Fachbeiträge

Ausgabe 7 / /2025
Fachbeitrag Projektmanagement

Agiles Arbeiten: Wozu noch Projektleiter?

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Agile Methoden wie Scrum sehen die Rolle des Projektleiters nicht mehr vor. Bei der Einführung agiler Methoden steht ein Unternehmen deshalb vor der Frage, welche Aufgaben die bisherigen Projektleiter in der neuen Projektwelt übernehmen sollen.

Agile Methoden wie Scrum sehen die Rolle des Projektleiters nicht mehr vor. Bei der Einführung agiler Methoden steht ein Unternehmen deshalb vor der Frage, welche Aufgaben die bisherigen Projektleiter in der neuen Projektwelt übernehmen sollen.

Karin T. arbeitet seit mittlerweile 20 Jahren als "klassische" Projektleiterin in der IT-Branche. Nun übernimmt sie die Verantwortung für ein Software-Entwicklungsprojekt, in dem nach Scrum gearbeitet werden soll. Schnell gerät die erfahrene Projektleiterin an ihre Grenzen. Ihr bisheriger Führungsstil, der auf klare Ansagen ausgerichtet ist, funktioniert plötzlich nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Mit ihrer Art eckt sie immer wieder an, das Team will ihr nicht folgen. Die Projektmitarbeiter wollen Freiraum - und keine Chefin, die kontrolliert und Vorschriften macht.

Seit gut 15 Jahren setzen agile Methoden ihren Siegeszug im Projektmanagement fort - gerade in der Software-Entwicklung gibt es nachweislich Erfolge. Die Ideen der agilen Methoden, wie beispielsweise Scrum, werden zunehmend auch auf technische Entwicklungsprojekte oder auf Organisations- und Veränderungsprojekte übertragen. Auch hier mit Erfolg. Allerdings sucht man in den Beschreibungen der agilen Vorgehensmodelle vergeblich die Rolle des Projektleiters. Heißt das, agile Projekte brauchen kein Projektmanagement?

"Bin ich jetzt überflüssig?", fragen sich viele Projektleiter, die sich wie Katrin T. erstmals mit einem Scrum-Projekt konfrontiert sehen. Um die Antwort vorwegzunehmen: Nein, überflüssig wird der Projektleiter nicht. Aber seine Rolle verändert sich.

Ein überholtes Selbstverständnis von Projektleitung

Gerade in technischen Projekten ist der klassische Projektleiter meistens derjenige, der über das größte fachliche Verständnis und das umfangreichste Projekt-Know-how im Team verfügt. Diese fachliche Rolle übernimmt in Scrum der Product Owner - mit der Folge, dass Projektleiter oft auf die Rolle des Scrum Masters ausweichen. "Master" klingt ja auch irgendwie wie der "Herr im Haus". Vom Scrum Master wird jedoch ein ganz anderes Führungsverständnis verlangt: Ein Scrum Master ist gegenüber dem Projektteam eine dienende Führungskraft. Wer den Rollenwechsel nicht beherzigt und stattdessen weiterhin als Befehlshaber munter Arbeitsanweisungen gibt, stellt schnell die agile Performance des ganzen Projektteams aufs Spiel.

Agile Projekte setzen darauf, dass Mitarbeitende Lust und Freude daran haben, innovativ zu arbeiten. Mit Druck lässt sich das kaum erreichen, denn Innovation erfordert vor allem Kooperation. Die Folge: In agilen Projekten steht das alte Selbstverständnis von Projektleitung zur Disposition.

Neue Anforderungen in einer agilen Welt

In einer agilen Welt verändern sich auch die Anforderungen an Projektleiter grundlegend. Statt traditioneller Führung und Kontrolle, sind Moderation und das Schaffen von optimalen Arbeitsbedingungen für das Projektteam gefragt. Der agile Projektleiter fördert die Selbstorganisation des Teams und gibt ihm die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen

Damit sind agile Projektleiter keine kontrollierenden Manager mehr, die primär für den Projekterfolg im Sinne von Ergebnissen und Einhaltung von Plänen verantwortlich sind. Vielmehr liegt der Fokus auf der Schaffung eines funktionierenden Teams und der Optimierung von Arbeitsabläufen. Das gleicht eher einem Dienstleister für das Team, der es bei der Erreichung seiner Ziele unterstützt und für einen reibungslosen Ablauf sorgt. Dazu gehört, Hindernisse zu beseitigen, Regeln zu etablieren und das Team vor äußeren Störungen zu schützen.

