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6/2000
Editorial Wissensmanagement

Der Schlüssel zum Erfolg heißt Kooperation

von Marcus Ehrenwirth

Die Zeit der E-Communities bricht an: Menschen verschiedenster Herkunft treffen sich in virtuellen Räumen, um gemeinsam an der Verwirklichung ihrer Ziele zu arbeiten. Kein Wunder also, dass gerade Non-Profit-Organisationen wie die Internationale Organisation für Normierung (ISO) oder die kanadische Sektion der Hilfsorganisation Care International diesen IT-Ansatz für sich entdeckt haben.

 

Die Zeit der E-Communities bricht an: Menschen verschiedenster Herkunft treffen sich in virtuellen Räumen, um gemeinsam an der Verwirklichung ihrer Ziele zu arbeiten. Kein Wunder also, dass gerade Non-Profit-Organisationen wie die Internationale Organisation für Normierung (ISO) oder die kanadische Sektion der Hilfsorganisation Care International diesen IT-Ansatz für sich entdeckt haben.

Non-Profit-Organisationen zeichnen sich strukturell durch einen hohen Grad an Dezentralität aus: Viele meist geografisch weit voneinander entfernte Gruppen und Individuen leisten ihren wertvollen Beitrag zum Erreichen der gemeinsamen Ziele. Gemeinsamkeiten entstehen aber nur durch das Teilen von Wissen, Erfahrungen und Ideen, durch echte Kommunikation. Die Einfachheit und Schnelligkeit dieser Kommunikation entscheiden dabei maßgeblich über die Qualität der Ergebnisse und die Geschwindigkeit, mit der diese erzielt werden.

Web-basiertes Wissensmanagement

Wissensentstehung ist dynamisch, ein kreislaufartiger Prozess, der sowohl durch äußere Faktoren - etwa in Form von Handbüchern oder elektronischen Dokumenten - als auch durch innere - wie zum Beispiel das Denken in Metaphern und Analogien, subjektive Einsichten oder Gefühle - angetrieben wird. Das Wechselspiel zwischen inneren und äußeren Faktoren ist es, das den Wissenskreislauf in Gang setzt und unterhält.

Die Zahl der IT-Systeme, welche die Voraussetzungen für die Unterstützung eines solchen Wissenskreislaufes erfüllen, wird immer größer. Doch nur die wenigsten erfüllen dabei auch das Kriterium der Einfachheit. Einfachheit bedeutet bei IT-Systemen:

• die einfache und schnelle Implementierung

• intuitiv erlernbare Standardfunktionalitäten

• zentrale Administration und Bereitstellung

• möglichst geringe Investitionen in Hardware

• die Nutzung der kostengünstigsten Kommunikationsinfrastruktur, die es zur Zeit gibt: des Internets

Um die Anforderungen von Non-Profit-Organisationen erfüllen zu können, müssen solche Systeme zu 100 % web-basiert sein, also sowohl die Administration als auch die Nutzung über Web-Browser erlauben und standardmäßig Funktionalitäten zu Dokumentenmanagement, Groupware, Workflow sowie Agenda- und Ressourcenplanung in integrierter Form zur Verfügung stellen. Echtes web-basiertes Wissensmanagement ist also gefragt, das den Wissenskreislauf kostengünstig und effizient unterstützt.

Dabei haben Non-Profit-Organisationen zwar dieselben Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Funktionalitäten wie internationale gewinnorientierte Unternehmen, sie verfügen jedoch über ungleich weniger personelle und finanzielle Ressourcen. Die im Folgenden vorgestellte Lösung wurde auf Basis von Livelink des Herstellers Open Text realisiert.

ISO-Standards via Internet entwickeln

Die Entwicklung von Normierungen ist für das reibungslose Funktionieren insbesondere neuer Märkte eine unerlässliche Voraussetzung. Die Verwirklichung von Standardisierungen ist jedoch ein umfangreicher und sehr komplexer Prozess. Allein im Fall von ISO gilt es, die Arbeit von rund 200.000 Mitarbeitern aus über 120 Ländern in etwa 7.000 Projekten zu koordinieren. Die Entwicklung nur eines einzigen Standards kann bis zu fünf Jahre dauern und Hunderte von Mitarbeitern einbeziehen. Pasi Rinta-Filppula, Direktor der Abteilung für Information Processing Services im Zentralsekretariat von ISO, erklärt dazu: "Neben den verschiedenen Dokumenten, die es auf dem Weg zur Erstellung von Normierungen braucht, werden hier noch eine ganze Reihe anderer Dokumente bewirtschaftet: Arbeitspapiere für Meetings, Kurzprotokolle von Zusammenkünften, statistisches Material, Berichte usw. Wir entwickeln jedes Jahr 1.000 neue Standards und alle fünf Jahre müssen alte Normierungen überarbeitet und geprüft werden. Zusätzlich unterstützen wir jedes Jahr 40 internationale Meetings mit den dafür benötigten Dokumentationen. Alles in allem ergeben sich daraus für das Zentralsekretariat über 150.000 zu bewirtschaftende Seiten von unterschiedlicher Komplexität."

