2002/1 | Fachbeitrag |
Wissensmanagement in Klein- und Mittelbetrieben
Von Laura Lamieri
und Klaus North
Inhaltsübersicht:
- Verschiedene Typen von Klein- und Mittelbetrieben
- Familientradition
- Technisches Spezialwissen und Erfahrung
- Fertigung nach Kundenvorgaben
- Projektwissen und Innovationsfähigkeit
- Kundenbetreuung als entscheidender Wettbewerbsfaktor
- Fazit
Vorreiter im Wissensmanagement waren
große Konzerne und Beratungsfirmen. Nun entdecken immer mehr
Mittelständler das Thema für sich und dies zu Recht.
Aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks haben viele Mittelständler
erkannt, dass auch ihre Zukunft zunehmend davon abhängen wird,
wie effizient sie ihr Unternehmenswissen nutzen und entwickeln [1].
Wissensmanagement ist ohne Zweifel ein brisantes Thema für
Klein- und Mittelunternehmen (KMU):
- Aufgrund ihrer oft starken Spezialisierung ist es für sie essenziell, ihren Kompetenzvorsprung im Wettbewerb zu halten.
- Gerade KMU sehen sich aufgrund ihrer geringen Größe besonders stark vor dem Problem der Informationsüberflutung: Die sach- und zielgerechte Aufbereitung der einströmenden Informationen und die ständige Akquirierung, Speicherung und Aktualisierung von Unternehmenswissen ist zu bewältigen.
- Gerade in kleinen Unternehmen wird kurzfristig geplant und wenig dokumentiert.
- Allgemein sind KMU stärker von den Kenntnissen und Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter abhängig als Großunternehmen. Wertvolle Erfahrungen, Fachkenntnisse und Kundenwissen sind oft in den Köpfen von wenigen Experten verankert – was gefährlich werden kann, wenn diese das Unternehmen verlassen, ohne ihr Wissen weiterzugeben.
Wissensmanagement in Klein- und Mittelbetrieben ist an sich nichts
Neues. Oftmals werden schon bestimmte Methoden zur Bewirtschaftung
des Wissens genutzt, ohne dass sie offiziell als Wissensmanagement
deklariert worden sind. Bis jetzt mangelt es aber noch an systematischen
Ansätzen und Handlungsschritten zur Implementierung einer Wissensorganisation.
Wissensmanagement in KMU ist nicht leichter als in Großunternehmen,
es ist lediglich anders fokussiert: Während in Großunternehmen
das Identifizieren und (Ver-)Teilen des Wissens problematisch ist,
haben KMU eher Schwierigkeiten mit der Gewinnung und Bewertung neuen
Wissens [2]. Gleichzeitig herrschen in Klein-
und Mittelbetrieben schon im Vorfeld gute Bedingungen für Wissensmanagement:
Der Betrieb ist im Allgemeinen überschaubar. Der Informationsaustausch
ist zügiger aufgrund direkter, oft informeller Kommunikationswege
und persönlicher Kontakte. Oftmals ist auch schon eine starke
Tradition der Wissensweitergabe vorhanden, wie z.B. in Handwerksbetrieben.
Kurz gefasst:
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Verschiedene Typen von Klein- und Mittelbetrieben
Klein- und Mittelunternehmen präsentieren sich in den verschiedenartigsten
Erscheinungsformen vom traditionellen Handwerksbetrieb mit
weniger als zehn Beschäftigten bis zum innovativen Internet-Unternehmen
mit 500 Beschäftigten und mehreren Standorten. All diese Unternehmen
sind den Klein- und Mittelbetrieben zuzuordnen. Es ist einleuchtend,
dass diese unterschiedlichen Arten von Unternehmen mit verschiedenen
Wissensproblemen zu kämpfen haben und demnach auch ganz unterschiedliche
Anforderungen an ein Wissensmanagement-Konzept stellen [3].
Familientradition
KMU agieren in einem konservativen Umfeld mit niedrigem Innovationsgrad,
wie z.B. traditionelle Handwerksbetriebe. Meist zeichnen sich diese
Unternehmen durch die langjährige Führung durch ein Familienmitglied
aus. Relevantes Wissen ist hier besonders Erfahrungswissen in Form
von implizitem Handlungswissen.
