2018/9 | Fachbeitrag | Digitale Transformation

Neue Jobs im digitalen Zeitalter

von Euan Davis

Inhaltsübersicht:

wm: Die Technologie verändert unsere Welt heutzutage grundlegend. Wie spiegelt sich dies auf dem Arbeitsmarkt wider? Wird die menschliche Arbeit ersetzt?

Euan Davis: Es stimmt, dass die Nachrichten in den Medien manchmal beunruhigend klingen. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organization for Economic Co-operation and Development, OECD) zur Arbeitsmarktentwicklung ergab beispielsweise, dass etwa die Hälfte aller Jobs in den 32 OECD-Staaten von Algorithmen und Maschinen bedroht sind, da leicht automatisierbare Berufe höchstwahrscheinlich verschwinden werden. Davon sind rund 66 Millionen Arbeitnehmer in der OECD betroffen. Aber das ist nur eine Seite der Medaille.

wm: Was ist mit der anderen Seite?

Davis: Wir glauben, dass die Vierte Industrielle Revolution einen digitalen Boom in der Weltwirtschaft auslösen und das Gesicht der Arbeit verändern wird. Doch während die Zukunft mit einer automatisierten Belegschaft beängstigend scheinen kann, wird die Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI) auch zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen und Einzelpersonen eröffnen, die sich darauf vorbereitet haben. Wir wollten wissen, welche Möglichkeiten es gibt und führten daher eine Studie durch: „21 jobs of the future, a guide to getting and staying employed over the next 10 years“. Dabei stießen wir auf 21 mögliche neue Jobs, die entstehen könnten.

wm: Wie schnell werden diese Jobs verfügbar sein? Und sind es eher technische Berufe oder gibt es auch Möglichkeiten für weniger technisch versierte Menschen?

Davis: Die 21 in dem Bericht vorgestellten Jobs sind keine Science-Fiction – es handelt sich dabei vielmehr um Stellen, die von den Personalabteilungen im kommenden Jahrzehnt besetzt werden müssen. Einige der Jobs sind hoch technisch, etwa der Master of Edge Computing, während andere, wie etwa ein persönlicher Gedächtniskurator, nicht viel technologisches Wissen erfordern. Auch wenn einige darauf bestehen, dass eines Tages alle Tätigkeiten Technologie-Jobs sein werden, so zeichnen die Ergebnisse der Studie doch ein anderes Bild.

wm: Und welche Chancen bietet die Zukunft für weniger technisch versierte Menschen?

Davis: Die identifizierten Jobprofile decken eine Vielfalt von Disziplinen, Märkten und Technologien ab. Sie alle haben jedoch drei Themenfelder gemein: Coachen, Umsorgen und Vernetzen. Das bedeutet, dass der Bedarf an Fachkräften, die Menschen bei der Bewältigung bestimmter Aufgaben unterstützen, z. B. bei der Verwaltung ihrer Finanzen oder ihres Gewichts, zunehmen wird. Es wird einen steigenden Bedarf an Fachkräften geben, die dabei helfen, Mensch und Maschine, das Physische und das Virtuelle, Wirtschaft und Ethik und die traditionelle IT mit der Schatten-IT zu verbinden. Letztere ist Technologie, die innerhalb von Organisationen ohne Zustimmung eingesetzt wird, z. B. persönliche Smartphones.

wm: Jetzt sind wir natürlich sehr neugierig, um was für Jobs es sich handelt. Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Davis: Wie gesagt, es wird eine Nachfrage nach Fachkräften in den Bereichen Coachen und Umsorgen geben. Ein digitaler Schneider zum Beispiel besucht Kunden zu Hause, um die Kleidung, die sie bei Online-Händlern bestellt haben, perfekt anzupassen und fertigzustellen. Der persönliche Gedächtniskurator hilft älteren Kunden bei Gedächtnisverlust, virtuelle Umgebungen zu schaffen, in denen sie sich aufhalten können. Für Unternehmen ist der Datendetektiv interessant: Diese Person analysiert Unternehmensdaten und generiert aus den gewonnenen Erkenntnissen operative Antworten und Vorschläge. Dies sind nur einige der 21 Profile aus unserer Studie.

wm: Es scheint, dass menschliche Faktoren angesichts von Robotern und Künstlicher Intelligenz eher ein Comeback auf dem Arbeitsmarkt erleben werden, oder?

