2019/4 | Fachbeitrag | Leadership 2.0

Digitaler Wandel: Wie Agilität das Management revolutioniert

von Marco Englert, Christian Zambaccian

Inhaltsübersicht:

Software bestimmt heute die Wirtschaft und kaum ein Lebensbereich bleibt davon unberührt. Kein Unternehmen kann es sich leisten, seine Produkte, Services und Geschäftsmodelle nicht auf digitale Potenziale zu prüfen und gegebenenfalls neu auszurichten. Agile Managementansätze hatten ihren Ursprung in der Softwareentwicklung – mittlerweile ist aber jedes Unternehmen von digitalen Anwendungen durchdrungen. Hardware-Produkte, zum Beispiel Fertigungsmaschinen, bestehen manchmal zur Hälfte aus Embedded Software. Dieser fundamentale Sprung verändert mittel- bis langfristig zwei essentielle Konstituenten einer Organisation: die Struktur und die Kultur. Die nachhaltigen Ideen, welche in agilen Managementframeworks bereits angelegt waren und zunächst nur auf Teamebene im Software Engineering angewendet wurden, wachsen nun in die Organisationen hinein und verändern sie radikal – und nachhaltig.

Für Unternehmen bedeutet der digitale Wandel neuer Wettbewerb um Innovation und erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle – darüber hinaus aber vor allem Wettbewerb um das Vertrauen von Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit. Mit einer nachhaltigen digitalen Unternehmenspolitik können Unternehmen das Vertrauen ihrer Stakeholder gewinnen, strategische Wettbewerbsvorteile erzielen und eine einzigartige Marktposition erreichen. Die Generierung eines sogenannten „Shared Value“ digitalen Wirtschaftens für Gesellschaft und Unternehmen ist das Ziel von Corporate Digital Responsibility (CDR) im Rahmen eines nachhaltigen Managements. Das bedeutet die Nutzung der Chancen und Minderung der negativen Effekte. Denn nur wenn dadurch ein gesellschaftlicher Wert durch Digitaltechnologien und Vernetzung entsteht, kann eine entsprechende Wertschöpfung in Unternehmen erfolgen.

Agilität als Erfolgsfaktor – für Unternehmen und Mitarbeiter

Es geht um die Zukunft von Organisationen, die agile New Work-Initiativen sichern sollen. Die technologischen Fortschritte verändern einerseits permanent die technischen Arbeitsbereiche und andererseits wächst die Bedeutung technologischer Lösungen. Unternehmen müssen sich künftig agiler zeigen, um auf die sich in immer kürzeren Abständen verändernden Bedingungen optimal reagieren zu können. Das betrifft vor allem auch die Arbeitswelt, in der individuelle Arbeits- und Lebenskonzepte im Sinne eines ganzheitlichen Life Balance Managements gefordert und im Zuge der Digitalisierung auch möglich werden. Startups agieren dabei leichter, da sie in vielen Fällen auf disruptiven Geschäftsmodellen basieren. Auch wenn sich der Mittelstand im Vergleich dazu schon deutlich langsamer bewegt und für Konzerne mit ihren komplexen Strukturen die Hürden noch höher liegen, ist diese Veränderung unumgänglich, wird doch schon heute von Mitarbeitern eine hohe Flexibilität erwartet.

Es ist zu beachten, dass die über Bereichsgrenzen hinausgehenden Arbeiten permanent zunehmen, Organisationen sich dem anpassen können und entsprechend des Bedarfs immer wieder neu aufstellen müssen. Damit werden die eingefahrenen und vor allem in etablierten Unternehmen vielstufigen Hierarchien zum Auslaufmodell. Sie können sich längst nicht so dynamisch bewegen, wie es im Zuge von New Work notwendig wäre.

Die Unternehmensführung ist daher gefragt und muss New Work bzw. Agilität nachhaltig als neue Unternehmenskultur etablieren. Damit Führungskräfte das leisten können, brauchen sie aber selbst zunächst eine klare Vision für das Unternehmen und ein Verständnis dafür, wie der Weg dorthin aussieht. Denn meistens ist das Thema New Work für die Führungsebene genauso neu und verunsichernd wie für die restliche Belegschaft. Für alle Beteiligte gilt daher, dass New Work zu mehr Freiheit, mehr Zufriedenheit und mehr Erfolg führen kann, wofür aber individuelle beziehungsweise maßgeschneiderte Lösungen notwendig sind. New Work ist ein agiles und nachhaltiges Mindset, mit dem ein erweiterter neuer Werkzeugkasten verantwortungsvoll genutzt werden sollte. Welche der Tools genutzt und wie sie kombiniert werden, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden und den Weg in die neue Arbeitswelt 4.0 mit seinen Führungskräften und Mitarbeitenden gemeinsam gestalten – auf einer stabilen Basis aus inspirierender Führung, Vertrauenskultur und ausgeprägten Kompetenzen.

Nachhaltige Digitalisierung: Nachhaltigkeit durch Agiles Management erhöhen

Viele Manager haben gedacht, dass Scrum und Agiles Management nur eine etwas andere Arbeitsweise darstellt, die nur in der Softwareentwicklung angewendet wird. Aber nun greift es um sich, das „Gegengift zum Shareholder Value Konzept“ wie Denning es nennt, welcher den Blick des Managements völlig von den Kunden, über die Mitarbeiter mit ihrem innovativen Potenzial, schlussendlich zur einer gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung gelenkt hat.