Wissensprobleme sind beim Generationswechsel oder der Unternehmernachfolge
zu verzeichnen. Wie kann man diesen Problemen entgegenwirken? Modelle
wie die gleitende Übergabe, das Coaching von Mitarbeitern durch
erfahrene Kollegen oder die Bindung der ausgeschiedenen Mitarbeiter
an den Betrieb als Berater oder Trainer können hier Abhilfe
schaffen. Vielfach ist entscheidend, das Beziehungwissen "des
Alten" weiter zu nutzen.
Unternehmenstyp: |
Wissensprobleme:
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Instrument/Methoden des WM:
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Technisches Spezialwissen und Erfahrung
Solche Unternehmen in reifen Märkten mit großem technischen
Know-how finden wir in traditionellen Branchen wie dem Maschinenbau
oder der Elektrotechnik. Kumulative Innovation, bei der kontinuierlich
Prozesse und Produkte verbessert werden, kennzeichnen diese Unternehmen.
Forschung und Entwicklung erlangen eine steigende Bedeutung. Neben
technisch-handwerklich ausgebildeten Mitarbeitern finden sich in
diesen Unternehmen auch vermehrt Akademiker, insbesondere Ingenieure.
Alle Mitarbeiter verfügen über ein umfangreiches technisches
Spezialwissen in verschiedenen Bereichen. Die Bedeutung dieses technischen
Spezialwissens ist sehr hoch und seine schnelle und effiziente Anwendung
entscheidend. Dieses Wissen ist in der Regel an wenige Mitarbeiter
gebunden.
Probleme treten auf, wenn die Spezialkenntnisse unzureichend gesichert
werden. Außerdem wird die Beherrschung von komplexen Informations-
und Kommunikationstechnologien, z.B. in Form von CAD (Computer Aided
Design), wettbewerbsentscheidend. Hierbei kann das Problem auftreten,
dass nicht genügend Mitarbeiter das nötige Know-how haben,
um mit den neuen Technologien im Betriebsalltag umgehen zu können.
Als Beispiel für diesen Unternehmenstyp kann ein Unternehmen
der metallverarbeitenden Industrie genannt werden, das mit 650 Mitarbeitern
Ketten, Steuertriebe und Antriebssysteme produziert [4].
Die Produktion ist sehr variantenreich und die Fertigungsprozesse
weisen eine hohe Komplexität auf. Dieses Unternehmen sah sich
folgenden Wissensproblemen gegenüber:
- Spezialwissen ist häufig an langjährige Mitarbeiter gebunden.
- Produktzeichnungen und Konstruktionen sind in unterschiedlichen Medien (meist CAD-Programmen) vorhanden und dezentral abgelegt, sodass das Unternehmenswissen nur sehr lokal verfügbar ist.
Doppelarbeit war die Folge. Wie wurden diese Probleme gelöst?
Eine einheitliche Software-Unterstützung als Basis für
die Speicherung und den Zugriff auf die Wissensinhalte wurde eingeführt.
Auf diese Weise konnten die Entwicklungs- und Auftragsabwicklungsprozesse
optimiert werden und wurde die Kostenstruktur transparenter. Außerdem
wurden Anforderungsprofile der Mitarbeiter erstellt und eine Bildungsbedarfsanalyse
als Grundlage für eine gezielte Weiterbildung vorgenommen.
Zur Sicherung der Kommunikation zwischen den Verantwortlichen verschiedener
Aufgabenbereiche wurden regelmäßige Besprechungsrunden
eingeführt.
Unternehmenstyp: |
Wissensprobleme:
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Instrument/Methoden des WM:
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Fertigung nach Kundenvorgaben
Lohn- oder Teilefertiger, die vielfach als Unterlieferanten in
Zuliefernetzwerke eingebunden sind, zeichnen sich durch eine Geschäftsprozessorientierung
aus. Unternehmen dieser Art besitzen keine eigene Produktforschung
und -entwicklung, sondern richten sich nach den Vorgaben der Kunden.
Die Mitarbeiter verfügen meist über eine handwerkliche
Ausbildung. Informationstechnologie wird lediglich im administrativen
Bereich genutzt. Die zuverlässige und termingerechte Erfüllung
von Aufträgen hat höchste Priorität, es darf deshalb
zu keinen Verzögerungen oder Maschinenausfällen kommen.
