2001/8 | Fachbeitrag | Wissensorganisation

Wissensorganisation – die vierte Dimension

von Klaus North

 

Von Klaus

 

 

North

 

 

 

 

Logo GfWMViele Unternehmen haben inzwischen gute

 

 

Fortschritte mit einzelnen Initiativen zum Wissensmanagement erzielt.

 

 

Initiativen kommen jedoch zunehmend ins Stocken. Eine Vernetzung

 

 

der Ansätze, Wissen in Fachabteilungen, Projekten und Geschäftsprozessen

 

 

systematisch aufzubereiten und zu teilen, wohl gar über Grenzen

 

 

von Organisationseinheiten hinweg, gelingt nicht im gewünschten

 

 

Umfang.

 

 

 

 

Warum kommen Unternehmen hier nicht weiter? "Werte und Kultur

 

 

hemmen", wird schnell argumentiert. Dies mag zutreffen. Aus

 

 

vielen Gesprächen in Unternehmen scheint mir aber ein tiefer

 

 

liegender Grund für die Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer

 

 

wissensorientierten Unternehmensführung ausschlaggebend: Das

 

 

Organisationsverständnis. Meine These lautet: Unternehmen fehlt

 

 

eine vierte organisatorische Dimension – die Wissensorganisation

 

 

– komplementär zu hierarchischer/funktionaler Organisation

 

 

(1. Dimension), Prozessorganisation (2. Dimension) und Projektorganisation

 

 

(3. Dimension). Alle drei genannten Dimensionen sind schlecht dafür

 

 

gerüstet, Wissen mit einer über die kurzfristigen Geschäftsbedürfnisse

 

 

hinausgehenden Perspektive systematisch zu nutzen und zu generieren

 

 

sowie Grenzen der Organisationseinheiten zu überschreiten.

 

 

 

 

Die hierarchische Organisation stellt im Allgemeinen funktionale

 

 

Organisationseinheiten nebeneinander (gegebenenfalls sind "Produkt"

 

 

oder "Region" weitere Strukturierungselemente) , die jeweils

 

 

eigene Identitäten, eigene Fachsprachen und ein eigenes Problemlösungsverhalten

 

 

haben. Marketing-Menschen denken beispielsweise anders als Forscher

 

 

und Entwickler oder Produktionsmitarbeiter. Die Lösung von

 

 

Kundenproblemen wird deshalb zu einem komplexen Verständigungs-

 

 

und Übersetzungsprozess, Wissen wird in den Funktionsbereichen

 

 

gehortet.

 

 

 

 

Die Prozessorganisation bündelt Wissen orientiert am Kunden.

 

 

So gut aber Wissen entlang der Prozesskette transportiert und weiterentwickelt

 

 

wird, so schlecht gelingt der Wissenstransfer zwischen Prozessen.

 

 

Sind Prozesse die Kettfäden eines Gewebes, so fallen sie auseinander,

 

 

wenn sie nicht durch den Schussfaden des Wissenstransfers und Lernens

 

 

verwoben werden. Prozesse stehen zwar für Stabilität bzw.

 

 

inkrementale Verbesserung, jedoch die Fähigkeit zur Infragestellung

 

 

des Handelns und zur Erneuerung fehlt der Prozessorganisation weitgehend.

 

 

Daher haben Unternehmen eine dritte Dimension zur Bündelung

 

 

von Wissen hinzugefügt: Die Projektorganisation hat zum Ziel,

 

 

Wissen orientiert an einem Projektziel auf Zeit zusammenzubringen,

 

 

um neue Problemlösungen zu erarbeiten. Projekte haben jedoch

 

 

keine Kontinuität und sind nur bedingt in der Lage, Erfahrungen

 

 

systematisch aufzuarbeiten, projektübergreifend zu reflektieren

 

 

und über Projektgenerationen nutzbar zu machen.

 

 

 

 

Alle drei Dimensionen sind also schlecht gerüstet, Wissen

 

 

über die kurzfristigen lokalen Verwertungsinteressen einzelner

 

 

Organisationseinheiten hinweg zu reflektieren, zu nutzen und zu

 

 

generieren. Wir benötigen ein vierte Dimension. Die Wissensorganisation

 

 

schafft gemeinsame Kontexte, ermöglicht fachübergreifend

 

 

Verständigung durch die Bildung einer gemeinsamen Sprache,

 

 

fördert die kompatible Problemlösungsfähigkeit, gestaltet

 

 

Raum für Interaktionen von Menschen und fördert eine physische

 

 

und technologische Infrastruktur, Medien zur Repräsentation

 

 

und Kommunikation von Wissen sowie übergreifende Lernprozesse.

 

 

 

 

Wissensorientierte Unternehmensführung kann nur erfolgreich

 

 

sein, wenn sich Unternehmen bewusst werden, dass eine vierte organisatorische

 

 

Dimension – die Wissensorganisation – aufzubauen ist,

 

 

die die bestehenden Dimensionen ergänzt. Hierfür sind

 

 

entsprechend Ressourcen vorzusehen. Die Hoffnung, Wissensmanagement

 

 

könne in den bestehenden Dimensionen "mal so nebenbei"

 

 

erledigt werden, erweist sich als Fehlschluss.

 

 

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