2013/11 | Fachbeitrag | Toyota

Toyota Way: Probleme lösen mit A3-Reports

von Dr. Daniela Kudernatsch

Inhaltsübersicht:



Viele Strategieumsetzungsprojekte scheitern nicht daran, dass den Mitarbeitern und ihren Führungskräften die Bereitschaft fehlt, sich für die Unternehmensziele zu engagieren. Die Ursache ist vielmehr: Den Mitarbeitern auf der operativen Ebene fehlen Werkzeuge, um parallel zum Tagesgeschäft die angestrebten Veränderungen zu realisieren. Außerdem existiert im Unternehmen kein institutionalisierter Prozess, um die Kompetenz der Mitarbeiter zum eigenständigen Erkennen, Analysieren und nachhaltigen Lösen von Problemen sukzessiv zu erhöhen. Ein Instrument, das diese Funktion erfüllt, ist der A3-Report. Er hat sich unter anderem bei Toyota als Strategieumsetzungs- sowie Organisations- und Personalentwicklungsinstrument bewährt.

Ziel: Die Problemlöse-Kompetenz erhöhen

Der A3-Report geht auf den Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran zurück. Er empfahl in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts japanischen Topmanagern, Problemlösungen, Entscheidungsgrundlagen und Strategien aus Gründen der Übersichtlichkeit nur auf einem Blatt Papier darzustellen. Toyota folgte diesem Rat und wählte hierfür Papier im DIN-A3-Format.

Der A3-Report ist ein Instrument zum Lösen von Problemen. Er soll jedoch zugleich den Denkprozess bei deren Lösung für die Mitarbeiter transparent machen, indem ihnen sozusagen eine Schablone an die Hand gegeben wird, welche Analyse- und Handlungsschritte beim Lösen eines Problems zu durchschreiten sind. Und die Arbeit mit dem A3-Report soll bei ihnen einen Lernprozess anstoßen, der zu einem tieferen Verständnis der Probleme führt und ihnen die Kompetenz vermittelt, nachhaltige Lösungen für diese zu entwerfen und im Arbeitsalltag zu realisieren.

Der A3-Report basiert auf dem aus dem Lean Management bekannten PDCA-Zyklus, demzufolge beim Lösen von Problemen vier Phasen zu unterscheiden sind.

  1. Plan: Hier werden das Problem und der Ist-Zustand beschrieben sowie die (Kern-)Ursachen des Problems analysiert. Außerdem wird der Ziel-Zustand formuliert. Zudem werden Messgrößen für das Erreichen des Ziel-Zustands definiert.
  2. Do: Hier werden die Maßnahmen zum Erreichen des Ziel-Zustands fixiert.
  3. Check: Hier wird die Wirksamkeit der Maßnahmen kontrolliert, so dass diese bei Bedarf nachjustiert werden können.
  4. Act/Adjust. Hier werden die im Prozess der Problemlösung gesammelten Erfahrungen evaluiert und daraus Standards für das künftige Vorgehen ableitet, die fortan als Basis für weitere Verbesserungen dienen.

Aufbau eines A3-Reports

Diese vier Phasen findet man in den A3-Reports wieder. Auf dem Formblatt, das als Grundlage für die Arbeit mit ihnen dient, sind „Textfelder“ für die verschiedenen Analyse- und Arbeitsschritte angelegt, die es bei einem PDCA-Zyklus zu durchlaufen gilt. Diese können abhängig von der Anwendung divergieren. Der A3-Report zur Problemlösung besteht aus sieben Analyse- und Arbeitsschritten. Die ersten vier stehen auf der linken Seite des Formblatts und beziehen sich auf die Plan-Phase. In ihnen werden das Problem, die aktuelle Situation und die Ziele beschreiben. Außerdem werden die Kernursachen des Problems analysiert. Die rechte Seite spiegelt die Do-, Check-, Act-Phase wider.

Über jedem A3-Report steht ein Titel. Er benennt das zu lösende Problem. Danach folgen die sieben Analyse- und Arbeitsschritte, die es beim Lösen des Problems und Implementieren eines neuen Standards zu durchschreiten gilt.