Das relevante Wissen bezieht sich demnach fast vollständig
auf Kenntnisse über Produktionsanlagen und -prozesse, Wartung,
Instandhaltung und Rüsten. Die Optimierung der Fertigungsprozesse
ist von größter Wichtigkeit. Ist das benötigte Wissen
nicht oder nur unzureichend vorhanden, kann es zu erhöhten
Reparatur- und Instandhaltungskosten, Ausschussraten und Durchlaufzeiten
kommen.
Mit diesen Problemen hatte zum Beispiel ein Maschinen- und Gerätebau-Unternehmen
zu kämpfen, das mit 160 Mitarbeitern unter anderem Baugruppen
nach Kundenvorgaben fertigt [4]. Aufgrund unsystematischer
Instandhaltung der Produktionsanlagen kam es zu Maschinenausfällen
und Kostenerhöhungen. Eine Lösung war hier die Dokumentation
und Sicherung des entsprechenden Wissens in einer Wartungsdatenbank.
Diese beinhaltet u.a. eine Maschinendatenbank, Betriebsstoffdatenbank,
Ersatzteildatenbank sowie Wartungspläne. Auf diese Weise kann
die Instandhaltung organisiert und bedarfsgerecht durchgeführt
werden.
Unternehmenstyp: |
Wissensprobleme:
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Instrument/Methoden des WM:
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Projektwissen und Innovationsfähigkeit
Eine Gruppe von KMU kann als schnell wachsende Unternehmen in einem
sich rasch wandelnden Umfeld bezeichnet werden. Hier seien als Beispiele
Unternehmen aus der Halbleiterindustrie, dem Automobilbereich oder
der Internet-Branche genannt; auch Beratungsunternehmen und Ingenieurbüros
fallen in diese Kategorie. Im Vergleich zu den vorherigen Typen
ist das Umfeld dieser Unternehmen durch raschen Wandel gekennzeichnet.
Technisches und betriebswirtschaftliches Spezialwissen, Lernen aus
Projekten, Innovationsfähigkeit sowie eine schnelle Reaktionsfähigkeit
sind essenzielle Wettbewerbsfaktoren.
Häufig wechseln in diesen Betrieben Phasen der Expansion und
der Reorganisation. Hierdurch kommt es zu einer Intransparenz der
Wissensbestände und schließlich zu Wissenslücken.
Oft leiden diese KMU unter einer mangelnden Projektdokumentation
und Nutzung von Erfahrungswissen. Die teamübergreifende Kommunikation
ist oftmals nicht sehr ausgeprägt.
Eine Multimedia-Agentur im Rhein-Main-Gebiet kennt diese Probleme
sehr genau [3]. Als internationales Unternehmen
beschäftigt sie 340 Mitarbeiter in 18 Niederlassungen in Europa
und den USA. Die angebotenen Serviceleistungen umfassen die gesamte
Bandbreite multimedialer Anwendungen, die der Kunde im Rahmen einer
umfassenden Projektbetreuung von der strategischen Beratung über
die Produktion bis hin zur Kommunikation erhält. Zu einer der
größten Herausforderungen gehört, qualifizierte
Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, um eine Wissensabwanderung
zu verhindern. In diesem Zusammenhang mangelte es im Unternehmen
an festgelegten Karrierewegen für die Mitarbeiter, auf die
diese zuarbeiten konnten. Weiterhin ging es darum, das nötige
Marktwissen und -verständnis bei den Mitarbeitern aufzubauen.
Ein weiteres Wissensproblem waren fehlende Ansätze zum Lernen
aus Projekten. Der Zugriff auf Projektinformationen war nicht einheitlich
geregelt. Außerdem fand zu wenig Know-how-Transfer zwischen
den Standorten statt.
Ein Intranet war bereits vorhanden, die Einführung einer Projektdatenbank
bzw. geeigneter Projektmanagement-Software soll nun dem Lernen aus
Projekten dienen. Lessons Learnt sind aus jedem Projekt systematisch
abzuleiten und zu dokumentieren. Es gilt hierbei auch, eine Teamkultur
aufzubauen, die den Wissenstransfer fördert, sowie die Mitarbeiter
in der Projektarbeit zu trainieren. Eine Klassifizierung der Projekte,
beispielsweise in "Cash"-, "Image"- und "Experimentier"-Projekte,
erleichtert das gezielte Lernen aus verschiedenen Arten von Projekten
und hilft Prioritäten zu setzen. Ein weiterer Punkt ist die
Rollen- und Kompetenzentwicklung in Form von Lernen in Teams, individueller
Weiterbildung, Aufbau von Branchenwissen und der Einführung
von Rollen- und Karrierewegdefinitionen. Durch entsprechende Anreizsysteme
sollen die Mitarbeiter zur aktiven Teilnahme am Wissensmanagement
motiviert werden.
