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4/2006
Praxis Wissensmanagement Prozessmanagement

Wissensbasiertes Prozessmanagement sichert den Unternehmenserfolg

von Hartmut F. Binner

Das Thema Prozessmanagement hat in den letzten Jahren in Verbindung mit der Change-Management-Diskussion sehr stark an Bedeutung gewonnen. Die mit großer Dynamik stattfindenden Veränderungsprozesse im Markt mit steigenden Kundenanforderungen sowie zunehmender Globalisierung und Internationalisierung erfordern eine hohe Reaktions- und Wandlungsfähigkeit von Unternehmen, die sie mit funktionsorientierten Strukturen nicht realisieren können.

Das Thema Prozessmanagement hat in den letzten Jahren in Verbindung mit der Change-Management-Diskussion sehr stark an Bedeutung gewonnen. Die mit großer Dynamik stattfindenden Veränderungsprozesse im Markt mit steigenden Kundenanforderungen sowie zunehmender Globalisierung und Internationalisierung erfordern eine hohe Reaktions- und Wandlungsfähigkeit von Unternehmen, die sie mit funktionsorientierten Strukturen nicht realisieren können. In der Praxis fehlen allerdings nach wie vor prozessorientierte Organisationsstrukturen. Ohne diese Prozessorganisation lässt sich aber ein funktionierendes Prozessmanagement mit anforderungsgerechter Planung, Steuerung, Durchführung und entsprechendem Controlling der Geschäftsprozesse nicht realisieren.

Von der Prozessorganisation zum Wissenskonzept

Auch eine kontinuierliche Prozessverbesserung und -bewertung kann aufgrund fehlender oder unzureichend eingeführter Prozessstrukturen nicht stattfinden. Prozessorientierung, Prozessorganisation, Prozessmanagement und Prozessverbesserung - diese Struktur ist die Grundlage für die Entwicklung eines Prozessorganisations-Frameworks. Diesem Rahmenkonzept sind eine ganze Anzahl von Instrumenten, Methoden, Modellen, Vorgehensweisen und Tools zugeordnet, die unflexible, bürokratische und funktionale Organisationsstrukturen zugunsten prozessorientierter Abläufe beseitigen.

Oberstes Unternehmensziel ist es, bei der kundenspezifischen Produkt- oder Dienstleistungserstellung die knappen Ressourcen sowie das verfügbare Wissen bedarfsgerecht und optimal zu kombinieren. Alle Prozessaufgaben innerhalb des Transformationsprozesses sollen bereits beim ersten Mal fehlerfrei, ohne Verschwendungen und unter Beachtung und Einhaltung aller aktuell gültigen Vorschriften, Normen und Regelwerke ausgeführt werden. Dies ist ohne ein wissensbasiertes Prozessmanagement nicht möglich.

Wissensbasiertes Prozessmanagement soll die Wissensentwicklung, die Wissensnutzung und die Wissensverbesserung effizient und effektiv gestalten. Begründet ist dies durch eine intensive Wechselwirkung zwischen Wissensmanagement und der Durchführung von Geschäftsprozessen. Es bietet sich deshalb an, aus dem bereits entwickelten Prozessmanagement-Framework ein integriertes Wissenskonzept-Framework zu entwickeln, das die Implementierung einer wissensbasierten Organisation auf der Grundlage der ablaufenden Geschäftsprozesse ermöglicht bzw. durchsetzt.

Das SYCAT-Wissenskonzept-Framework

SYCAT = Systematisches CIM [Computer integrated Manufacturing]-Analyse-Tool

Das Wissenskonzept-Framework bietet einen ganzheitlichen, umfassenden, durchgängigen und integrierten Gestaltungsansatz zur Implementierung einer wissensbasierten Organisation. Im Gegensatz zu fast allen bekannten Wissensmanagementkonzepten reduziert sich dieser Frameworkansatz nicht auf die Anwendung des Wissensmanagements selber, sondern schafft auch die Voraussetzung für eine nachhaltige Einführung der prozessorientierten Wissensorganisation. Außerdem hilft es, die Veränderung des verfügbaren Wissensbestandes zu bewerten. Erkenntnisobjekt ist hierbei immer der wissensbasierte Transformationsprozess zur Erstellung einer wissensintensiven Produkt- oder Dienstleistung unter Einbindung aller vorhandenen Managementführungsinstrumente.

