2002/10 | Fachbeitrag | Veränderungsprozesse
Veränderungsprozesse im Unternehmen meistern
Inhaltsübersicht:
- Change Management erfordert Allround-Beratung
- Optimal ist ein gut funktionierendes Berater-Netzwerk
- Offene Kommunikationspolitik als gesunde Basis
- Wie findet man den passenden Berater?
Unternehmen, die im Wettbewerb überleben
wollen, sind gezwungen, sich laufend einem sich immer schneller
ändernden Umfeld anzupassen. Veränderungsprozesse in Unternehmen
zu initiieren und erfolgreich umzusetzen, ist daher zu einer Hauptaufgabe
für Manager geworden. Bestandteile des Wissensmanagements müssen
auf die Phasen eines Change-Prozesses abgestimmt und in die Unternehmungsstrategie
integriert werden. Diese Aufgabe ist aber kniffliger, als sie auf
den ersten Blick erscheint. Ein Aspekt, der häufig unterschätzt
wird, ist das Gedächtnis von Organisationen.
Change Management erfordert Allround-Beratung
"Ein Phänomen, das im Zuge häufiger Veränderungsprozesse
festzustellen ist, ist eine gewisse Veränderungsmüdigkeit",
verdeutlicht Dr. Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung
Dr. Kraus & Partner und Dozent am Institut für Arbeitswissenschaften
der Universität Karlsruhe, die Problematik und Vielschichtigkeit
von Change-Management-Prozessen. Spätestens nach der dritten
Veränderungswelle entstehe oftmals eine Grundhaltung nach dem
Motto: "Auch diesen Sturm werde ich überstehen, wenn ich
mich nur schön bedeckt halte und nicht auffalle". Eine
wesentliche Aufgabe im Rahmen von Veränderungsprozessen ist
es daher, zu erkennen, wo die Organisation steht, und die Erfahrungen
der Mitarbeiter in den Prozess zu integrieren. Dies kann so weit
gehen, so Kraus, "dass ein Change-Prozess nicht als Change-Prozess
bezeichnet wird, da die Assoziationen aus der Vergangenheit der
Organisation eher negativ sind". Eine wichtige Rolle kommt
hier dem Berater zu, der den Veränderungsprozess begleitet.
Ganzheitliche Beratung ist allerdings noch eine Seltenheit.
Der Beratermarkt ist im Wesentlichen zweigeteilt: Auf der einen
Seite gibt es die klassischen Unternehmensberatungen, die Organisationen
eher als technische Gebilde sehen und den Schwerpunkt der Beratung
auf die Optimierung der Organisation legen. Die Empfehlung lautet
dann in der Regel, Geschäftsprozess-Optimierungen, Downsizing-Programme
oder Produktportfolio-Bereinigungen vorzunehmen. Auf der anderen
Seite gibt es die Beraterfraktion, die den Menschen im Mittelpunkt
sieht. In diesem Fall werden die angeregten Change-Prozesse in der
Regel den Fokus auf Zusammenarbeit und Entwicklung von Individuen
und Gruppen legen. Das ist Kraus nicht genug, er übt heftige
Kritik an dieser Zweiteilung: "Ich kenne nur ganz wenige Berater,
die es schaffen, beide Sichtweisen zu integrieren und eine ganzheitliche
Beratung vornehmen auch wenn die meisten Ganzheitlichkeit
auf ihren Visitenkarten stehen haben."
Mit dieser Einschätzung steht Kraus nicht allein. Diplom-Psychologe
Michael Franke, Geschäftsführer des Trainings- und Beratungsunternehmens
IMPULSE, bestätigt: "Nicht wenige Veränderungsprozesse
in Organisationen orientieren sich zu stark am einseitigen Themen-
und Kompetenzfokus der jeweiligen Beratungsgesellschaft. Daran sind
letzthin auch die verantwortlichen Manager nicht ganz schuldlos,
die derzeit oft nach der Formel Hart und radikal ergibt wirkungsvoll
Veränderungsprozesse durchführen lassen." Die Folge
ist ein hohes Ohnmachts- und Frustpotenzial bei den betroffenen
Mitarbeitern, verbunden mit massiven betriebswirtschaftlichen Reibungsverlusten,
welche zumindest in diesem Ausmaß vermeidbar
wären. Der Blick auf die Gesamtorganisation, die Berücksichtigung
struktureller, kultureller und personeller Themen sind vor diesem
Hintergrund sehr wichtig. Der Themenfokus kann sich dabei in den
einzelnen Phasen des Change-Prozesses ändern. "Insoweit
kommt der kritischen Auswahl bei der Inanspruchnahme professioneller
Unterstützung und Beratung große Bedeutung zu. Benötigt
werden Berater, die als professionelle Grenzgänger zwischen
den verschiedenen Welten ihre Kunden wirkungsvoll und autonomiefördernd
bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen", so das Plädoyer
von Franke.
Die Phasen eines Change-Prozesses |
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Optimal ist ein gut funktionierendes Berater-Netzwerk
Auf einen weiteren wichtigen Aspekt weist Dr. Berndt Einecker,
Unternehmensberater und Dozent für Unternehmensführung
an der FH Nürtingen-Geislingen, hin: "Große Beratungsfirmen
führen Change-Prozesse häufig mit sich ähnelnden
Konzepten durch und ziehen sich oftmals zu früh zurück.