Unternehmenstyp: |
Wissensprobleme:
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Instrument/Methoden des WM:
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Kundenbetreuung als entscheidender Wettbewerbsfaktor
Bei Unternehmen wie z.B. Reisebüros sowie beim Angebot von
Wartungsdienstleistungen sind umfassende Kundenbetreuung, das Kennen
der Kundenbedürfnisse, die Pflege der Kundenbeziehungen sowie
das Lernen aus Beschwerden und Reklamationen entscheidende Wettbewerbsfaktoren.
Kundenreklamationen müssen gezielt analysiert und anschließend
zur Optimierung der Produkte genutzt werden.
Wissensprobleme resultieren bei dieser Art von Unternehmen aus
der mangelnden Aufbereitung und Verwertung des Wissens aus Kundenreklamationen
und Beschwerden. Oftmals ist der Zugriff auf diese Daten nicht systematisiert.
Verbesserungsvorschläge der Kunden erreichen nicht die für
Entwicklung oder Konzeption der Produkte zuständigen Abteilungen.
Weiterhin ist die Neugewinnung und Aktualisierung von Kunden- und
Branchenwissen ein kritischer Punkt.
Ein Unternehmen des Stahl-, Maschinen- und Anlagenbaus mit weltweit
470 Mitarbeitern soll hier als Beispiel dienen [4].
Eine wachsende Kundennachfrage nach Wartungsgewährleistung
und -verträgen führte bei den Technikern, die diese Leistung
zusätzlich erbringen sollten, zu erhöhter Unzufriedenheit
und Zusatzarbeit, da die Techniker auf andere Aufgaben spezialisiert
waren. Die Lösung war die Einrichtung einer Wartungsabteilung
mit eigens dafür bestimmten Mitarbeitern. Im Zuge der Einrichtung
dieser Service- bzw. Wartungsabteilung fand eine systematische Dokumentation
von Serviceleistungen, Erfahrungswissen, Wissen aus der Konstruktion
und Fertigung statt. Die Kunden erhalten nun einen qualifizierten
After-Sales-Service; der Bereich wurde als Kernkompetenz im Unternehmen
integriert.
Unternehmenstyp: |
Wissensprobleme:
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Instrument/Methoden des WM:
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Fazit
Wissensmanagement in Klein- und Mittelbetrieben ist in höchstem
Maße berechtigt und verlangt konkrete Maßnahmen zur
Umsetzung in der Praxis. Immer mehr Klein- und Mittelbetriebe haben
sich dazu entschlossen, Wissensmanagement zu implementieren und
eine Anzahl von Erfahrungen, Ansätzen und Methoden existieren
bereits, die Hilfestellung geben können, um auch das Wissen
in KMU als Ressource und Wettbewerbsfaktor zielgerichtet zu bewirtschaften.
Literatur
[1] North, Klaus: Wissensorientierte Unternehmensführung:
Wertschöpfung durch Wissen. 2. Aufl. Wiesbaden 1999.
[2] Deutsche Bank AG/Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft
und Organisation (IAO): Wettbewerbsfaktor Wissen Leitfaden
zum Wissensmanagement. Frankfurt am Main: Deutsche Bank AG (Selbstverlag)
1999.
3] Lamieri, Laura: Wissensmanagement in Klein- und Mittelbetrieben.
Diplomarbeit, Wiesbaden April 2001.
[4] Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V.
(VBM) (Hrsg.): Wissensmanagement für die Praxis. Augsburg o.
J.
[5] Internetseite mittlerweile eingestellt (November 2004)
[6] Brandt, Peter: Gehversuche
im Mittelstand: das Wissensmanagement-Projekt KluG. In: wissensmanagement
Das Magazin für Führungskräfte. Ausgabe 5
September 2001, S. 16 ff.
[7] www.cck.uni-kl.de/~benedix/innowima/index.html
8] Wuppertaler Kreis e.V. (Projektträger und Hrsg.): Wissensmanagement
in mittelständischen Unternehmen ein Leitfaden. Köln
2000.
[9] www.wiper.de