Die notwendigen Aktivitäten der Wissensorganisationsebene (Ebene 1) des Wissenskonzept-Frameworks beziehen sich als erstes auf die Ermittlung der Wissensanforderungen, die sich aus dem angebotenen Produkt für eine ausgewählte Zielgruppe am Markt ergeben. Danach können die Wissensstrategie und die Wissensziele abgeleitet werden ? unter Beachtung der kybernetischen Regelkreisprinzipien, das heißt unter Einbeziehung der Prozessbeteiligten, mit Zuordnung der Wissensziele in Form von Kennzahlen.

In jeder Ebene wird sichergestellt, dass kundenorientierte, mitarbeiterorientierte, prozessorientierte sowie erfolgs- oder finanzorientierte Zielsetzungen gleichermaßen abgedeckt und miteinander verknüpft sind. Da hierbei der Geschäftsprozess ausschlaggebend für die Anwendung des Wissensmanagements ist, muss eine Prozessanalyse das Wissen ebenso identifizieren wie die vorhandenen Wissenslücken. Die Systematische Prozesswissensanalyse (SYPAM) hilft, diese Lücken zu beseitigen. Dabei wird der Geschäftsprozess zur wissensbasierten Produkt- oder Dienstleistungserstellung, entsprechend des Transformationsprozessmodells nach Input-, Transformations- und Outputsicht differenziert und in jedem Abschnitt in weitere Ziel- und Wissensanalysefelder unterteilt. Dies entspricht dem in der DIN EN ISO 9001 vorgegebenen Prozessbegriff. Hier wird ein Prozess definiert als ein Satz von in Wechselbeziehung oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt.

Die Prozessanalyse-Methode SYPAM

Bezugspunkt für die SYPAM-Anwendung ist immer der mit dem SYCAT-Process Designer abgebildete Geschäftsprozess in der charakteristischen Organisationsprozessdarstellung (OPD), heute weltweit als Swimlane bezeichnet. Die SYCAT-OPD legt in der sachlich-logischen und zeitlichen Reihenfolge exakt fest, wodurch ein Prozess ausgelöst wird, welche Transaktionen in welcher Reihenfolge auszuführen sind, welche Objekte, Daten, Dokumente, Ergebnisse erzeugt, bearbeitet, dokumentiert und weitergeleitet werden. Oder wer an welcher Stelle dieses Prozesses für welche Transaktionen und Aufgabenerledigung verantwortlich und ausführend ist. Das vorhandene bzw. benötigte Wissen lässt sich nach unterschiedlichen Wissensarten und -inhalten beschreiben. Folgende Wissensgrundfragen werden dabei beantwortet:

  1. Welches Wissen ist in den Geschäftsprozessen vorhanden? Wer sind die Wissensträger?
  2. Welches Wissen ist verfügbar? In welcher Form?
  3. An welcher Stelle sind die Wissenslücken? In welcher Ausprägung?
  4. Wo besteht welcher zusätzliche Wissensbedarf?
  5. Welche Maßnahmen (Wissensaktivitäten) sind zu ergreifen, um den verfügbaren Wissensbestand zielgesichert zu gestalten bzw. zu optimieren? Z.B.: Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensverteilung, Wissensnutzung, Wissensbewahrung, Wissensbewertung.

Die Ergebnisse dieser Wissensanalyse werden anschließend mit geeigneten IT-unterstützten Wissensinstrumenten wie Portalen, Datenbanken, Contentmanagementsystemen usw. strukturiert dokumentiert. Auf diese Weise etabliert sich eng verzahnt mit der Prozessorganisation und dem darin enthaltenen organisationsspezifischen Geschäftsprozessmodell eine Wissensorganisation mit organisationalen und prozessualen Wissensstrukturen. Das stellt eine Integration zwischen vorhandener Prozessorganisation und systematischer Wissensnutzung sicher. Auf diese Weise nutzen die Mitarbeiter den verfügbaren Wissensbestand jedes Management-, Leistungs- und Unterstützungsprozesses optimal und bringen ihn in die wissensintensive Produkt- und Dienstleistungserstellung ein. Damit ist gleichzeitig auch gesichert, dass die Ebene 2 (Wissensmanagement) und die Ebene 3 (Wissensverbesserung, -ergebnisse) das Erreichen der vorgegebenen Unternehmenszielsetzungen tatsächlich unterstützen können. Die Anwendung des Wissensmanagements in Ebene 2 ist also nur unter Verwendung der in