Davis: Bis zu einem gewissen Grad. Aus unserer Studie wird jedoch ersichtlich, dass technische Qualifikationen an Bedeutung gewinnen werden. Aber auch die Menschen werden für die Wertschöpfung noch wichtiger. Zu den Anforderungen an einen digitalen Schneider gehören beispielsweise Fähigkeiten wie Modebewusstsein, Schneidern, Nähen, Polstern, Kunstverständnis und Innenarchitektur. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Technologie jeden Aspekt unserer Gesellschaft verbessern wird. Wir sehen keine Cyber-Dystopie, sondern eine wiedererkennbare Welt, in der Technologie die Dinge für uns Menschen verbessert hat.

wm: Herr Davis, vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Digitalisiert & vernetzt: Daten im (Work-)Flow

Daten gelten als Gold des 21. Jahrhunderts. Sie haben sich als vierter Produktionsfaktor neben Boden, Arbeit und Kapital fest etabliert. In vielen Organisationen tragen sie - als elementarer Wissensbaustein - mittlerweile sogar mit mehr als 60 Prozent zur Wertschöpfung bei. Doch trotz ihrer wachsenden Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit werden Daten in vielen Organisationen nach wie vor vernachlässig...

Weiterlesen

Hilfe-Communities: Von Klickanleitungen zu kollaborativen Arbeitsweisen

Heimarbeit & Co. sind in diesem Jahr ein Treiber für digitale Kommunikation und Zusammenarbeit gewesen: Laut Bitkom geben 43 Prozent der Beschäftigten an, dass im Zuge der Corona-Krise ihre Homeoffice-Möglichkeiten ausgeweitet wurden. Zahlreiche neue Tools rund um die Themen Videokonferenz, Chat, Dateiaustausch & Co. wurden dabei für die Mitarbeitenden bereitgestellt. Die Infrastruktur run...

Weiterlesen

Online-Events – das neue „Normal“

WISSENplus
Webinare boomen. Damit sie nicht zur langweiligen Werbeveranstaltung verkommen, sollten Veranstalter nutzwertigen Inhalt bieten. Ein wenig Marketing und professionelle Technik helfen außerdem dabei, Events über das Netz zu füllen und möglichst viele interessante Menschen zu erreichen....

Weiterlesen

Mit Chatbots immer topaktuell informiert

WISSENplus
Im Kundendienst und im Marketing haben Chatbots ihren Platz gefunden. Noch kaum bekannt ist ihr Potenzial aber in der Wissensvermittlung. Mit Chatbots lässt sich Wissen kurz, mobil und interaktiv weitergeben. Kurz: Sie treffen den Zeitgeist und holen Anwender dort ab, wo sie sind: beim Messaging. Ohne neue App lassen sich so beispielsweise neue Mitarbeiter in einen Betrieb einführen, Awareness-Kampa...

Weiterlesen

Know Your Customer: Prüfungspflichten automatisieren

WISSENplus
Seit 2020 gelten verschärfte Prüfungs- und Meldepflichten, um Geldwäsche oder Terrorfinanzierung aufzudecken. Inzwischen geht der Kreis der KYC-"Verpflichteten" (Know Your Customer, kenne Deinen Kunden) weit über den Finanzsektor hinaus. Auch Digitalplattformen, Immobilien-, Kunst- & Güterhändler müssen bei Barzahlungen hoher Beträge künftig KYC-Prüfungen durchführen. Angesich...

Weiterlesen

Auf Augenhöhe: HR 4.0 für den Mitarbeiter 4.0

Der Wandel weg vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt ist längst vollzogen und der "War for Talents" allgegenwärtig. Unternehmen buhlen um junge Talente, müssen aber auch das bestehende Personal im Blick behalten - und möglichst dauerhaft an sich binden. Denn für den Organisationserfolg ist beides wichtig: neue Mitarbeiter mit innovativen Ideen und langjährige Beschäftigte mit wertvollem Erfahrun...

Weiterlesen

Eine Ode an Homeoffice, virtuelle Räume & Co.

Ob bei politischen Verantwortungsträgern oder in den Medien: Virologen und Epidemiologen waren in den letzten Wochen die gefragtesten Interviewpartner. Wissenschaftler haben es geschafft, wieder on-vogue zu sein. Man glaubt ihnen wieder mehr, als so genannten Gesundheitsexperten - die zwar wenig wirklich fachlichen Hintergrund besitzen, dafür aber voll gefüllte Seminarhallen und geschliffene Marketing-K...

Weiterlesen

Remote, produktiv, effizient: Zusammenarbeit neu definiert

WISSENplus
In den vergangenen Monaten hat sich eine nie dagewesene Offenheit für neue Arbeitsweisen, Homeoffice und Remote Work etabliert. Was viele Arbeitnehmer freut, bedeutet für Unternehmen und IT-Verantwortliche jedoch eine echte Herausforderung: Mitarbeitern sicheren Zugang zu Dokumenten, Daten und Applikationen bieten sowie eine enge Zusammenarbeit und effiziente Prozesse auch remote ermöglichen. Moder...

Weiterlesen