Fachbeiträge
Wissensorganisation – die vierte Dimension
von Klaus North
Von Klaus
Viele Unternehmen haben inzwischen gute
Fortschritte mit einzelnen Initiativen zum Wissensmanagement erzielt.
Initiativen kommen jedoch zunehmend ins Stocken. Eine Vernetzung
der Ansätze, Wissen in Fachabteilungen, Projekten und Geschäftsprozessen
systematisch aufzubereiten und zu teilen, wohl gar über Grenzen
von Organisationseinheiten hinweg, gelingt nicht im gewünschten
Umfang.
Warum kommen Unternehmen hier nicht weiter? "Werte und Kultur
hemmen", wird schnell argumentiert. Dies mag zutreffen. Aus
vielen Gesprächen in Unternehmen scheint mir aber ein tiefer
liegender Grund für die Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer
wissensorientierten Unternehmensführung ausschlaggebend: Das
Organisationsverständnis. Meine These lautet: Unternehmen fehlt
eine vierte organisatorische Dimension die Wissensorganisation
komplementär zu hierarchischer/funktionaler Organisation
(1. Dimension), Prozessorganisation (2. Dimension) und Projektorganisation
(3. Dimension). Alle drei genannten Dimensionen sind schlecht dafür
gerüstet, Wissen mit einer über die kurzfristigen Geschäftsbedürfnisse
hinausgehenden Perspektive systematisch zu nutzen und zu generieren
sowie Grenzen der Organisationseinheiten zu überschreiten.
Die hierarchische Organisation stellt im Allgemeinen funktionale
Organisationseinheiten nebeneinander (gegebenenfalls sind "Produkt"
oder "Region" weitere Strukturierungselemente) , die jeweils
eigene Identitäten, eigene Fachsprachen und ein eigenes Problemlösungsverhalten
haben. Marketing-Menschen denken beispielsweise anders als Forscher
und Entwickler oder Produktionsmitarbeiter. Die Lösung von
Kundenproblemen wird deshalb zu einem komplexen Verständigungs-
und Übersetzungsprozess, Wissen wird in den Funktionsbereichen
gehortet.
Die Prozessorganisation bündelt Wissen orientiert am Kunden.
So gut aber Wissen entlang der Prozesskette transportiert und weiterentwickelt
wird, so schlecht gelingt der Wissenstransfer zwischen Prozessen.
Sind Prozesse die Kettfäden eines Gewebes, so fallen sie auseinander,
wenn sie nicht durch den Schussfaden des Wissenstransfers und Lernens
verwoben werden. Prozesse stehen zwar für Stabilität bzw.
inkrementale Verbesserung, jedoch die Fähigkeit zur Infragestellung
des Handelns und zur Erneuerung fehlt der Prozessorganisation weitgehend.
Daher haben Unternehmen eine dritte Dimension zur Bündelung
von Wissen hinzugefügt: Die Projektorganisation hat zum Ziel,
Wissen orientiert an einem Projektziel auf Zeit zusammenzubringen,
um neue Problemlösungen zu erarbeiten. Projekte haben jedoch
keine Kontinuität und sind nur bedingt in der Lage, Erfahrungen
systematisch aufzuarbeiten, projektübergreifend zu reflektieren
und über Projektgenerationen nutzbar zu machen.
Alle drei Dimensionen sind also schlecht gerüstet, Wissen
über die kurzfristigen lokalen Verwertungsinteressen einzelner
Organisationseinheiten hinweg zu reflektieren, zu nutzen und zu
generieren. Wir benötigen ein vierte Dimension. Die Wissensorganisation
schafft gemeinsame Kontexte, ermöglicht fachübergreifend
Verständigung durch die Bildung einer gemeinsamen Sprache,
fördert die kompatible Problemlösungsfähigkeit, gestaltet
Raum für Interaktionen von Menschen und fördert eine physische
und technologische Infrastruktur, Medien zur Repräsentation
und Kommunikation von Wissen sowie übergreifende Lernprozesse.
Wissensorientierte Unternehmensführung kann nur erfolgreich
sein, wenn sich Unternehmen bewusst werden, dass eine vierte organisatorische
Dimension die Wissensorganisation aufzubauen ist,
die die bestehenden Dimensionen ergänzt. Hierfür sind
entsprechend Ressourcen vorzusehen. Die Hoffnung, Wissensmanagement
könne in den bestehenden Dimensionen "mal so nebenbei"
erledigt werden, erweist sich als Fehlschluss.
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