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3/2012
Kolumne Kolumne

Unwort „Wissensmanagement“

von Gabriele Vollmar

Ehrlich gesagt, ich kann es nicht mehr hören! Was? Die Aussage, „Ja, wir machen Wissensmanagement, aber wir dürfen es bloß nicht so nennen; der Begriff ist doch verbrannt.“ Mit Verlaub: Wie nennen Sie dann das, was Sie da machen? Und wie thematisieren und werben Sie für diese „Sache ohne Namen“? Ach, gar nicht? Und da wundern Sie sich noch, dass diese „Sache“ ein Imageproblem hat und im Biotop haust (siehe die Kolumnen der letzten beiden Ausgaben)?

Zugegeben, mit dem Begriff hat man es manchmal nicht leicht, weil der Wissensmanagement- Hype der ersten Jahre hier leider eher schädlich als förderlich war. Zu vollmundig waren die Versprechungen, die den Unternehmen unter dem Label Wissensmanagement gemacht wurden (und eigentlich nur eines wollten, nämlich IT-Produkte verkaufen) und die weitgehend enttäuscht wurden. Das hat dem „brand“ Wissensmanagement sicherlich geschadet.

Aber seit Hype und anschließendem Tal der Tränen sind nun auch schon gute acht bis zehn Jahre ins Land gegangen. Zeit, in der sich Wissensmanagement durchaus in den Unternehmen etabliert hat, beweisen konnte, dass es pragmatische Methoden und Werkzeuge bereit hält und wahrnehmbaren Nutzen stiften kann. Höchste Zeit – finde ich – nun endlich auch den Begriff zu rehabilitieren.

Oder wie soll das bewährte „Tue Gutes und rede darüber!“ funktionieren, wenn wir uns scheuen dieses Gute auch zu benennen?

Es ist die Mission der Gesellschaft für Wissensmanagement „den professionellen Umgang mit der Ressource Wissen zu fördern und die Notwendigkeit der ganzheitlichen Sicht auf das Thema Wissensmanagement mit den Dimensionen Mensch, Organisation und Infrastruktur herauszustellen.“ Die Vision der GfWM ist es, diesbezüglich bei allen relevanten Zielgruppen (Forscher und Praktiker, Anwender und Interessierte, Entscheider in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik) als ein geschätzter und gesuchter Ansprechpartner zum Thema Wissensmanagement wahrgenommen zu werden.

Es ist sicherlich nicht einfach, sich hier im allgemeinen Neuigkeiten- und Informationslärm Gehör zu verschaffen. Aber wie viel schwieriger wäre es, als „Gesellschaft für die Sache ohne Namen e.V.“! Gleiches gilt für den Wissensmanager in seiner Organisation.

Aber nicht nur aus Marketinggründen ist unsere Verleugnungstaktik unklug. Wie heißt es bei der GfWM? „... die Notwendigkeit der ganzheitlichen Sicht auf das Thema…“ Genau diese Ganzheitlichkeit leidet, wenn ich keine begriffliche Klammer für meine Tätigkeiten finde, sondern diese in ihre Einzelbestandteile wie z.B. Personalentwicklung, Dokumentenmanagement, Prozessmanagement, Projekt- Debriefing, Strategieentwicklung usw. zerfällt. Wenn wir immer nur die einzelnen konkreten Tätigkeiten und Werkzeuge benennen, geht uns irgendwann nicht nur sprachlich das gemeinsame Dach über all diesen Tätigkeiten verloren. Und dann reden wir irgendwann nicht mehr nur nicht über Wissensmanagement, sondern wir betreiben es de facto auch nicht mehr. Ganz zu schweigen davon, dass wir es mit dieser „Salamitaktik“ sicherlich nicht in die Vorstandsetagen und dort zum ernst genommenen Sparringspartner in Sachen (wissensorientierte) Strategieentwicklung schaffen.

Unwort Wissensmanagement?
Das hat es nicht verdient!

Ihre Gabriele Vollmar


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