2018/2 | Editorial | Erfahrungswissen

Was haben Wissenssicherung und Digitalisierung miteinander zu tun?

von Oliver Lehnert

Unternehmen stehen derzeit enorm unter Druck. Insbesondere die Digitalisierung zieht dringenden Handlungsbedarf nach sich. Prozesse müssen optimiert, Services automatisiert und smarte Produkte entwickelt werden. Intelligente Vernetzung, Big Data und das Internet der Dinge bieten die Gelegenheit, die eigene Marktposition ganz neu zu bestimmen. Wer jetzt die richtige Idee hat oder das passende Projekt initiiert, der kann einen Quantensprung nach vorn machen. Dafür bedarf es insbesondere zweierlei Dinge: engagierte und motivierte Mitarbeiter auf der einen und einzigartiges Wissen als Wettbewerbsvorteil auf der anderen Seite.

Im Sog der Informationsflut sollte gerade Letzteres eigentlich kein Problem sein. Schließlich – so liest man tagein, tagaus – war die Zahl der verfügbaren Daten nie so groß und der Zugriff auf relevante Informationen nie so einfach wie heute. Das mag stimmen. Allerdings wird es damit auch immer schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wie finde ich relevantes Wissen? Und wie unterscheide ich relevantes von irrelevantem Wissen? Doch damit nicht genug. Der eigentliche Wettbewerbsvorteil ergibt sich nämlich gar nicht aus Daten und Fakten, die über Suchmaschinen abrufbar sind. Vielmehr geht es um das implizite Wissen der Mitarbeiter.

Es sind die Erfahrungen, die die Beschäftigten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufgebaut haben und die das Schmiermittel vieler Prozesse sind. Und genau hier liegt das Problem. Mitarbeiter sind derzeit rar. Das ist nichts Neues. Oft fehlen die entscheidenden Ressourcen, um die dringend erforderlichen Digitalisierungsvorhaben durchzuführen. Aber – und das wiegt noch viel schwerer – die Zahl der Beschäftigten wird im Zuge des demografischen Wandels merklich abnehmen. Spätestens dann, wenn ab 2020 die geburtenstarken Jahrgänge der Baby Boomer aus den späten1950er und frühen 1960er in Rente gehen. Das passiert freilich nicht von heute auf morgen. Vielmehr wird es mehrere wellenartige Schübe geben.

Je nach demografischer Struktur sind es in manchen Unternehmen hunderte Mitarbeiter, die kurz vor der Pensionierung stehen. Doch auch dort, wo es nur fünf oder zehn sind, können die Auswirkungen gigantisch sein. Nämlich dann, wenn die Mitarbeiter über wertvolles und einzigartiges Erfahrungswissen verfügen – und dieser immaterielle Schatz nicht vorab gesichert wurde. Die Hauptaufgabe der Unternehmen besteht also jetzt darin, die wichtigen Wissensträger in ihren Reihen zu identifizieren und deren Know-how, das bei Erfahrungen bekanntermaßen personengebunden ist, zu explizieren. Erst wenn sie diesen Schritt erfolgreich gemeistert haben, ist die Grundlage ihrer Wettbewerbsfähigkeit gesichert – und die verfügbaren Ressourcen können sich auf die dringend erforderlichen Digitalisierungsprojekte stürzen. Wie der Weg dorthin aussieht, welche Möglichkeiten der Wissenssicherung es gibt, wie viel Aufwand damit verbunden ist und wie das deutsche Gesundheitswesen oder die amerikanische Weltraumorganisation NASA ihr Know-how bewahren und für künftige Mitarbeiter und ihre Projekte verfügbar machen, das lesen Sie im Titelthema ab Seite 16.

Erfahrungssicherung ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen und gehört zu den Kernbereichen des Wissensmanagements. Wissensmanagement ist dabei ein ganzheitlicher Ansatz, der von allen Mitarbeitern – gleich welcher Hierarchie – gelebt werden muss. Zudem unterliegt Wissensmanagement einem steten Wandel. Momentan fokussiert die Disziplin vor allem auf den Möglichkeiten der Digitalisierung und wie sie sich in Unternehmen und Organisationen bestmöglich umsetzen lassen. Um diesem Wandel gerecht zu werden, heißt die Zeitschrift „wissensmanagement“ fortan „wissensmanagement – Das Magazin für Digitalisierung, Vernetzung & Collaboration“ und stellt damit genau die Themen in den Fokus, die derzeit am wichtigsten sind und mit denen sich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern lassen. Davon sind wir überzeugt!

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