Frameworkebene 1 geschaffenen integrierten Organisations- und IT-gestützten Wissensinfrastrukturen möglich. Wissensmanagement meint hier die wissensbasierte Planung, Steuerung, Durchführung und das Controlling der Geschäftsprozesse. Das benötigte Wissen wird hierbei systematisch identifiziert, erzeugt, gespeichert, verteilt, angewendet und bewertet.

Die Erfahrungen bei Einführung der Wissensorganisation in Ebene 1 sowie bei der Anwendung des Wissensmanagements in Ebene 2 führen in Ebene 3 zu einer Vertiefung und Erweiterung des vorhandenen Wissens. Realisiert wird dies durch eine gezielte personalisierte, explizite und implizite Wissensgestaltung und -verwaltung. Da der Erfolg von Lernprozessen davon abhängt, inwieweit es gelingt, komplexe Wissensbestände strukturiert zu erwerben, zu kommunizieren und anzuwenden, werden über diese Vorgehensweise die Voraussetzungen für den Lernprozesserfolg geschaffen. Den Abschluss bildet dann eine Bewertung des Wissensbestandes, beispielsweise in Form einer Wissensbilanz.

Fazit

Zusammengefasst bezieht sich das hier verwendete Beschreibungsmodell zur Implementierung einer wissensbasierten Prozessorganisation auf die drei Ebenen: Wissensorganisation, Wissensmanagement sowie Wissensverbesserung und -bewertung. Die Einführung der Wissensorganisation steht in unlösbarer Wechselbeziehung zur Prozessorganisation.

Kerngedanke der Prozessorganisation in Ebene 1 ist zunächst, dass sich der verfügbare Wissensbestand an den betrieblichen Prozessen orientiert. Da bei der Prozessorganisation eine Ausrichtung der Aufbauorganisation an den Bedingungen des Ablaufs vorgenommen wird, orientiert sich auch die systematische Wissensbereitstellung und

-nutzung an den Geschäftsprozessen. Dabei erfolgt eine Schwerpunktverlagerung des Unternehmensgeschehens von Abteilungs-/Bereichsdenken hin zum Prozessdenken mit dem Mitarbeiter als Mitdenker und Mitlenker mit einem hohen Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum. Kennzeichen der integrierten Prozess- und Wissensorganisation ist weiter das Durchsetzen interner Kunden- und Lieferanten-Prinzipien.

In Ebene 2 erfolgt die Anwendung des verfügbaren Wissensbestandes bei der wissensbasierten Planung, Steuerung, Durchführung und dem Controlling der Geschäftsprozesse. Die Anwendung des Wissensmanagements in Stufe 2 garantiert eine systematische Wissensnutzung bei der Produkt- und Dienstleistungserstellung. Die Wissensbewertung und -verbesserung in Ebene 3 vertieft und sichert den vorhandenen Wissensbestand der Organisation. Hierbei findet auch eine kontinuierliche Bewertung der Veränderung des verfügbaren Wissensstandes statt. Durch bedarfsgerechte Bereitstellung der Wissensbasis wird die übergeordnete Wandlungs- und Lernfähigkeit als wichtigster Erfolgsfaktor des Unternehmens nachhaltig erzeugt.

Literatur

[1] Binner, Hartmut F.: Handbuch der prozessorientierten Arbeitsorganisation. REFA-Fachbuchreihe „Unternehmensentwicklung“. 2. Auflage. Carl Hanser Verlag, München Wien 2005.

[2] Binner, Hartmut F.: Managementleitfaden „Auf dem Weg zur Spitzenleistung“, 1. Auflage, Carl Hanser-Verlag, München Wien 2005.


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