Fachbeiträge

Ausgabe 9 / /2011
Fachbeitrag Changemanagement

Changemanagement – sechs Fragen, sechs Antworten

von Steffen Neiß

Auch wenn die Wirtschaft die Krise der vergangenen Jahre überwunden hat – Changeprozesse in Unternehmen sind weiterhin ein wichtiges Thema. Denn nicht nur als Reaktion auf krisenhafte Entwicklungen, sondern auch im Zuge eines ständigen Prozesses der Verbesserung und Optimierung der Geschäftsvorgänge können und sollten größere wie kleinere Changeprozesse Unternehmen helfen, ihre Struktur den jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten optimal anzupassen. Um die Komplexität von Changeprozessen deutlich zu machen, bedarf es allerdings erst einmal einer gründlichen Klärung dessen, was Changemanagement eigentlich meint. Dazu werden die sechs von Unternehmen am häufigsten gestellte Fragen zum Changemanagement beantwortet.

Inhaltsübersicht:


Wie funktioniert Changemanagement? Mit welchen Maßnahmen lassen sich Top-Down- und Bottom-Up-Prozesse kombinieren? Auf welche Weise beziehe ich alle Mitarbeiter in der Hierarchiekette gleichermaßen in den Veränderungsprozess mit ein? Wie motiviere und wie vernetze ich sie? Fragen, die sich jedes Unternehmen im Vorfeld eines Changevorhabens – egal welcher Größenordnung – stellt.

1. Wie lange dauert Changemanagement?

Die erste Frage, so simpel sie scheinen mag, ist nicht einfach zu beantworten. Denn die Dauer eines Veränderungsprozesses ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig: Größe, Kultur, Kontext des Unternehmens und Radius der angestrebten Veränderung. Kleine Veränderungen in der Struktur von beispielweise Arbeitsabläufen sind binnen weniger Monate zu bewerkstelligen – sollen allerdings Struktur und Kultur verändert werden, braucht die Veränderung erfahrungsgemäß etwa 1,5 bis 2,5 Jahre, um sich wirklich in den „Köpfen und Herzen“ der Mitarbeiter zu etablieren. Die Dauer des Prozesses hängt dabei auch maßgeblich von der Konsequenz der Umsetzung ab: Je eindeutiger sich die Führung hier verhält, desto schneller und nachhaltiger wirkt der Changeprozess.

2. Funktioniert Changemanagement „von oben“ oder „von unten“?

Aber nicht nur die Führung des Unternehmens ist verantwortlich für das Gelingen von Changeprozessen: Ohne die Einbeziehung und Beteiligung der Mitarbeiter ist jeder Veränderungsprozess bereits im Kern zum Scheitern verurteilt. Denn Changemanagement auf Befehl von oben zielt an der Realität im Unternehmen vorbei und provoziert massive Widerstände. Das gleiche gilt für eine „Revolution“ von unten, wenn das Management nicht mitzieht. Für ein gelingendes Changeprojekt ist es daher unerlässlich, dass die Top-down-Prozesse mit den Bottom-up-Prozessen kombiniert werden. In der Praxis heißt das: Der Impuls zur Veränderung wird „von oben“ ausgelöst, konkrete Ideen zur Umsetzung aber kommen von der Basis und werden dort weitgehend selbstgesteuert realisiert.

3. Gibt es typische Erfolgsfaktoren?

Dies bedeutet auch, dass Changemanagement die beteiligten Menschen ernst nehmen muss – egal an welcher Stelle der Hierarchiekette des Unternehmens sie sich befinden. Der Key Success Factor ist eine Identifikationsfigur im Top-Management, die den Prozess authentisch führt – auch gegen Widerstände auf allen Ebenen – und die Kernwerte in Changeprozessen vorlebt: echte, glaubhafte Menschenorientierung (kein „Alibi-Konzept“), radikale Transparenz und Ehrlichkeit, Verantwortungsübernahme und Commitment, Feedbackbereitschaft und –Fähigkeit sowie Team- und Lösungsorientierung. Auf der Ebene der Führungskräfte ist ein intelligentes Buy-in erfolgsentscheidend. Darüber hinaus muss die massive zeitliche Belastung der Führungskräfte gemanagt werden, die in einem Bottom-up-Prozess noch einmal zusätzlich erheblich Zeit investieren müssen.

