2017/3 | Fachbeitrag | Kommunikation

Kommunizieren ist mehr als informieren

von Dr. Albrecht Müllerschön

Inhaltsübersicht:

„Das habe ich dem Meyer doch gesagt.“ „Ich hatte der Müller eine Mail geschrieben.“ Solche Aussagen hört man in Unternehmen oft, wenn etwas schiefläuft. In der Regel hat dann derjenige den „Schwarzen Peter“, der zum Beispiel eine Notiz im Meeting-Protokoll überlas, eine E-Mail falsch interpretierte oder einer Bemerkung seines Chefs oder eines Kollegen zu wenig Bedeutung beimaß. Denn er wurde ja informiert. Trotzdem geschah die Panne.

Die vier Ebenen der Kommunikation

Viele Menschen unterschätzen die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse. Generell gilt es hierbei vier Ebenen zu unterscheiden:

  1. Da ist zunächst die Sachebene. Wenn wir mit anderen Menschen kommunizieren, wollen wir sie in der Regel über einen Sachverhalt informieren. Deshalb muss der Sender seine Botschaft so artikulieren, dass sein Gegenüber sie versteht.
  2. Daneben gibt es die Beziehungsebene. Das heißt, abhängig von unserer Beziehung zu einer Person messen wir ein- und derselben Aussage eine unterschiedliche Bedeutung bei – zum Beispiel der Aussage: „Das ist wichtig“. Sagt dies der „Big Boss“ erachten wir diese Aussage meist als bedeutsamer als wenn sie vom Pförtner kommt.
  3. Beim Kommunizieren mit anderen Menschen senden wir an diese auch Informationen über uns selbst – zum Beispiel mittels unserer Gestik, Körpersprache und -haltung. Auch durch unsere Art zu sprechen – also zum Beispiel, wie laut und schnell wir reden – senden wir Botschaften an unser Gegenüber. Hierbei handelt es sich um die Selbstaussage-Ebene. Sie ist auch bei der Kommunikation per Telefon und E-Mail zu beachten. Denn allein schon die Tatsache, dass wir zum Beispiel eine Mail schreiben und nicht zum Telefonhörer greifen oder das persönliche Gespräch suchen, ist für unsere Kommunikationspartner oft schon eine wichtige Information darüber, welche Bedeutung wir einer Angelegenheit beimessen und welche Intention wir verfolgen.
  4. Eng damit verknüpft ist die Appell-Ebene. Beim Kommunizieren mit anderen Menschen wollen wir eigentlich stets etwas erreichen. Das muss nicht immer ein bestimmtes Handeln sein. Häufig ist unser Ziel oder unausgesprochener Wunsch auch, dass unser Gesprächspartner unserer Meinung zustimmt oder uns sympathisch findet. Deshalb fragen sich die Empfänger einer Botschaft stets auch: Was soll ich denken, fühlen oder tun? Und hierauf reagieren sie.

Die vier Ebenen der Kommunikation

Gefragt sind sensible Kommunikatoren

Insbesondere Führungskräfte und Projektleiter müssen sehr sensible Kommunikatoren sein – aufgrund ihrer Schlüsselfunktion in der Organisation. Sie brauchen ein feines Gespür dafür:

  • Welche Botschaften sende ich aufgrund meines Verhaltens, meiner Worte, meines Auftretens usw. aus?
  • Und: Wie werden diese von meinen Gesprächspartnern interpretiert?

Sie müssen zudem die Kommunikation mit Menschen so gestalten können, dass sie die gewünschte Wirkung erzielen. Das setzt voraus, dass die Kommunikation in einem angemessenen Rahmen erfolgt und die Führungskräfte sich hierfür ausreichend Zeit nehmen. Bei wichtigen Themen sollen sie ihre Mitarbeiter nicht nur über den Sachverhalt informieren, sondern sich auch vergewissern:

  • Kam meine Botschaft an?
  • Wurde sie verstanden?
  • Und: Ist den Mitarbeitern klar, was diese für sie, ihre Arbeit, für das Unternehmen bedeutet?

Auch dieses Sich-Vergewissern erfordert Sensibilität. Denn eine Rückfrage wie: „Haben Sie mich verstanden?“, kann unterschiedlich verstanden werden – zum Beispiel

  • als reine Infofrage, ob die Botschaft ankam (Sachebene),
  • aber auch als Ausdruck eines mangelnden Vertrauens in die Kompetenz des Empfängers (Beziehungsebene).

Deshalb sollten solche Rückfragen nicht als „Du-Botschaften“ („Haben Sie mich verstanden?“), sondern als „Ich-Botschaften“ formuliert werden: „Habe ich mich so ausgedrückt, dass meine Aussagen verständlich waren?“ Das beugt Irritationen und Konflikten vor.

Mehr Kanäle und mehr offene Fragen

Das Thema Kommunikation bzw. die Frage: „Wie informieren wir einander und wie kommunizieren wir miteinander?“, ist aktuell in den Unternehmen hochbrisant. Unter anderem aus folgenden Gründen:

  • Aufgrund der zunehmend praktizierten Team- und Projektarbeit in den Unternehmen müssen deren Mitarbeiter heute viel abteilungs- und oft auch standort- und hierarchieübergreifender agieren als in der Vergangenheit. Sie müssen also verstärkt mit Personen kooperieren, die ihren Arbeitsplatz nicht im selben oder benachbarten Büroraum haben und die sie aufgrund der räumlichen Distanz selten sehen.
  • Die wechselseitige Information und Kommunikation erfolgt zunehmend mit Hilfe der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie.

Hierin schlummern Gefahren. Denn bei der elektronischen Information und Kommunikation gehen viele Infos verloren, die beim persönlichen Gespräch unter vier oder mehr Augen mitvermittelt werden. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass Botschaften nicht oder falsch ankommen. Zudem kann der Sender, weil er den Empfänger und seine Reaktion nicht sieht, schwieriger einschätzen, ob die Botschaft ankam, ob sie angemessen interpretiert wurde und welches Empfinden und Verhalten sie auslöst.

Deshalb müssen die Verantwortlichen in den Unternehmen die tradierten Informations- und Kommunikationsregeln überdenken. Sie müssen sich fragen:

  • An welchen Maximen sollte sich unser Informations- und Kommunikationsverhalten im digitalen Zeitalter orientieren, damit wir weiterhin die gewünschte Wirkung erzielen?
  • Was kommunizieren wir zum Beispiel per Mail und wann suchen wir das persönliche Gespräch – sei es per Telefon, Skype oder unter vier Augen?
  • Welche Verhaltensregeln sollen für unsere Kommunikation per Mail oder mittels der Social Media gelten?

Diesbezüglich besteht in vielen Unternehmen aktuell ein hoher Klärungs- und Abstimmungsbedarf – weil sich in ihnen außer den Arbeitsstrukturen und -beziehungen auch die Informations- und Kommunikationsstrukturen rasant verändern.

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