Chancen und Vorteile der neuen Rolle

Die neue Rolle der Projektleiter in einer agilen Welt bietet zahlreiche Chancen und Vorteile. Durch die Förderung von Selbstorganisation und Eigenverantwortung steigt nachweislich die Motivation der Teammitglieder, da sie aktiv an Entscheidungen beteiligt sind und ihre Stärken einbringen können. Dies führt zu höherer Arbeitszufriedenheit und Engagement.

Die agile Herangehensweise ermöglicht außerdem eine schnellere Reaktion auf Veränderungen, da Teams flexibel auf neue Anforderungen reagieren und kontinuierlich Anpassungen vornehmen können. Agile Methoden setzen auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern, Stakeholdern und Kunden; das schafft eine offene Kommunikationskultur. In einem solchen Umfeld können neue Ideen schneller entwickelt und umgesetzt werden.

Kompetenzen für die agile Projektleitung

Für eine erfolgreiche agile Projektleitung sind vielfältige Kompetenzen erforderlich. Zunächst sind fundierte Kenntnisse agiler Methoden wie Scrum, Kanban oder SAFe unerlässlich, um Prozesse effektiv zu steuern und Teams bei der Umsetzung zu unterstützen. Das ist zwar vergleichbar mit den Planungs- und Steuerungsmethoden im klassischen Projektmanagement. In einer agilen Welt muss ein Projektleiter diese Methoden aber nicht nur selbst beherrschen, sondern auch als Coach die Beteiligten befähigen, nach diesen Methoden zu arbeiten.

Neben fachlichem Know-how spielen soziale Kompetenzen eine zentrale Rolle. Vor allem Empathie ist gefragt, schließlich gilt es, die Bedürfnisse der Teammitglieder und Stakeholder zu verstehen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu lösen. Darüber hinaus spielen Moderationsfähigkeiten eine wichtige Rolle, um Diskussionen zu lenken, Konsens zu fördern und eine offene Kommunikationskultur zu etablieren.

Im klassischen Projektmanagement sind in der Regel Führungskompetenzen gefragt, in einer agilen Welt geht es stattdessen um Coaching-Kompetenzen, weil sie die Grundlage für eine selbstorganisierte und motivierte Teamarbeit bilden. Nur durch gezieltes Coaching kann der Projektleiter individuelle Stärken fördern, das Vertrauen stärken und die Eigenverantwortung der Teammitglieder erhöhen. Das dürfte die wohl schwierigste, aber zugleich wichtigste Veränderung für Projektleiter sein. In einer agilen Umgebung, in der Flexibilität und kontinuierliche Verbesserung gefragt sind, helfen Coaching-Fähigkeiten, Teams zu befähigen, eigenständig Lösungen zu entwickeln und innovative Ansätze umzusetzen. Damit trägt der Projektleiter auch weiterhin maßgeblich zum Erfolg agiler Projekte bei.

Fazit

Der Wandel des Projektmanagements durch agile Methoden führt zu einer grundlegenden Veränderung der Rolle der Projektleiter. Statt traditioneller Steuerung und Kontrolle stehen Flexibilität, Zusammenarbeit und kontinuierliche Anpassung im Mittelpunkt. Projektleiter entwickeln sich zu Moderatoren, Coaches und Servant Leaders, die Teams bei der Selbstorganisation unterstützen. Ihre Aufgaben erweitern sich von reinen Planern hin zu Mentoren, die Veränderungen aktiv begleiten und Innovationen vorantreiben. Insgesamt trägt die veränderte Rolle des Projektleiters dazu bei, Projekte effizienter, kreativer und widerstandsfähiger gegenüber Unsicherheiten zu gestalten - ein entscheidender Vorteil in der dynamischen Welt von morgen.


 

Der Autor:

Mario Neumann, Experte im Projektmanagement-Dschungel, weiß: Für Mitarbeiter sind Projekte oft ein Abenteuer - jedes Projekt hat eigene Spielregeln, in jedem Projekt lauern andere Gefahren. Sein Ziel als Trainer, Projektberater und mehrfacher Autor ist es, Menschen und Unternehmen zu wappnen, um die zahlreichen Abenteuer, die ihnen in ihren Projekten begegnen, erfolgreich zu bewältigen. Seine hohe Fachkompetenz und Praxisnähe ermöglichen es ihm, Klartext zu reden und selbst kritische Themen stets humorvoll und präzise auf den Punkt zu bringen.

Web: https://marioneumann.com/webinare/

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