2018/10 | Fachbeitrag | Digitalisierung

Welche Kompetenzen braucht ein „digitaler“ Verkäufer?

von Uwe-Jürgen Günter-von-Pritzbuer

Inhaltsübersicht:

Digitale Kompetenz ist die Fähigkeit, die Veränderungen der Gesellschaft mit fortschreitender Digitalisierung zu erkennen und erfolgreich zu nutzen. Dabei ist die wichtigste Komponente, sich permanent neues Wissen anzueignen und dieses umzusetzen. Zwar kennen wir den Grundsatz des lebenslangen Lernens bereits – neu ist aber die Geschwindigkeit und Fülle an Informationen. Wissen wird immer mehr zur verderblichen Ware und das Verfallsdatum rückt täglich näher. Im schnellen Karussell der Entwicklungen und der Disruptionen braucht es Futability – also die Fähigkeit zur Zukunft. Wer im digitalen Zeitalter nicht nur überleben, sondern richtig gute Geschäfte machen will, braucht Veränderungsbereitschaft. Wer den Wandel nicht scheut, entdeckt neue Perspektiven und Lösungen für heute, morgen und übermorgen. Auf Tradition kann man bei den Rezepten von Senf oder Hausmacherwurst setzen, nicht jedoch beim Verkauf. Das haben wir schon immer so gemacht – wer im Vertrieb nach diesem Motto agiert, wird in der Geschwindigkeit von nur zwei Mausklicks eine Bruchlandung hinlegen.

Neue Zeiten bringen neue Kunden

Der Kunde von heute will mehr. Er wünscht sich mehr Beratung, Komfort und Einkaufsmöglichkeiten rund um die Uhr und rund um den Globus. Die fortschreitende Digitalisierung macht zeitlich und örtlich unabhängiges Shopping zum Standard. Wartezeit gibt es keine mehr. Der Kunde duldet nicht – er fordert. Der Kunde reagiert nicht – er agiert. Er wartet nicht – sondern kauft. Wer Kaufkraft besitzt, der verlangt nach Bequemlichkeit, Inspiration, der Berührung aller Sinne und den daraus resultierenden Einkaufserlebnissen.

Das Einkaufsverhalten verändert sich. Der neue Kunde besitzt eine gewisse Kauf-Cleverness: Kunden sind heute gut informiert mit sehr ausgeprägtem Hintergrundwissen um Produkte, Marken und Märkte. Wissen ist nicht länger die Macht, die ein Verkäufer oder ein Experte für sich beanspruchen kann. Die Digitalisierung führt zu einer Angleichung der Machtverhältnisse: Informationen sind nicht mehr nur Auserwählten vorbehalten, sondern für jedermann zugänglich. Wissen gibt es für alle – überall und praktisch zum Mitnehmen. Doch Vorsicht: Gerade im Internet werden Halbwahrheiten und „fake news“ verbreitet. Geprüftes Expertenwissen ist hier Mangelware. Da ist der kompetente Verkäufer mehr denn je gefragt. Erst recht, wenn es um Premium-Produkte oder Premium-Beratung geht – denn genau die gibt es im Internet (noch) nicht in der Breite.

Berater werden immer wichtiger! Sie sind Dreh- und Angelpunkt, das Licht im dunklen Datenmeer. Das vertrauensvolle Bindemittel zwischen alle dem nicht real Greifbaren. Denn auch die Kunden spüren die Veränderung, sind oft verunsichert und brauchen den Berater als analogen Felsen in den virtuell stürmischen Zeiten. Der Beratungsbedarf wird immer höher, wächst parallel mit der komplexen Welt. Damit wird der persönliche Kontakt zu einem kompetenten Berater wichtiger denn je. Insbesondere, wenn er Produkte oder Dienstleistungen verkauft, die man nicht sehen oder anfassen kann. Kunden brauchen einen Guide, als Profi und Fixpunkt.

Kennen Sie schon den ROPO-Kunden?

Der Kunde hat die Fäden in der Hand. Er übernimmt die Regie. Er ist Entscheider und zeigt das. Besonders wenn er als ROPO-Kunde unterwegs ist. ROPO bedeutet „Research Online, Purchase Offline“ genau wie „Research Offline, Purchase Online“. Der ROPO-Effekt beschreibt die Wechselwirkung zwischen Online- und Offline-Kaufkanälen. Ein Beispiel: Ein Kunde recherchiert zunächst online, wie Ausstattung und Preis für seinen neuen Fernseher beschaffen sein sollen und geht anschließend in den Elektrogroßmarkt, um das Angebot dort zu sondieren. Mittlerweile kauft rund ein Drittel aller Kunden nach dem ROPO-Effekt ein. 89 Prozent der Konsumenten informieren sich vor dem Einkaufsbummel zuerst online über Produkte. 65 Prozent der Verbraucher probieren Produkte zwar direkt im Geschäft oder Fachmarkt aus, kaufen diese dann aber im Webshop.

Kaufen findet in Zukunft dual statt. Die Digitalisierung polarisiert das Einkaufsverhalten: Auf der einen Seite steht die kühle Transaktion im Onlineshop, auf der anderen Seite das inszenierte Markenerlebnis im Flagship-Store. Im Kern bedeutet dies: Wenn der Kunde zu Ihnen kommt, dann haben Sie große Chancen, dass er auch bei Ihnen kauft. Aber Sie haben nur eine Chance. Sonst geht der Kunde wieder und kauft im Internet ein. Die Aufgabe des Verkäufers ist nicht zu informieren, sondern zu begeistern und Eindruck zu hinterlassen! Nach einem gründlichen Faktencheck müssen Verkäufer die Emotionen der Kunden wecken und tief gehende Beziehungen zu ihnen aufbauen. Im digitalen Zeitalter geht es um das Wahrnehmen, Zuhören und Analysieren, um das Verbinden und den Austausch, um emotionales Erleben und Mehrwert.

Online-Shopping ist eine einsame und leidenschaftslose Angelegenheit. Durch die Digitalisierung wird Einkaufen unpersönlich. Doch Menschen haben Sehnsucht nach persönlichen Kontakten und zwischenmenschlicher Kommunikation, sie lieben Erlebnisse. Ein erfolgreicher Verkäufer der Zukunft schließt die Lücke zwischen dem rational motivierte Einkauf und der Sehnsucht der Kunden nach Emotionen.

 

 

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