1999/12 | Fachbeitrag | Computer Based Training (CBT)

Aufbruch in neue Lernwelten?

von Christine Fackiner

 

Von Christine

Fackiner

 

Inhaltsübersicht:

 

 


Geht es um das Thema Web Based Training (WBT) oder Online-Lernen,

so vermittelt dessen Metaphorik eine gewaltige Aufbruchsstimmung:

Neue Wissens- und Lernwelten werden entdeckt; das Online-Lern-Einstiegsprojekt

der Deutschen Bank hieß z.B. Columbus – ganz gleich,

ob dabei der alte Spanier oder eine amerikanische Raumfähre

Pate stand, in beiden Fällen bricht man auf in neue Welten

– neue Lernwelten natürlich. Ist da was dran, oder ist

WBT bloß ein neuer Name für das altbekannte Computer

Based Training (CBT), das sich ohne neue Verpackung nicht mehr gut

verkaufen lässt?

 

 

 

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CBT und WBT

 

 

Computer Based

Training ist die Bezeichnung für eine Lehr- und Lernmethode,

bei der ein Lernender oder auch mehrere Lernende gemeinsam ein computergestütztes

Trainingsprogramm bearbeiten. CBT-Programme können sehr unterschiedlich

strukturiert sein: Die Palette reicht von Programmen, in denen schrittweise

Inhalte präsentiert und in Übungen angewandt werden, über

Testprogramme bis hin zu komplexen Simulationsprogrammen. CBT-Programme

werden meist auf CD-ROM distribuiert.

 

 

Was ist nun

im Unterschied dazu Web Based Training, auch netzbasiertes oder

Online-Lernen genannt? Dieser Begriff wird bisher nicht einheitlich

genutzt. Teilweise werden als WBTs herkömmliche CBT-Programme

bezeichnet, die statt auf einer CD-ROM nun im Internet oder im firmeneigenen

Intranet verteilt werden. Ginge es jedoch nur um einen neuen Weg,

auf dem Lernmodule zu ihren Anwendern kommen, wäre dies zwar

ein durchaus wichtiger Beitrag zur Lösung manch eines organisatorischen

Problems, aber die Entdecker-Metaphorik wäre fehl am Platz;

neue Lernwelten werden so nicht erobert.

 

 

 

Netzbasiertes

Lernen kann aber viel mehr sein, und erst da wird es auch didaktisch

spannend. WBT ist dann etwas Neues, wenn nicht nur ein einzelnes

WBT-Lernmodul im Blick ist, das seine Anwender online erreicht,

sondern wenn es als System verstanden wird, als eine Lernplattform,

auf der vielfältige Kommunikations- und Informationskanäle

zur Verfügung stehen.

 

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Offene

Lernwelt

 

 

Lernen am Computer

wird auf solchen Plattformen zum Lernen in einer offenen Lernwelt.

 

 

Zum einen ist

die Lernwelt offen durch Kommunikation. Im Unterschied zum Lernen

an einem nicht vernetzten Computer kann über eine WBT-Lernplattform

nämlich kommuniziert werden: Vertiefende Fragen zu einem Lernprogramm

oder zu einem praktischen Problem am Arbeitsplatz kann ein Online-Tutor,

ein Experte oder ein Kollegen per E-Mail beantworten. Sollte das

Thema viele interessieren, kann diese Frage in einem öffentlichen

Bereich als Frequently Asked Question (FAQ) abgelegt oder in einem

Forum diskutiert werden. Und zu ganz aktuellen Fragen lässt

sich auch eine Online-Konferenz per Chat, über Audio- oder

gar über Videoconferencing organisieren.

 

 

 

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Vielfältige Informationsquellen

 

 

Offen ist die

Lernwelt auch inhaltlich: Lernen an einem vernetzten Computer beschränkt

sich nicht mehr auf die Bearbeitung von statischen Programmen, die

ein Autor irgenwann einmal vorkonzipiert hat. Denn im Netz können

beliebige Informationsquellen – firmeninterne oder externe

– genutzt werden.

 

 

Der Autor eines

Lernprogramms hat dann nicht weniger Arbeit, sondern eine zusätzliche:

Nach wie vor wird er Lerninhalte didaktisch als Lernmodule aufbereiten.

Durch solche Lernmodule lassen sich gut Themen vermitteln, die nicht

täglich aktualisierungsbedüftig sind. Zusätzlich

wird sich der Autor aber überlegen, welche Adressen im Internet

oder im Intranet der Firma aktuelle oder besonders interessante

Informationen zum Thema bieten. So wird er beispielsweise den grundsätzlichen

Unterschied zwischen Rente und Aktie nach wie vor in einem Lernmodul

erklären. Für Informationen über aktuelle Trends

wird er aber besser Links auf ausgewählte Internet-Seiten von

Banken oder Institutionen anbieten.

 

 

 

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Didaktisches Neuland?

