2018/12 | Fachbeitrag | Digitale Transformation

Kundenwissen im B2B-Sektor: Umdenken! Jetzt!

von Michael Maicher, David Vannette

Inhaltsübersicht:

Der Best-Practice-Guide entstand im Anschluss an eine Expertenrunde, die 2017 in der Allianz Arena in München stattfand. Alle Teilnehmer haben gemeinsam, dass sie hunderttausende von CX-Befragungen pro Jahr durchführen. Aus den gesammelten Erkenntnissen entstand ein neues Best-Practice-Modell für Customer Experience in B2B-Unternehmen. Hier die sechs wichtigsten im Überblick:

1. Ermittlung wichtiger Kunden

Der Stichprobenumfang fällt im B2B-Bereich kleiner aus als im B2C-Sektor. Zielführender ist es deshalb, wenn Sie sich ganz von der traditionellen quantitativen Datenanalyse verabschieden und stattdessen einen qualitativen Ansatz verfolgen, um angemessen auf Kundenfeedback reagieren zu können. Zudem haben die Rückmeldungen großer Kunden aufgrund der geringen Stichprobenzahl ein besonderes Gewicht – schließlich wird ein Großteil des Umsatzes mit sehr viel weniger Kunden generiert als in anderen Bereichen. Wenn zum Beispiel einer von 100 Ihrer Kunden 20 Prozent des Umsatzes einbringt und seine Antworten nicht in die Datenanalyse einfließen, hat das Umfrageergebnis einen geringeren Wert. Deshalb bedarf es einer konzertierten Aktion, damit alle wichtigen Kunden an der Studie teilnehmen können. Bei Eingang der Daten müssen Sie sämtliche Antworten gewichten und priorisieren, indem Sie die Wichtigkeit und die Performance, die operative und wirtschaftliche Machbarkeit sowie Bedeutung und Wert der betreffenden Kunden berücksichtigen.

Wie Sie das Feedback von Kunden einholen, ist von entscheidender Bedeutung. Um diesen Prozess optimal zu gestalten, sollten Sie sich auf einige Elemente konzentrieren:

  • Erstellen einer Customer Journey Map: Eine Kundenbeziehung betrifft in der Regel mehrere Personen innerhalb eines Unternehmens. Manche von ihnen haben mehr Einfluss auf eine bestimmte Entscheidung als andere; darüber hinaus befinden sich die meisten in unterschiedlichen Phasen ihres Berufslebens. Hier empfiehlt sich der Einsatz einer Customer Journey Map: Sie definiert klar die wichtigsten Kunden und die Phasen der Customer Journey, um die es bei der Datenerfassung geht. Außerdem ermöglicht sie es, kritisch zu prüfen, wer in den einzelnen Phasen der geeignete Ansprechpartner ist. Auf diese Weise können Sie die richtige Person zur richtigen Zeit mit der richtigen Umfrage ansprechen. Mit einer Customer Journey Map behalten Sie besser im Blick, was bereits getan wurde und wohin die Reise gehen soll. Zudem kommen Sie nicht in Versuchung, mehrere Phasen durch eine einzige Befragung abzudecken oder zu viele Umfragen innerhalb eines kurzen Zeitraums zu versenden.
  • Versenden geeigneter Umfragen: Die Umfrageteilnehmer haben nur begrenzt Zeit, deshalb sollten Sie längere Befragungen nicht so oft verschicken. Kürzere Umfragen können häufiger gestartet werden. Eine umfassende Befragung zur Kundenzufriedenheit beispielsweise sollte ein- bis zweimal im Jahr erfolgen, während sich kurze Erhebungen zu bestimmten Vorgängen monatlich oder vierteljährlich versenden lassen. Wichtig: Führen Sie die Befragungen gezielt und nicht anonym durch. Bei anonymen Umfragen ist es nicht möglich, angemessen auf Kundenfeedback zu reagieren. Sie reduzieren den ohnehin schon geringen Stichprobenumfang noch weiter. Für B2B-Unternehmen ist die effizienteste Form der Umfrage eine offene Befragung, mit der Sie das Beste aus Ihrer Kundenbeziehung herausholen können und die Möglichkeit haben, Ihre Kommunikation individuell anzupassen.
  • Vermittlung des Umfrageziels und Anreize zur Teilnahme: Damit der Kunde Ihre Umfrage nicht als Spam empfindet, sollten Sie die Bedeutung der Studie betonen. Eine Ankündigung und Erläuterung zur Wichtigkeit seines Feedbacks erhöhen die Teilnahmebereitschaft. Schließlich gehört auch die Umfrage zur Customer Experience! Dasselbe gilt für Ihre Mitarbeiter: Sie sollten intern zur Teilnahme an Feedback-Aktionen motiviert werden. Das können Sie erreichen, indem Sie über die Ergebnisse der Befragungen berichten, z. B. „Wir haben auf die Rückmeldungen von 100 Prozent der unzufriedenen Kunden reagiert und den Prozess durch die Maßnahmen x, y und z verbessert.“. Oder Sie weisen darauf hin, dass die Mitarbeiter durch ihre Teilnahme zur Optimierung von Produkten, Services oder ihrer Experience beitragen. Auf diese Weise sehen sie die Notwendigkeit der Befragung ein und nehmen sie ernster.