1. Hintergrund
Hier werden das Problem und dessen Auswirkungen beschrieben. Zwei Aspekte sind dabei besonders zu beachten:

  • Das Problem muss so beschrieben sein, dass alle in den Prozess involvierten Personen das Problem und dessen Auswirkungen verstehen.
  • Die Beschreibung muss die Relevanz des zu lösenden Problems für die Unternehmensziele aufzeigen.

2. Aktuelle Situation
Hier wird beschrieben, was tatsächlich passiert. Zudem gilt es, den Entstehungsort (point of cause) des Problems zu identifizieren; des Weiteren „am Ort des Geschehens“ (Gemba) zu analysieren, was die Betroffenen abhält, den Soll-Zustand zu erreichen. Der Ist-Zustand sollte möglichst einfach und bildhaft dargestellt werden. Zudem gilt es bei den Report-Nutzern ein faktenbasiertes Verständnis des Problems zu erzeugen. Am besten gelingt dies mit Grafiken, Diagrammen und/oder Tabellen, die quantifizierbare Messgrößen enthalten. Auf besonders wichtige Punkte kann mit „Blitzen“ oder anderen Markierungen hingewiesen werden.

3. Ziel-Zustand
Der Ziel-Zustand muss aus drei Gründen genau spezifiziert werden. Erstens: Ein Rückwärtsdenken von einer Ziel-Situation führt in der Regel zu stärkeren Lösungen als eine Lösungssuche ohne definiertes Ziel. Zweitens: Jede angedachte Lösung ist letztlich ein Experiment. Dessen Ergebnisse können am Ziel-Zustand gemessen werden. Drittens: Die Beteiligten können sich beim Erstellen des Maßnahmenplans fragen, ob das Ziel so erreicht wird. Beim Erarbeiten der Ziel-Situation sollten auch folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wie messen wir, ob das Projekt erfolgreich war? Und:
  • Welchen Standard oder welche Basis (zum Beispiel Kennzahl) nutzen wir als Vergleich?

4. Ursachenanalyse
Nun geht es darum, die Ursachen der aktuellen Situation zu verstehen und Ansatzpunkte für wirksame Maßnahmen zu erkennen. Eine bewährte Methode für die Ursachenanalyse ist das Ishikawa-Diagramm, mit dem mögliche Ursachen gesammelt werden können, die das Problem am „point of cause“ bewirken. Ziel ist es, die Faktoren zu ermitteln, die einen direkten Einfluss auf das tatsächliche Problem haben.

5. Gegenmaßnahmen
In diesem Schritt werden die Maßnahmen aufgelistet, mit denen die Problemursachen beseitigt und das System verbessert werden können. Gegenmaßnahmen sind (laut Toyota-Terminologie) Maßnahmen, die die Kernursache beseitigen und eine dauerhafte Problemlösung bewirken. Wichtig ist, bei den aufgelisteten Gegenmaßnahmen klar zu benennen:

  • „Was“ ist das (Teil-)Problem (bzw. dessen Ursache), das durch die Maßnahme gelöst werden soll,
  • „wie“ wird es untersucht/gelöst,
  • „wer“ ist für die Maßnahme verantwortlich,
  • „wann“ wird sie ausgeführt und
  • „wo“ wird sie durchführt?

6. Erfolgswirkung
In diesem Schritt wird überprüft, ob die Gegenmaßnahmen zum geplanten Ergebnis geführt haben. Zudem werden bei einer Zielabweichung die Gründe hierfür benannt. Die erzielte Wirkung wird dabei quantifiziert, wobei eine grafische Darstellung (Vorher-Nachher-Vergleich) die Verständlichkeit erleichtert.

7. Standardisierung und Follow-up
Beim Follow-up wird der Gesamtprozess evaluiert. Zudem wird reflektiert, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die erreichten Verbesserungen zu sichern und weiter voranzutreiben. Dabei hebt die Standardisierung von erfolgreichen Gegenmaßnahmen den Prozess auf eine höhere Ebene. Folgende Fragen gilt es nun unter anderem zu beantworten:

  • Was muss getan werden, um das Erreichte dauerhaft zu sichern?
  • Auf welche anderen Aufgaben/Probleme können wir unsere Erfahrungen übertragen?
  • Wen sollten wir über unsere Erfahrungen informieren, damit auch andere Bereiche der Organisation hiervon profitieren?

