2000/10 | Fachbeitrag | Wissensmanagement-Ansätze
Wissensmanagement bei der HypoVereinsbank
Von Sandra
Inhaltsübersicht:
- Umsetzung von Wissensmanagement: Aller Anfang ist schwer...
- Der Wissensmanagement-Ansatz
- Aspekt Mensch: Knowledge-Worker-Netzwerk
- Aspekt Organisation: Wissensverteilung mittels Patenschaften
- Aspekt Technik: Informationsportal im Intranet
- Erfolgsfaktoren aus der Projektarbeit mit Wissensmanagement
Megafusionen,
E-Commerce, Wissenszeitalter sind nur einige Schlagworte, die nicht
nur in der Bankenbranche erhebliche Irritationen hervorrufen. Auch
die HypoVereinsbank als großer Finanzdienstleister mit konzernweit
ca. 46.000 Mitarbeitern sieht sich einem immer härteren Wettbewerb
gegenüber. Konkret bedeutet dies die stete Auseinandersetzung
mit Fragen, wie beispielsweise Geschäftsprozesse effizienter
und somit für das Unternehmen produktiver gestaltet werden
können und ob und in welchem Umfang die vorhandene Struktur
laufende Prozessoptimierungen unterstützt und ermöglicht.
Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen über die Neu-Organisation
der Ressource Wissen, nämlich der effizienten Führung
von Mitarbeitern, die über das fachliche und methodische Wissen
der Organisation verfügen.
Der folgende
Beitrag bietet einen Einblick in die Wissensmanagement-Aktivitäten
der zweitgrößten deutschen Bank sowie einen Überblick
über Best-Practice-Ansätze und geht dabei auf die Erfolgsfaktoren
bei der Umsetzung von Wissensmanagement ein.
Umsetzung von Wissensmanagement: Aller Anfang ist schwer...
Mitarbeiter
des Consultingbereichs der HypoVereinsbank starteten 1998 einen
Arbeitskreis (dem u.a. die Autorinnen angehörten), der sich
theoretisch mit der Thematik Wissensmanagement auseinandersetzte
und gleichzeitig nach praktisch umsetzbaren Lösungen und Wegen
suchte und dabei eigene Instrumente entwickelte. Die erfolgreiche
Einführung von Wissensmanagement hängt allerdings nicht
nur vom Wollen und Können einzelner Mitarbeiter ab, sondern
auch vom Dürfen. Die Idee von Wissensmanagement im Consultingbereich
fand in der Unternehmenshierarchie breite Unterstützung u.a.
im Einräumen entsprechender Befugnisse und dem Bereitstellen
notwendiger Ressourcen. Der Arbeitskreis entwickelte die Thematik
soweit, diese als Beratungsleistung im Konzern der HypoVereinsbank
im Rahmen von Projekten anzubieten. Außerdem wurden viele
Lösungen exemplarisch im eigenen Bereich umgesetzt, um den
Wissensfluss der Abteilung zu optimieren und Erfahrungen zu sammeln.
Einige dieser Umsetzungsbeispiele werden im Folgenden dargestellt.
Das System
von Organisationsstrukturen, Geschäftsprozessen, technischen
und menschlichen Netzwerken weist gerade in großen Unternehmen
eine hohe Komplexität auf, die es nicht ermöglicht, Wissensmanagement
als standardisiertes Paket wie viele andere Managementtheorien der
letzten Jahre umzusetzen. Zudem verfügen die einzelnen Organisationseinheiten
über einen unterschiedlichen Reifegrad für ein
ganzheitliches Wissensmanagement-Projekt braucht man daher einen
langen Atem, ein strukturiertes Vorgehen bei der Umsetzung und vor
allen Dingen einen konkreten Ansatzpunkt. Die Autoren verfolgen
einen ganzheitlichen Ansatz über alle Facetten des Wissensmanagements.
Dies bedeutet nicht nur, Maßnahmen im EDV-Bereich anzuwenden,
sondern sich gerade der Thematik Mensch und Organisation anzunehmen.