Das IT-System, das die ISO-Arbeit erleichtern sollte, musste den daran Beteiligten gleichzeitig die Online-Zusammenarbeit ermöglichen. Denn wenn die Entwicklung einer Normierung einen gewissen Stand erreicht hat, wird diese von verschiedenen Seiten einer Beurteilung unterzogen: Mitarbeiter rund um den Globus kommentieren, prüfen und stimmen für oder gegen ihre Brauchbarkeit. Erst nach einer solchen Prüfung mit positivem Ausgang kann von einem international gültigen Standard gesprochen werden. Ein Extranet sollte deshalb geschaffen werden, in dem für jedes Projekt ein virtueller Arbeitsraum eingerichtet werden konnte. Um gleichzeitig die Effizienz der Projektarbeit zu gewährleisten, sollte die Lösung Workflow-Funktionen bieten, mit denen die jeweiligen Projektverantwortlichen Arbeitsabläufe für eine unbeschränkte Anzahl von Mitarbeitern und für komplexe hierarchische Strukturen entwerfen und überwachen können. Dazu Rinta-Filppula: "Je genauer sich ein Workflow-Prozess mitverfolgen lässt, desto stärker kann man sich um Prioritäten kümmern sowie Verzögerungen lokalisieren und beheben. Eine Unmenge ursprünglich von Hand erledigter Papierarbeit kann auf diese Weise eingespart werden."

 

Kurz zusammengefasst beinhaltete die ISO-Anforderungsliste:

• Virtuelle Teamarbeit

• Workflow

• Dokumentenmanagement

• Vollständige Web-Basierung

Care Canada - Hilfsaktionen via Internet koordinieren

In Notsituationen kann der Zugang zu exakten und wichtigen Informationen buchstäblich über Leben und Tod entscheiden. Diese Einsicht hat Care Canada, Mitglied von Care International, dazu bewogen, eine Information-to-Knowledge-Gruppe (i2K) zu gründen. Aufgabe dieser Gruppe war es, mit finanzieller Unterstützung der Canadian International Development Agency (CIDA), für Care International und angeschlossene Hilfsorganisationen ein weltweites Wissensmanagement-System auf Internet-Basis aufzubauen. Dazu Gerard van der Burg, Direktor der i2K-Gruppe: "

Treibende Kraft hinter jeder humanitären Care-Aktion, sei es eine ad-hoc-Maßnahme oder ein geplantes Projekt, ist das Wissen unserer Organisation, das auf 60 Landesbüros und 10 Mitgliedsorganisationen verteilt ist. Die universale Verfügbarkeit unseres Wissens erschien uns deshalb ein Muss."

Geplant war deshalb die Implementierung eines Wissensmanagement-Systems, das sowohl den Zugang zu allen Informationen der Organisation als auch die Möglichkeit zur Teamarbeit im Internet bot. Denn in Notsituationen kann sehr oft nicht auf vorbereitete Pläne zurückgegriffen, sondern muss improvisiert werden. Die Helfer müssen deshalb ad-hoc-Teams bilden und Aktionen diskutieren können. Diese Anforderungen, die zentrale Administration sowie Web-Basierung waren deshalb für die i2K-Gruppe entscheidend.

1998 nahm dann LINK, so wurde

das Wissensmanagement-System von Care genannt, den Echtbetrieb auf. Die Feuertaufe hat das System noch im selben Jahr erfolgreich bestanden, als während des Hurrikans Mitch dank LINK die Reaktionszeiten deutlich reduziert und die Effizienz der Hilfe erheblich gesteigert werden konnten.

Aus diesen Erfahrungen gewannen Care und i2K die Erkenntnis, dass der Nutzen eines solchen Systems für Hilfsorganisationen der so genannten Entwicklungsländer noch ungleich höher als für sie selbst sein musste. Aus dieser Überlegung heraus wurde die Idee für e-glue geboren: die Schaffung einer weltweiten E-Community für Hilfs- und Entwicklungsorganisationen. Dabei sollten natürlich die Investitionen für die Anbindung der verschiedenen Organisationen sehr gering gehalten werden, obwohl es nicht nur Hilfsorganisationen sind, die an e-glue teilnehmen, sondern auch private Unternehmen, die das Projekt finanziell unterstützen und ihr eigenes Wissen zur Umsetzung von Hilfsmaßnahmen beisteuern.

E-Communities sind Teil des E-Business

E-Communities wie hier vorgestellt hängen jedoch nicht von der Gemeinnützigkeit der darin verfolgten Ziele ab. Vielmehr liegt ihre Daseinsberechtigung einfach in der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels durch eine Vielzahl von Akteuren. Der Nutzen solcher web-basierten Gemeinschaften steht deshalb nicht nur Non-Profit-Organisationen offen, sondern auch gewinnorientierten Unternehmen und dem öffentlichen Sektor. Bislang war es teuer und langwierig, solche E-Communities zu realisieren; die Beispiele ISO und Care Canada zeigen aber, dass es bereits Lösungen gibt, die schnell, einfach und kostengünstig zu implementieren sind. Voraussetzung ist allerdings die Einsicht, dass auch und vor allem im E-Business-Zeitalter Kooperation einen Schlüssel für den langfristigen Erfolg darstellt.

Der Autor

Marcus Ehrenwirth ist freier Journalist und lebt in Augsburg.

ehrenwirth@wissensmanagement.net


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