Die alltägliche Arbeit mit dem A3-Report

Angenommen ein Unternehmen hat im Rahmen eines strategischen Projekts die wichtigsten Ziele oder „breakthrough-Ziele“ definiert, die erreicht werden müssen, damit sich das Unternehmen in Richtung Vision entwickelt; zudem wurden diese Ziele auf die Ebene der Bereiche, Abteilungen und Arbeitsteams heruntergebrochen. Dann stehen die einzelnen Abteilungen und Teams in der Regel vor einem Bündel von Aufgaben oder Problemen, die es zu lösen gilt.

Diese Aufgaben und Probleme gilt es zunächst hinsichtlich ihrer Relevanz für das Erreichen der (Unternehmens-)Ziele zu priorisieren, bevor sie in Angriff genommen werden. An diesem Punkt kommen die A3-Reports ins Spiel, und zwar indem zum Beispiel der Abteilungsleiter einzelne Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen damit beauftragt, eine Lösung für ein Problem zu erarbeiten und zu implementieren.

Daraufhin überlegen sich die beauftragten Mitarbeiter, was die Hintergründe des Problems sind und notieren dies auf dem A3-Report-Formblatt. Danach setzen sie sich mit ihrer Führungskraft (oder einem Stellvertreter) zusammen und überprüfen, ob der Hintergrund bereits adäquat beschrieben ist und wenn nein, was es hierfür noch zu tun gilt. Erst danach beginnen die Mitarbeiter, die aktuelle Situation zu analysieren und zu beschreiben. Anschließend treffen sie sich erneut mit ihrer Führungskraft, um zu checken, ob die Ist-Situation zutreffend beschrieben ist. Dasselbe Vorgehen wird bei allen Problemlöseschritten praktiziert. Das heißt, der oder die Mitarbeiter befassen sich stets zunächst selbst mit der jeweiligen (Teil-)Aufgabe und deren Lösung, bevor sie ein Feedback erhalten und danach wieder alleine weiterarbeiten. Dadurch wird ihre Kompetenz geschult, Probleme und deren Ursachen eigenständig zu erkennen und zu analysieren und hierfür Lösungen zu entwerfen. Zugleich üben sie, da der A3-Report regelmäßig zum Einsatz kommt, ein Verfahren ein, wie Probleme gelöst werden – so dass bei ihnen mit der Zeit eine Routine im Erkennen, Analysieren und Lösen von Problemen entsteht.

Zugleich wird ein weiteres Ziel erreicht. Da der A3-Report und das mit ihm verknüpfte Problemlöseverfahren nicht nur von allen Mitarbeitern und Teams (auf der wertschöpfenden Ebene) genutzt wird, wird zugleich eine Basis geschaffen, um sich team- und abteilungsübergreifend über Probleme und deren Lösung auszutauschen. Außerdem wird bereichsübergreifend die Kompetenz erhöht, Probleme eigenständig zu erkennen, zu analysieren und zu lösen. Das heißt, in der Organisation entwickelt sich allmählich die für eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung erforderliche Veränderungskompetenz.

Aus Führungskräften werden Lernbegleiter

Die Arbeit mit dem A3-Report erfordert von allen Prozessbeteiligten spezielle Fähigkeiten – insbesondere von den Führungskräften. Sie müssen sich auch als Lernbegleiter ihrer Mitarbeiter verstehen und bereit sein, sich intensiv mit ihnen und den wertschöpfenden Prozessen zu befassen.

Das Wahrnehmen dieser Aufgabe erfordert von den Führungskräften eine entsprechende Investition an Zeit. Das klingt nach einer Mehr-Belastung für sie. Faktisch resultiert aus dem sukzessiven Erhöhen der Problemlösekompetenz ihrer Mitarbeiter jedoch mittelfristig eine Entlastung der Führungskräfte. Denn je mehr Kompetenz und Routine ihre Mitarbeiter im eigenständigen Lösen von Problemen haben, umso mehr und komplexere Aufgaben können sie ihnen übertragen und umso seltener sind sie als Unterstützer und „Trouble-Shooter“ gefragt.

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