Erst durch die Aktivierung der Mitarbeiter an der Basis wird Changemanagement effektiv, kreativ und nachhaltig erfolgreich. Dabei sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Ein identisches, für spezifische Fragestellungen offenes Design der Bottom-up-Workshops über alle Unternehmensbereiche hinweg und die interne Vernetzung der Mitarbeiter, z.B. durch die interdisziplinäre Besetzung von Workshops, um der kollektiven Intelligenz des Unternehmens Raum zu geben. Die in diesen Workshops erarbeiteten Themen müssen verdichtet und im gesamten Unternehmen kommuniziert werden – bei transparenter Darstellung der gemeinsamen und der besonderen Themen verschiedener Unternehmensbereiche.

4. Was sind Change Agents und warum spielen sie an der Basis eine so wichtige Rolle?

Als engagierte und akzeptierte Teamplayer, die besonders motiviert sind, Veränderungen von der Basis aus voran zu treiben, können interne Change Agents starke und positive Veränderungsenergie freisetzen. Die Change Agents können dabei entweder durch ihre Führungskräfte vorgeschlagen werden oder sich selbst als Agents bewerben. Sie sollten am Anfang des Prozesses systematisch für die Themen Changemanagement, Teamentwicklung, Moderation, Prozessoptimierung und Konfliktmanagement qualifiziert und während des gesamten Prozesses gecoacht werden – idealerweise von einem externen Unternehmensberater, der den Changeprozess von außen begleitet. Im nächsten Schritt wird eine Change-Agent-Organisation mit eigenem Sprecher aufgebaut, die sich regelmäßig untereinander austauscht und die einer prominenten („mächtigen“) Führungskraft im Top-Management direkt zugeordnet ist. Dabei ist ein direkter, regelmäßiger und intensiver Austausch zwischen diesem Manager und der Change-Agent-Mannschaft erfolgsentscheidend.

Spätestens an diesem Punkt sollte betont werden, dass ein erfolgreicher Changeprozess Mitarbeitern wie Führungskräften einiges abverlangt. Der Betreuungsaufwand der Change Agents ist nicht zu unterschätzen – und die zu Change Agents gewählten Mitarbeiter sollten zu 30 bis 50 Prozent für ihre Arbeit als interne Treiber der Veränderung freigestellt werden. Diese Investition erscheint zunächst hoch, rentiert sich aber nachhaltig, weil die Change Agents das Leben der Führungskräfte wesentlich leichter machen. Vor allem sorgen sie für deutlich mehr Motivation – denn sie motivieren ihre Kollegen, selbstverantwortlich über Verbesserungen nachzudenken und unterstützen damit den mentalen Ansatz „Was kann ich für mein Team und meine Organisation tun?“ – als Gegenpol zu der häufig verbreiteten Haltung „Warum tut das Unternehmen nicht mehr für mich?“, mit der als Führungskraft sehr schwer umzugehen ist.

Darüber hinaus sorgen Change Agents für Vernetzung: Sie können Konflikte und Reibungsverluste nicht nur innerhalb ihrer Teams beseitigen, sondern auch zwischen kooperierenden Abteilungen und Bereichen. Durch den intensiven Austausch innerhalb der Change-Agent-Organisation entsteht außerdem eine dichte Vernetzung der Basis über Abteilungsgrenzen hinweg. Diese Vernetzung zu allen Bereichen des Unternehmens sorgt damit für eine deutlich verbesserte Kommunikation – die Change Agents öffnen einen direkten Kommunikationskanal zwischen Management und Mitarbeitern, über den sich Informationen schnell und effizient weitergeben lassen. Mit den abgeordneten Change Agents platziert darüber hinaus jeder Bereich seine „Stellvertreter“ an einer Kernstelle des Change-Prozesses und gewinnt damit exzellenten Zugang zu relevanten, bereichsübergreifenden Informationen.

5. Welche Unterstützung brauchen Führungskräfte, um den Changeprozess erfolgreich zu bewältigen?

Bei einem gelungenen Changeprozess geht es zwar vordringlich um die Veränderung der Organisation, die von den Führungskräften vorangetrieben und umgesetzt werden muss – ohne einen jeweils individuellen Changeprozess der einzelnen Manager kann dies aber nicht gelingen. Daher braucht auch die Führungsebene professionelle Unterstützung – zum Beispiel in Form von Top-down-Workshops zum Thema Change und Vision an, zu denen die Geschäftsführung die zweite Management-Ebene einlädt. Anschließend laden die Führungskräfte der zweiten Ebene ihre jeweiligen Direct Reports und relevante Mitarbeiter zu weiteren Workshops ein. Zur persönlichen Weiterentwicklung der Führungskräfte sollten regelmäßige Follow-up-Workshops (horizontale Organisationsentwicklung) in der Peergroup, Coaching und begleitende Qualifizierungsmaßnahmen stattfinden.

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