3. Abschied vom Net Promoter Score (NPS)

Um Veränderungen zu bewirken und bei der Verbesserung der Customer Experience Unterstützung zu erhalten, ist es wichtig, über die CX-Metriken hinaus klare Kennzahlen mit direktem Einfluss auf die Unternehmens-KPIs auf den Tisch legen zu können.

Als beliebteste Methode zur Messung der Customer Experience im B2C-Sektor gilt der Net Promoter Score (NPS). Doch bei B2B-Unternehmen ist er aufgrund des geringen Stichprobenumfangs eine eher schwierige Kennzahl. Er ist nützlich, um bei einzelnen Kunden nachzufassen, aber er sollte nicht überstrapaziert werden. Denn er fördert eine Kultur, die auf Ziele fixiert ist und den Fokus nicht auf Veränderungen legt. CX-Programme sollten entwickelt werden, um den Wandel voranzutreiben. Deshalb ist es eine gute Option, mit alternativen Kennzahlen zu arbeiten – beispielsweise mit der Gesamtzufriedenheit (OSAT) bei Umfragen zur Kundenbeziehung und mit dem Kundenaufwand (CES) bei Umfragen zu bestimmten Vorgängen. Beide Kennzahlen können im Wettbewerbsbenchmarking und zur Ermittlung der wichtigsten Kundenanliegen eingesetzt werden.

4. Der Kreis schließt sich

Das Feedback des Kunden und die Kennzahlen zur Messung der Customer Experience zählen zu den überaus wichtigen Informationen. Doch ohne ein System, das diese Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen und Verbesserungen umsetzt, sind sie so gut wie bedeutungslos. Wollen Sie den Kreis schließen, müssen Sie das durch ein CX-Programm gesammelte Feedback in gezielte Aktionen umsetzen und Änderungen vornehmen. Solche Maßnahmen können in zwei verschiedene Bereiche aufgeteilt werden: Zum einen in die des „engeren Kreises“, die sich auf die Kundenebene konzentrieren. Sie gehen auf das Feedback bestimmter Kunden ein, indem sie beispielsweise den Kundenservice verbessern oder ein Ticket- oder Workflow-System einführen, um Kundenanfragen zu verwalten und deren Status zu melden usw. Die Maßnahmen des „äußeren Kreises“ finden auf Unternehmensebene statt und betreffen eine ganze Gruppe von Kunden. Sie beinhalten interne Prozessänderungen wie etwa die Priorisierung verbesserungswürdiger Bereiche und die Messung des Effekts auf Kunden, die operativen Abläufe und die Finanzen.