Agile Leadership ermöglicht eine nachhaltige Digitalisierung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und neben den ökonomischen auch die ökologischen und sozialen Aspekte beachtet. Das Agile Manifest enthält „Nachhaltigkeitsaspekte“, welche agile Arbeitsweisen und Managementframeworks ausmachen. Im Kern sind es folgende vier Aspekte, welche die Wirtschafts- und Arbeitswelt nachhaltig revolutionieren:

  1. Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen.
  2. Das Reagieren auf Veränderungen steht über dem Befolgen eines Plans.
  3. Funktionierende Software steht über umfangreicher Dokumentation.
  4. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Verhandlung von Verträgen.

Wir erleben in dieser Hinsicht bereits jetzt einen Sinneswandel bei vielen Unternehmenslenkern und eine neue Generation, welche anders arbeiten und wirksam sein möchte. Wenn der agile Wandel und die digitale Transformation anhalten und sich somit das agile Mindset verfestigt, wird der Aufstieg des „Stakeholder Value“ wohl unausweichlich sein: das Verantwortungsgefühl von Unternehmen gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Partnern, Lieferanten, Bürgern und Umwelt als Leitlinie eines nachhaltigen Handelns. Aber selbst wenn vom agilen Manifest lediglich der Gedanke weiterleben wird, dass in Organisationen Menschen und ihr achtsamer und wertschätzender Umgang miteinander in jeder Beziehung das Wichtigste darstellt, hat es sich seinen Platz unter den nachhaltigsten Ideen des 21. Jahrhunderts verdient.

Digitalisierung im Vertrieb: Moderne E-Commerce-Systeme müssen agil werden

Die Digitalisierung ist eine der bedeutendsten Entwicklungen des 21. Jahrhunderts und ist nichts anderes als eine große Transformation beziehungsweise ein fortlaufender Veränderungsprozess der gesamten Gesellschaft und Wirtschaft, d.h. der Übergang von der heutigen sogenannten „Alten Welt“ in eine digitale „Neue Welt“.

Die Auswirkungen der Digitalisierung beschränken sich somit nicht auf die Optimierung einzelner Prozesse, sondern dringen in alle Bereiche ein, z.B. Organisation, Unternehmenskultur, Personalführung, Marketing und Kommunikation. Vor allem die Digitalisierung des Vertriebs bietet für Unternehmen sehr große Chancen und einen optimalen Einstieg in die digitale Transformation. Der E-Commerce ist daher ein wichtiger Treiber und Erfolgsfaktor der Digitalisierung und kann somit das Herzstück des Unternehmens bilden. Er und die damit verbundene Digitalisierung sorgen dafür, dass verschiedene Unternehmensbereiche, wie zum Beispiel Marketing, Vertrieb, Logistik, Kundenservice, Buchhaltung oder Entwicklung, enger vernetzt werden.

Hier ist der ganzheitliche Gedanke von zentraler Bedeutung. Denn anstelle von monolithischen Systemen sind agile Systeme, einheitliche Schnittstellen und homogene Datenstrukturen nötig, welche einen Daten-Austausch ermöglichen. All dies ist mit einem modernen E-Commerce-System möglich.

Wenn ein Unternehmen den digitalen Vertrieb beziehungsweise E-Commerce intensiv lebt und in seine DNA aufnimmt, werden zwangsläufig veraltete und langsame Prozesse eliminiert und durch digitale ersetzt. Es tritt wie von alleine ein digitaler Wandel ein. Dieser ist aber nur möglich, wenn verschiedene Systeme über einen zentralen Knotenpunkt – der E-Commerce-Plattform – miteinander vernetzt sind. Denn nur so können Daten in alle Richtungen ausgetauscht werden. Und Daten stellen bekanntermaßen das Öl der Digitalisierung dar.

Das folgende Beispiel stellt eine exemplarische System-Infrastruktur dar: Die Information über Produkte und Services, welche Kunden online kaufen können, stammen aus einem ERP-System (Enterprise-Resource-Planning System) und einem PIM-System (Product Information Management System), die an eine E-Commerce-Plattform angebunden sind. Dazu kommt noch ein CRM-System (Customer Relationship Management System) mit Marketing-, Sales- und Service-Hub, damit das Marketing-Team und der Support die Kunden optimal betreuen können. Der Bezahlprozess kann über einen Payment Service Provider (PSP) abgewickelt und die Daten ins ERP übertragen werden. Der Kreislauf schließt sich.

Quellen

  • Englert, M. (2019). Digitalisierung als evolutionärer Erfolgsfaktor für ein exzellentes Management in Ternès, A. (Hrsg.); Englert, M. (Hrsg.). Digitale Unternehmensführung: Kommunikationsstrategien für ein exzellentes Management. Berlin: Springer Gabler Verlag
  • Englert, M. (2019). Potenzial des Sustainable Management im 21. Jahrhundert in Ternès, A. (Hrsg.); Englert, M. (Hrsg.). Nachhaltiges Management: Nachhaltigkeit als exzellenten Managementansatz entwickeln. Berlin: Springer Gabler Verlag
  • Gloger, B. (2019). Agile Inception – ein Gedanke revolutioniert die Wirtschaft nachhaltig in Ternès, A. (Hrsg.); Englert, M. (Hrsg.). Nachhaltiges Management: Nachhaltigkeit als exzellenten Managementansatz entwickeln. Berlin: Springer Gabler Verlag
  • Pföhler, J. (2019). Agiles Nachhaltigkeitsmanagement: Ein gangbarer Weg für kleine und mittlere Unternehmen in Ternès, A. (Hrsg.); Englert, M. (Hrsg.). Nachhaltiges Management: Nachhaltigkeit als exzellenten Managementansatz entwickeln. Berlin: Springer Gabler Verlag

 

 

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