, profitiert durch ein Maximum an Identifikation – mit positiven Wirkungen auch auf das Wissensmanagement.

Inhaltsübersicht:

Die Umgebung wird nicht mehr wahrgenommen, die Konzentration hat ein so hohes Level erreicht, dass äußere Faktoren wie Raum und Zeit keine Rolle mehr spielen. Man geht vollkommen in der Tätigkeit auf. Diesen Zustand der kompromisslosen Fokussierung, der wahren Präsenz, wo jede Handlungsabfolge als „fließend“ erlebt wird, bezeichnet man als Flow. Es ist der schmale Grad zwischen Über- und Unterforderung. Menschen wachsen über sich hinaus und sind in der Lage Höchstleistungen zu vollbringen.

Aus dem Hochleistungssport lernen

Auch Csíkszentmihályi definiert Flow als einen „seelischen Zustand in Augenblicken, wenn das Bewusstsein harmonisch geordnet ist und (…) [der Mensch] etwas um der Sache selbst willen“ tut. [1] Der Flow erzeugt Leichtigkeit in der Ausführung der Tätigkeit, was vor allem im Leistungssport hohe Aufmerksamkeit genießt, um Hochleistungen über den Flow-Zustand zu erreichen.

Jetzt wird die schöpferische Quelle dieser Methode auch zunehmend im wirtschaftlichen Kontext erkannt. Partizipative Gestaltung von Unternehmensvisionen oder Talentmanagement sind Ansätze dieser Entwicklung. Der Flow-Zustand erlaubt es, über die eigenen Fähigkeiten hinauszuwachsen – „Kreativität überwindet Grenzen.“ [1] Die Ausschöpfung der individuellen Fähigkeiten, die in den Gruppenprozess einfließen und im Einklang mit den Anforderungen stehen, ermöglichen eine effiziente Verwirklichung der gemeinsam gelebten Vision.

Die fünf Voraussetzungen

In diesem Kontext muss erwähnt werden, dass eine Vision von einer Person kreiert wird und diese allein das Ziel vor Augen hat. Außenstehende Personen können sich ohne Erläuterung oftmals nicht damit identifizieren. Laut Comelli, Rosenstiel und Nerdinger braucht eine Vision fünf wichtige Voraussetzungen, damit sie zur wirkungsvollen Vision wird:

1. Plastizität (sie muss greifbar sein),

2. Identifikation (soll „von Herzen“ kommen),

3. Realisierbarkeit (Unterschied zwischen Vision und Utopie),

4. Spitzenanspruch (immer idealistisch) und

5. Präsenz (muss immer im Bewusstsein aller Träger lebendig sein). [2]

Abbildung: Arbeitsgruppe „Flow erleben“, LV 401.801, Universität Graz (2016)

Dies kann in einem Firmenkontext durch den „Alleingang“ von Führungskräften zu Spannungen führen bis hin zum kompletten Ausscheiden von Mitarbeitern. Um einen immer wiederkehrenden Flow, der die Zunahme von Komplexität des Selbst und der Kompetenzen im Fokus hat, sind klare Ziele und eine transparente Vision, die auch mit den individuellen Zielen harmonieren, entscheidend.

Fokussierung: Andere für seine Vision begeistern

Antoine de Saint-Exupéry (1943) beschreibt treffend, wie man auch andere für seine eigene Vision begeistern kann: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“ [3] Dabei geht es um eine kompromisslose Fokussierung auf die Vision, die sinnstiftend wirkt und einen „Sog“ in die Zukunft erzeugt.

Zur Aufrechterhaltung der Motivation ist es für die Beteiligten zusätzlich von Bedeutung, wo sie sich am Weg zur Vision gerade befinden. Die Definition von Teilzielen, die kontinuierliches Feedback über den Fortschritt geben, tragen in diesem Zusammenhang wesentlich zur Orientierungssteigerung bei und motiviert die Mitarbeiter, ihre Fähigkeiten und Stärken nicht nur einzubringen, sondern auch eigeninitiativ weiterzuentwickeln. Spezifische Persönlichkeitsfaktoren begünstigen dabei das Auftreten von Flow. Insbesondere Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und die für die Handlung erforderlichen Fähigkeiten sorgen für einen fließenden Ablauf der Tätigkeit.