Die drei Aspekte: Mensch, Organisation, Technik |
Aspekt
Mensch:
Knowledge-Worker-Netzwerk
Beim Management
der Ressource Wissen gilt: Der Weg ist das Ziel. Der Gewinn und
Nutzen des Wissensmanagements liegt im Verstehen der Idee, um die
Leistungfähigkeit der Organisation zu steigern. Unabdingbare
Voraussetzung für ein wissensgesteuertes Unternehmen ist es
daher, Mitarbeiter auf allen Unternehmensebenen mit der Idee des
Wissensmanagements zu infizieren. Daher galt es, breite Akzeptanz
bei den Führungskräften zu gewinnen und individuelle Lösungen
für konkrete Anwendungsfelder zu schaffen.
Ein fester
Fahrplan für ein Wissensmanagement existierte anfangs nicht.
Im Laufe der ersten Kontakte in der HypoVereinsbank fanden sich
viele Mitarbeiter quer durch alle Organisationseinheiten, die sich
mit dem Management von Wissen beschäftigen. Es kann in einem
wissensintensiven Unternehmen, dessen tägliches Geschäft
der Verkauf von Wissen ist, auch keine alleinige Aufgabe von speziellen
Abteilungen wie Forschung und Entwicklung, Personal oder Organisation
sein, sich mit Wissensmanagement zu befassen. Die ersten interessierten
Kollegen bildeten das Knowledge-Worker-Netzwerk, das sich ständig
um neue Teilnehmer erweitert. Die beiden Autorinnen veranstalten
regelmäßige Workshops mit Knowledge Workern aller Unternehmensbereiche
zu verschiedenen Themen und Bausteinen des Wissensmanagements. In
diesen Workshops wird über theoretische Grundlagen und praktische
Umsetzungsbeispiele diskutiert. Zusätzlich erscheint ein monatlicher
Newsletter mit neuesten Ideen, Projekten, Trends, Literatur und
Veranstaltungshinweisen inner- und außerhalb der HypoVereinsbank.
Außerdem fungieren die Autorinnen als Informationsbroker und
vermitteln Kontakte zu internen und externen Wissensmanagern.
Wissensverteilung mittels Patenschaften
Speziell in
der Organisationsberatung entstand vor ca. zwei Jahren aufgrund
einer Mitarbeiterinitiative das Patenkonzept, das neuen Mitarbeitern
den Einstieg in die Abteilung und den Wissenserwerb erleichtern
soll. Ziel dieses Konzeptes ist es, den persönlichen Wissensaustausch
und den persönlichen Wissenserwerb zu unterstützen. Der
Pate arbeitet hier zusammen mit dem neuen Mitarbeiter (Patenkind)
in gemeinsamen Projekten und unterstützt den Basis-, Methoden-
und Fachwissentransfer durch ein Lernen im Prozess der Arbeit [1].
Dieses Wissen entwickelt in der fortlaufenden Mitarbeit durch praxisrelevante
Projekterfahrungen eine eigene Entwicklungsdynamik. Um die Tiefen
dieser Dynamik aufzufangen, werden Prozesse durch ein Prozessmodell
mit geregelten Verantwortlichkeiten und operativen Hilfsmitteln
wie beispielsweise standardisierten Checklisten in klassischer Papierform
oder auch in digitaler Form im firmeneigenen Intranet unterstützt.
Der neue Mitarbeiter erhält dazu am ersten Tag alle wichtigen
Informationen in einem Startordner.
Die Verantwortung
als Pate ist Bestandteil der persönlichen Zielvereinbarung
und damit der Leistungsbeurteilung. Am Ende der Patenschaft findet
ein gegenseitiges Feedback-Gespräch statt, um auf beiden Seiten
das vergangene halbe Jahr Revue passieren zu lassen und das Gelernte
festzuhalten. Das Patenkonzept als Teil des Entwicklungsprozesses
zu einer wissensfördernden und lernenden Organisation wird
durch regelmäßige Feedback-Gespräche mit den neuen
Mitarbeitern und Erfahrungsworkshops im Sinne eines kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses laufend aktualisiert und permanent erweitert.
Der konkrete Nutzen zeigt sich in der effizienteren, effektiveren
und deutlich kürzeren Einarbeitungszeit sowie im schnellen
Commitment mit Unternehmen, Abteilung und Arbeitsprozessen.