5. Benchmarking im Customer-Experience-Management

Benchmarks sind sehr nützlich, doch sie sollten – insbesondere bei länderübergreifenden Vergleichen – valide sein. Um intern ein Programm anhand einer Benchmark zu vergleichen, ist es am sinnvollsten, die relativen Veränderungen der Kennzahlen über einen bestimmten Zeitraum hinweg (z. B. x Prozent Steigerung der Zufriedenheit im Laufe der letzten zwölf Monate) anstelle absoluter Werte heranzuziehen. Wichtig ist ebenfalls, die Ausgewogenheit der Stichprobenauswahl hinsichtlich Anzahl und Art der Kunden sicherzustellen.

Externes Benchmarking sollte statt auf Ratings auf Rankings basieren und nur innerhalb eines Landes erfolgen. So gewährleisten Sie, dass die Ergebnisse nicht durch die kulturellen, sprachlichen oder mitbewerberbedingten Unterschiede der einzelnen Märkte verfälscht werden. Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) beispielsweise vergleicht seine verschiedenen Absatzmärkte anhand des lokalen Rankings – mit dem expliziten Ziel, 75 Prozent seiner Unternehmen in den entsprechenden Märkten als „Loyalitätsführer“ zu positionieren. Kulturelle Abweichungen oder potenzielle Übersetzungs- und Dolmetschfehler werden dabei vermieden. Trotzdem kann auf diese Weise ein aussagekräftiger Vergleich zwischen den Ergebnissen der einzelnen Firmen angestellt werden.

6. Nachweis des strategischen Werts Ihres CX-Programms

CX-Programme müssen professioneller werden und ihre strategische Wirkung nachweisen können. Dieser Punkt ist absolut entscheidend – denn sollte dies nicht der Fall sein, kann es ein harter Kampf werden, sich die Unterstützung des Managements zu sichern und Änderungen voranzutreiben.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, operative und Experience-Daten miteinander zu verknüpfen und den Einfluss der CX-KPIs auf wesentliche Unternehmenskennzahlen wie die Kaufentscheidungskriterien und die finanzielle Performance aufzeigen zu können.

Wenn diese Verknüpfung erst einmal besteht, können Sie Ihre CX-Maßnahmen priorisieren. Sie wissen ja, welche Experience-Bereiche Sie primär optimieren müssen, um für die finanzielle Performance Ihres Unternehmens die besten Ergebnisse zu erzielen. In der Regel besitzen Firmen große Mengen an operativen Kundendaten. Mithilfe von APIs und anderen Software-Schnittstellen lassen sich solche Datenbestände mittlerweile mit Experience-Informationen kombinieren, die über Kundenbefragungen gesammelt werden. Diese beinhalten traditionelle Kennzahlen: Von der Kundenzufriedenheit „CSAT“ über den Net Promoter Score (NPS) bis hin zu Paradaten wie etwa die Zeit, in der die Fragen beantwortet wurden, oder die Zahl der Aufforderungen, die erforderlich waren, um den Kunden zur Teilnahme zu bewegen.

Indem Sie solche Informationen sammeln und sie neben Ihren operativen Kennzahlen in Echtzeit anzeigen, können Sie Veränderungen im Laufe der Zeit beobachten und prädiktive Modelle erarbeiten, die den Erfolg Ihres CX-Programms weiter begünstigen.

Nicht alle B2B-Kunden sind gleich – auch das sollten Sie sich vor Augen führen. Wenn Sie diese Datenbestände also miteinander kombinieren, müssen Sie sie anhand der Bedeutung des Kunden oder einer relativen Finanzkennzahl gewichten. Nur so können Sie besser einschätzen, wie sich Ihre Customer-Experience-Maßnahmen auf Ihre Finanzergebnisse auswirken.

Fazit

Mit den hier beschriebenen neuen Best-Practice-Tipps können Sie nicht nur die speziellen Herausforderungen des CX-Managements im B2B-Sektor meistern, sondern auch Ihre Kunden zufriedenstellen – und das ist letztendlich Sinn und Zweck des Customer-Experience-Managements.

 

 

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