Fachbeiträge

Ausgabe 9 / /2013
Fachbeitrag Wissensgesellschaft

Alles nur Ansichtssache? Wissensarbeit und ihre Bedeutung

von Frank Schabel

Wissensarbeit ist für den Erfolg von Unternehmen wichtiger denn je. Aber die Voraussetzungen für eine funktionierende Wissensarbeit sind noch bei weitem nicht gegeben. Dies fängt bei den infrastrukturellen Rahmenbedingungen an, wie der IT und offenen Raumkonzepten. Auch in der Führung von Wissensarbeit zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der Ansicht von Führungskräften und der Wahrnehmung der Wissensarbeiter. Nur Unternehmen, die Wissensarbeitern hohe Selbstbestimmung und Flexibilität bieten, werden diese binden können.

Inhaltsübersicht:



Wissensarbeit ist in Deutschland zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor geworden: Seit Jahren steigt die Wertschöpfung über wissensintensive Dienstleistungen und Produkte überdurchschnittlich stark an. Entsprechend wächst auch die Zahl der Wissensarbeiter. Doch bei aller Bedeutung der Wissensarbeit stellt sich die Frage, ob Wissensarbeiter in ihrem Unternehmen überhaupt ein förderndes Umfeld vorfinden, damit ihr Wissen Mehrwert erzeugen kann. Diese Thematik stand im Mittelpunkt des Studienprojektes „Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld“, für das sowohl ausführliche Interviews mit renommierten Experten als auch empirische Befragungen unter Führungskräften sowie unter festangestellten und freiberufliche Wissensarbeitern durchgeführt wurden. [1]

Auf den (richtigen) Blickwinkel kommt es an

In einem Punkt sind sich fast alle befragten Führungskräfte und Wissensarbeiter einig: Wissen ist eine strategische Ressource. Allerdings berichten mehr als ein Viertel der Befragten aus beiden Gruppen, dass sie heute noch nicht entsprechend behandelt werde. Bezeichnenderweise nimmt die Häufigkeit dieser Einschätzung mit sinkender Position in der Unternehmenshierarchie zu. So meinen zwar nur 21 Prozent der Top-Manager, dass Wissen nicht als strategische Ressource behandelt werde. Bei den Bereichsleitern sind jedoch bereits 31 Prozent und bei den Team- und Abteilungsleitern 38 Prozent dieser Meinung. Je näher die Befragten also am Tagesgeschäft sind, desto kritischer beurteilen sie den Umgang der Unternehmen mit dem Thema Wissen.

Stellt man dieser Innenperspektive noch die Sicht der externen Wissensarbeiter gegenüber, bekommt das positive Bild weitere Risse: Weniger als die Hälfte der Freiberufler findet, dass Wissen in Unternehmen heute als strategische Ressource gelte. Und zwei Drittel meinen sogar, dass Wissensarbeiter keine herausgehobene Stellung in Unternehmen haben.

Zentrales Merkmal der Wissensarbeit ist für rund 90 Prozent der festangestellten Wissensarbeiter die Zusammenarbeit und Vernetzung über Abteilungsgrenzen hinweg. Darüber sehen sie ihre Tätigkeit in hohem Maße als projektorientiert an, die viel Gestaltungsspielraum lasse und nicht über feste Regeln und Prozesse definiert sei. Rund zwei Drittel der Wissensarbeiter geben zudem an, dass sich ihre Tätigkeit unabhängig von Ort und Zeit erledigen lasse. Unterschiede in der Einschätzung zwischen Wissensarbeitern und Führungskräften bestehen vor allem bei zwei Themen:

  • Während 74 Prozent der befragten Wissensarbeiter der Meinung sind, ihre Tätigkeit sei nicht über feste Regeln und Prozesse definierbar, sehen dies nur 59 Prozent der Führungskräfte so. Hier deutet sich an, dass Führungskräfte noch stärker klassisch handeln, während Wissensarbeiter ihre Tätigkeit freier ausführen möchten.
  • Wissensarbeit beinhalte viele Routinetätigkeiten, geben 55 Prozent der Wissensarbeiter, aber nur 25 Prozent der Führungskräfte an. Möglicherweise hängt diese unterschiedliche Wahrnehmung mit dem Trend zusammen, Teams zu verschlanken und Backoffice-Unterstützung abzubauen – bei gleichzeitiger Zunahme von Dokumentationspflichten. Diese Tätigkeiten bleiben dann an den Wissensarbeitern hängen, sind aber für Führungskräfte „nicht sichtbar“. Es überrascht in diesem Kontext daher nicht, dass 83 Prozent der Führungskräfte meinen, Wissensarbeiter im Unternehmen seien von Routineaufgaben und bürokratischen Hürden entlastet. Die Antworten der befragten Wissensarbeiter zeigen ein anderes Bild.

Vertrauen statt Kontrolle

Das Management von Wissensarbeitern verlangt einen anderen Führungsstil als das von Industriearbeitern. Doch die befragten Führungskräfte sehen dies zum Teil keineswegs so: Denn nur 43 Prozent gaben an, dass sich die Führung von Wissensarbeitern sehr stark von der Führung anderer Mitarbeiter unterscheide. Grundsätzlich verstehen sich 85 Prozent der Befragten als Coach und weniger als Experte. 88 Prozent der Führungskräfte geben nur die Ziele vor, lassen aber den Wissensarbeitern ansonsten freie Hand. Das beinhaltet für 70 Prozent der Führungskräfte auch eine Vertrauensarbeitszeit für die Wissensarbeiter. Dies deckt sich mit den Befunden bei den Wissensarbeitern: Hier geben 90 Prozent an, dass sie selbst bestimmen können, wie sie ihre Aufgaben erledigen.

Für eine optimale Entfaltung der Wissensarbeiter wirken eine gute Infrastruktur und eine angenehme Büroatmosphäre unterstützend. Bei der Frage, inwieweit dies tatsächlich Realität sei, äußern sich Wissensarbeiter und Führungskräfte ähnlich positiv. Arbeitsplatz und technische Ausstattung entsprechen in hohem Maße den Ansprüchen.

Deutlich abweichende Einschätzungen gibt es in Bezug auf die räumlichen Möglichkeiten, sich mit Kollegen zwanglos auszutauschen: Nur für 48 Prozent der Wissensarbeiter trifft das „vollkommen oder überwiegend“ zu, während dies 73 Prozent der befragten Führungskräfte für verwirklicht halten. Auch bei der flexiblen Wahl von Arbeitsorten und Arbeitszeiten kommen die Führungskräfte zu anderen Einschätzungen als die Wissensarbeiter. In den Augen von 97 Prozent der Führungskräfte sind flexible Arbeitszeiten heute bereits Realität, flexible Arbeitsorte für 82 Prozent. Dagegen sagen nur 63 Prozent der festangestellten Wissensarbeiter, dass sie selbst bestimmen können, wann und wo sie arbeiten.

Anmerkung:
[1] Wissensarbeiter wurden im Rahmen der Studie als hochqualifizierte Fachkräfte definiert, die mit ihrem Wissen wesentlich zur Wertschöpfung der Unternehmen beitragen, wie Spezialisten mit technischem, naturwissenschaftlichem oder kaufmännischem Hintergrund. Führungskräfte oder Manager fallen nicht unter diese Definition.

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