Das Patenkonzept für neue Mitarbeiter |
Informationsportal im Intranet
Zur technischen
Unterstützung des Wissenserwerbs, der Wissensnutzung und der
Wissensspeicherung entwickelte der Consultingbereich ein Informationsportal
im Intranet, das alle Informationen zum Kundenmanagement-Prozess
angefangen bei der Akquisition eines Projekts bis zur Weiterentwicklung
der Kernkompetenzen bereithält. Der Aufbau des Portals
orientiert sich dabei an den internen Geschäftsprozessen des
Consultingbereichs. Folgende Punkte wurden bei Konzeption und Aufbau
des Informationsportals beachtet:
- Definition und Abbildung der Haupt-Geschäftsprozesse der Abteilung
- Festlegung der Wissensinhalte (In welcher Phase werden welche Hilfsmittel und Informationen benötigt?)
- Einbezug der betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte (hier mit einer Startbefragung zu den Wissensfeldern und einem regelmäßigen E-Mail-Newsletter)
- Gestaltung des Informationsportals (Integration allgemeiner Informationen wie z.B. ein schwarzes Brett oder eine Literaturdatenbank im Bereich Community)
- Review durch einzelne Mitarbeiter
- Ausarbeitung eines Schulungsleitfadens sowie eines Marketingkonzeptes
- Nach erster Evaluierung: Einführung der Plattform inklusive der Schulung der Mitarbeiter und Support
- Survey Feedback nach ca. 30 Tagen zur Anpassung und Ergänzung der Plattform
- Aufspüren und Löschen von redundanten Inhalten
- Bereitstellung von Kapazitäten zur ständigen Pflege der Plattform
Nach den ersten
Monaten wurde das Informationsportal um allgemeine Hilfsmittel,
die nicht unmittelbar mit der Projektarbeit in Zusammenhang stehen,
erweitert und somit zu einer Arbeitsplatzoberfläche für
die Mitarbeiter. Durch die logische Zuordnung der Wissensinhalte
zu den Geschäftsprozessen können Informationen schneller
gefunden und Erfahrungswissen transferiert werden. Zudem verkürzt
sich die Einarbeitungszeit neuer Consultants. Die benutzerfreundliche
Gestaltung der Web-Oberfläche erlaubt eine schnelle Wissensbeschaffung
und ?weitergabe; somit steigt die Motivation bei den Mitarbeitern,
dieses Medium auch zu nutzen.
Das Informationsportal |
Erfolgsfaktoren
aus der Projektarbeit mit Wissensmanagement
Nach eineinhalb
Jahren Projektarbeit ziehen die Autoren folgendes Fazit:
- Da der Nutzen von Wissensmanagement-Maßnahmen nach wie vor schwer zu quantifizieren ist, gilt es, das obere Management mit der Idee ständig zu begeistern und von den Vorteilen zu überzeugen. Wissensmanagement kann kein Einmalprojekt sein, sondern ist als dauerhafte Managementaufgabe zu verstehen.
- Ohne Leidensdruck und offensichtliche Notwendigkeit lässt sich Wissen nur schwer managen. Hilfreicher ist es, mit kleinen konkreten Schritten voranzugehen und schnelle Erfolge vorzuweisen als mit einem großen theoretischen Konzept aufzuwarten. Unbewusst managt jede Organisation ihr Wissen; wichtig ist es, die vorhandenen Aktivitäten darzulegen und bewusst einzusetzen. Damit lassen sich auch Barrieren beim Management und den Mitarbeitern abbauen und es wird deutlich, dass Wissensmanagement nicht nur ein Modethema ist.
- Gerade um die Nutzung von technischen Lösungen voranzutreiben, muss eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern und eine entsprechend offene Unternehmenskultur vorhanden sein. Das Zusammenspiel der drei Aspekte Mensch – Organisation – Technik ist zwingend notwendig. Eine reine Investition in Software-Tools als schnelle Lösung führt nicht zum Erfolg. Die HypoVereinsbank hat in ihren Werten explizit eine offene und direkte Kommunikation als Voraussetzung für effektive Teamarbeit verankert.
Literatur
[1] Vgl. Bergmann,
B.: Individuelle Kompetenzentwicklung durch Lernen im Prozess der
Arbeit. In: QUEM-Report, Schriften zur beruflichen Weiterbildung.
Heft 55, S. 27-43. Berlin: Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management
1998.