Der Kunde bleibt dann manchmal schon direkt nach Ende der Implementierungsphase
allein zurück." Aber gerade im Spannungsfeld während
und nach einer Veränderung sowohl bei der veränderten
Mitarbeiterstruktur als auch beim langfristigen Erfolgscontrolling
benötigen Führungskräfte und Mitarbeiter noch
professionelle Hilfe. Doch auch Einzelkämpfern gibt der langjährig
erfahrene Organisationsentwickler und Coach keine Chance: "Ein
Change Manager als Einzelkämpfer ist schlecht ausgestattet",
so Einecker. Er empfiehlt stattdessen, auf ein gut funktionierendes
Netzwerk von Beratern zu achten, welches die verschiedenen Aspekte
eines Veränderungsprozesses abdecken kann. Dabei sind für
ihn die "Technos", die beispielsweise auf Organisationsstrukturen,
Finanzen und Geschäftsentwicklung spezialisiert sind, genauso
wichtig wie die "Psychos", die sich mit den weichen Faktoren
wie Mitarbeiterführung, Unternehmenskommunikation und kultur
auseinandersetzen. Der Austausch unter Beratern in einem Netzwerk
helfe auch, Know-how über die eigene Profession auszutauschen
und befruchte zudem das aktuelle Projekt beim Kunden.
Ein Praxisbeispiel eines gelungenen Miteinanders beider Seiten
liefert Dr. Holger Steindorf, Manager bei DaimlerChrysler. Der Automobilkonzern
hatte bei einem großen Change-Management-Projekt 1996 im Bereich
der Nutzfahrzeuge von vornherein auf eine Mischung zwischen Kommunikationsprofis
und Geschäftsstrategen gesetzt. Keimzelle der Veränderung
bildete eine Gruppe aus Geschäftsführung, internen und
externen Beratern. Von Anfang an betrachtete die Projektgruppe sowohl
die emotionale Seite des Veränderungsprozesses als auch die
organisatorischen Konstellationen und nahm beides gleichermaßen
in Angriff. Eine gründliche Diagnose und ein Umsetzungsplan
waren wichtige Voraussetzungen für das Erreichen einer höheren
Wirtschaftlichkeit und effizienterer Kostenstrukturen. Die Geschäftsführung
legte großen Wert auf die gleiche Wellenlänge der Berater
aus verschiedenen Lagern. "Ohne kongruente Grundstruktur",
konstatiert DaimlerChrysler-Manager Steindorf, "wäre ein
reibungsloses Miteinander im CM-Prozess nicht möglich gewesen."
Offene Kommunikationspolitik als gesunde Basis
Eine solche deckungsgleiche Grundstruktur erfordert zunächst
einmal Vorarbeiten im eigenen Haus: Die Veränderung muss von
der Management-Ebene getragen werden. In größeren Unternehmen
ergreift oft eine Stabsabteilung (Personalentwicklung oder Organisation)
die Initiative zu einem Change-Prozess. Diese Versuche scheitern
jedoch oft kläglich, wenn die Führungsriege nicht wirklich
dahintersteht. Intern müssen Ziele und Erwartungen definiert
sein, bevor der richtige Berater gefunden werden kann.
Auch während des Veränderungsprozesses ist Geduld erforderlich.
Die nötigen Effekte ergeben sich nicht innerhalb weniger Wochen.
Wandel im Unternehmen ist ein permanenter Prozess und darf unter
den heutigen Marktgegebenheiten nicht einschlafen.
Zudem dürfen die notwendigen Ressourcen nicht unterschätzt
werden: Die Verwirklichung einer Vision kostet Zeit und Geld. Veränderungen
rufen Widerstände bei den Mitarbeitern hervor, die erkannt
und ausgeräumt werden müssen. Berater können hier
unterstützend wirken, jedoch nicht zaubern. Eine offene Kommunikationspolitik
zwischen Geschäftsführung, Beratern und Mitarbeitern bildet
daher eine gesunde Basis für ein Change-Management-Vorhaben.
Wie findet man den passenden Berater?
Wie findet ein Entscheider nun gezielt das Consulting-Unternehmen
mit der nötigen Allround-Kompetenz, das eine solche Basis mittragen
kann? Dr. Kraus rät bei der Auswahl eines Change-Management-Beraters,
zunächst auf die Persönlichkeit zu achten: Stimmt die
Chemie? Passt die Person zur Firmenkultur? Spricht der Consultant
eine klare Sprache? Verfügt er über ein breites und flexibles
Repertoire? Kann er glaubhaft eine Sicht auf die Gesamtorganisation
vermitteln?
Doch die Persönlichkeit des Beraters kann nicht allein das
Kriterium für die Auswahl sein. Langjährige Berufserfahrung
aus heterogenen Branchen eröffnet ein weites Sichtfeld der
Problemlage, während die Fokussierung auf eine Branche zu Betriebsblindheit
führen kann. Eine vielseitige Aus- und Fortbildung sowohl in
sozialer Kompetenz als auch im betriebswirtschaftlichen Bereich
ermöglicht einen ganzheitlichen Ansatz. Netzwerker und Teamplayer
mit starker sozialer Kompetenz sind eher für einen Veränderungsprozess
geeignet als reine Fachspezialisten. Ein Change-Management-Berater
sollte als Generalist die verschiedenen Disziplinen wirkungsvoll
integrieren können.
Checkliste zur Berater-Auswahl |
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