 

 

Bei der didaktischen

Begutachtung von Computer Based Training wird zu Recht auf die Grenzen

dieses Lernmediums hingewiesen: Mit CBT allein lassen sich z.B.

keine diskussionsbedürftigen Themen vermitteln; Lernziele im

Bereich der kommunikativen und sozialen Kompetenz sind ebenfalls

nicht allein durch CBT zu erreichen.

 

 

Mit Web Based

Training haben sich diese Grenzen ein ganzes Stück weit verschoben:

Denn Lernen am Computer kann auf einer WBT-Lernplattform viel mehr

sein als die individuelle Auseinandersetzung mit einer Lernkonserve.

Eingebettet in virtuelle Gruppenarbeit sind auch diskussionsbedürftige

Themen für den Computer kein Tabu mehr. Und was die kommunikativen

und sozialen Kompetenzen betrifft: Es gibt wohl kaum eine bessere

Möglichkeit, Kompetenzen in der zunehmend wichtiger werdenden

Online-Kommunikation und für die Arbeit in virtuellen Gruppen

zu erwerben als durch Online-Lernen.

 

 

 

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Übergang zum Lernenden Unternehmen

 

 

Mit der Einführung

von WBT-Lernplattformen scheint auch das Lernende Unternehmen einen

Schritt voranzukommen. Zwar sind die meisten Plattformen erst im

Stadium von Pilotprojekten, aber die Konzepte sind vielversprechend:

Auf einigen dieser Plattformen wird auch der Aufbau firmeninterner

Wissenspools organisiert. Diese Pools sollen durch Informationsinput

von Experten entstehen, aber vor allem auch durch die Eingabe des

Praxiswissens der Mitarbeiter. Ziel ist es, so die gesammelten Erfahrungen

aus der täglichen Arbeitspraxis dem gesamten Unternehmen verfügbar

zu machen.

 

 

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Virtuelle Gruppen

 

 

 

In diversen

Pilotprojekten hat sich ein zusätzliches Phänomen gezeigt:

Der Einsatz von WBT-Lernplattformen förderte den spontanen

Austausch der Lernenden untereinander. In einigen Fällen sind

dadurch Lerngruppen entstanden, die über den aktuellen Lernanlass

hinaus bis hin in die Arbeitspraxis Bestand hatten.

 

 

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Herausforderung für die Bildungskonzeptionisten

 

 

Selbstgesteuertes

Lernen, Wissenspools oder virtuelle Gruppen funktionieren jedoch

nicht von selbst. Es reicht nicht, eine Plattform für das Lernen

im Netz bereit zu stellen, die diese Prozesse technisch ermöglicht.

Hier sind die Bildungsplaner gefordert, denn Selbstlernprozesse

und das Lernen voneinander müssen initiiert werden. Die Lernenden

müssen auf das Lernen mit neuen Medien vorbereitet werden und

sie müssen auch beim Lernen betreut sein.

 

 

 

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Integration in ein Gesamtkonzept

 

 

Wichtig ist

mehr denn je die Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Aus-

und Weiterbildung, in dem das medienunterstützte Lernen und

Kommunizieren immer nur ein – wenn auch wichtiger werdender

– Baustein bleiben wird. Durch die WBT-Lernplattformen werden

weder Computer-Lernprogramme überflüssig, die online verteilt

WBT-Lernmodule heißen, noch Präsenzveranstaltungen.

 

 

 

So dienen Lernmodule

beispielsweise optimal dazu, sich allein zunächst Grundlagen

zu erarbeiten. Aufsetzend auf einem so vorbereiteten homogenen Wissensstand

der Teilnehmer können dann in Präsenzveranstaltungen Übungen

an Geräten durchgeführt oder Fallbeispiele im Team bearbeitet

werden. Im Anschluss an die Präsenzveranstaltungen ist es durch

Online-Kommunikation möglich, dass die Lerngruppe untereinander

und mit ihrem Tutor in Kontakt bleibt, selbst wenn die Teilnehmer

an unterschiedlichen Orten wohnen. Die oft geforderte Verzahnung

von Lernen und Arbeiten lässt sich auf diese Weise einfacher

organisieren.

 

 

Wie eine solche

Konzeption im Detail aussieht, welche Rolle die verschiedenen Medien

dabei spielen, wie Präsenzveranstaltungen oder Online-Kommunikation

realisiert werden: Dies ist letztendlich für jede Zielgruppe

individuell zu bestimmen.

 

 

 

 

Fazit

 

 

Durch WBT wird

die Lernwelt vielfältiger. Die bisherigen Lernmethoden werden

deshalb keineswegs überflüssig, denn eine Online-Kommunikation

ersetzt natürlich nicht den Live-Kontakt. Aber der ist weder

immer gewünscht noch immer möglich. WBT sollte also vor

allem als Zusatzangebot für Lern-, Informations- und Kommunikationsprozesse

verstanden werden, die sonst oft gar nicht stattgefunden hätten.

 

 

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