Das Fundament für das Flow-Erlebnis

Die Kombination aus Vision, Zielen und Persönlichkeitsmerkmalen schafft somit ein gutes Fundament für den Flow, die weit mehr Einfluss auf den Prozess ausüben können als unterstützende Rahmenbedingungen oder zu überwindende Störfaktoren.

Ein mehrfacher Ironman-Finisher beschreibt das Erreichen seiner Ziele folgendermaßen: „Ist die Vision stark genug, steigt die Bereitschaft, Opfer zu bringen. Eine Vision zu verfolgen, bedeutet seinen Weg bis zum Ende zu gehen – auch wenn dieser mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist. Der starke Wille, dieses Ziel zu erreichen, befähigt, Schwierigkeiten und Rückschläge zu bewältigen“.

Die optimale Erfahrung zwischen Unter- und Überforderung

Während des Flow-Zustands sind die Konzentration und die Leistung stark erhöht. Allerdings soll die Tätigkeit für den Flow-Zustand so gewählt werden, dass sie weder über- noch unterfordert, erst dann kann eine Person über sich selbst hinauswachsen. Der Flow wird als „optimale Erfahrung“ erlebt, dabei gelangen die Mitarbeiter in einen entspannten, aber leistungsfähigen Modus, in dem ihre höchste Leistung wirksam wird. Durch diese Herausforderung kommt es zu einer Zunahme von Komplexität. Dies führt zu einem Wachstum des Selbst, Spannungen werden abgebaut, tiefe Freude und Gelassenheit führen zum Hochgefühl. Körper und Geist befinden sich im Einklang mit sich und der Welt – im Flow.

Der Nutzen für Ihr Unternehmen

Doch welchen Nutzen zieht ein Unternehmen daraus, wenn die Mitarbeiter ihre Aufgaben im Flow-Zustand erleben und Arbeit nicht als fremdbestimmt auferlegte Tätigkeit, sondern als spielerisch sinnvolle Herausforderung wahrgenommen wird?

Es kommt zu einer Steigerung des Commitment und einer damit verbundenen Identifikation eines Mitarbeiters mit dem Unternehmen. Das bringt dem Unternehmen unter anderem den großen Vorteil, dass sich die Mitarbeiter verantwortlich und ins Unternehmen eingebunden fühlen. In weiterer Folge kommt es dadurch zur Verringerung der Fluktuation des Personals, womit gewährleistet wird, dass das Know-how eines Unternehmens erhalten bleibt. Zusätzlich wirkt sich die erhöhte Konzentration positiv auf die Leistung aus und kann zu einer Verringerung der, durch Überlastung hervorgerufenen, Krankenstände. Präventionsmaßnahmen, wie Burn-Out-Prophylaxe, können dadurch großteils überflüssig werden.

Doch nicht nur, dass die Verbindung zum Unternehmen enger wird, die Mitarbeiter sind durch die Flow-Erfahrungen zudem in den Arbeitsprozessen gelassener, da sie diese nicht mehr als Belastung empfinden. Auch in Bezug auf die Zusammenarbeit in Teams hat das Erleben des Flows einen verbindenden Effekt, welcher zur Verbesserung und Intensivierung der gemeinsamen Produktivität beiträgt.

Literatur:

[1] Csíkszentmihályi, Mihaly (2007). Flow. Das Geheimnis des Glücks. 13. Auflage. Klett-Cotta

[2] Comelli, G. / Nerdinger, W., & Rosenstiel, L. (2014). Führung durch Motivation: Mitarbeiter für die Ziele des Unternehmens gewinnen. 5. Auflage. München: Vahlen-Verlag.

[3] De Saint-Exupéry, Antoine (2016): Der kleine Prinz. 2. Auflage. Berlin: Insel Verlag.

 

 

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