2007/12 | Fachbeitrag | Change Management

Veränderungsprozesse: Akzeptanz aktiv fördern

von Reiner Czichos

Von Reiner Czichos

Inhaltsübersicht:

Bin ich selbst bereit für Veränderungen? Inwiefern sind meine Denkweise und meine Einstellung für den (Un-)Willen zur Veränderung im Team verantwortlich? Diese Fragen sollte sich jeder Projektinitiator bzw. -leiter stellen. Denn Veränderungsprozesse müssen aktiv gelebt werden. Daher ist es unerlässlich, dass die Verantwortlichen selbst als Vorbild dienen und die Mitarbeiter in das Vorhaben involvieren. Um diesen Prozess zu fördern, kann das Projektteam zum Beispiel kurze Erfahrungsberichte über positive Change-Erlebnisse vorbereiten. So profitiert jeder von den Erlebnissen der Kollegen. Auch Newsletter oder eine spezielle Plattform im unternehmensweiten Intranet können diesen Prozess fördern. Eine ganz besonders Erfolg versprechende Form der Motivation stellen so genannte Diskussionsmärkte dar, da sie in relativ kurzer Zeit alle Beteiligten informieren und miteinander ins Gespräch bringen.

Projektmüde? Nur wichtige Vorhaben forcieren

Viele Veränderungsbestrebungen scheitern, weil der Arbeitsspeicher der Mitarbeiter voll ist: Sie verlieren sich schlichtweg in zu vielen Projekten. Dadurch kann schnell Change-Müdigkeit oder -Immunität entstehen. Entscheider sollten sich daher einen Überblick verschaffen, wie viele interne Change-Projekte in ihrem Verantwortungsbereich derzeit laufen und auf welchem Stand diese sind. Nur so können sie kritisch prüfen, welche Projekte tatsächlich sinnvoll sind – und von welchen sie sich verabschieden können. Vielleicht stoßen die Verantwortlichen so sogar auf ein Projekt, das forciert werden muss, weil es für ein Team, eine Abteilung oder sogar das ganze Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat.

Kein Alleingang: Alle Beteiligten involvieren

 

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen Change-Projekt sind die Stakeholder, also die Personen, die Einfluss auf das Veränderungsvorhaben nehmen. Projektgruppen sollten diese Beteiligten mit ins Boot holen. Denn alle diese Personen sind direkt oder indirekt an dem Projekt beteiligt und vertreten eigene Interessen, die das Vorhaben fördern, aber auch behindern können. Projektgruppen sind keine isolierten Inseln, sondern fungieren in einem Netz aus internen sowie externen Kunden und Lieferanten. Folglich benötigt jedes Projekt eine Personen-Strategie. Hilfreich ist hierbei eine Liste derjenigen Personen, die bei dem Projekt eine relevante Rolle spielen. Anschließend ist es die zentrale Aufgabe herauszufinden, inwieweit sie sich jeder Einzelne als Verlierer oder Gewinner fühlt – und ob er das Projekt in diesem Sinne beeinflusst.

 

Diskussionsmarkt: Projektmitglieder gezielt informieren

 

Von besonderer Bedeutung ist es, Menschen, die sich als Change-Hinderer oder -gegner identifiziert haben, doch noch zur Kooperation zu bewegen. Dies gelingt, indem der Projektverantwortliche auf sachliche Art und Weise die Notwendigkeit des Veränderungsprozesses darstellt. Möglich macht das zum Beispiel ein so genannter Change-Diskussionsmarkt: Hier präsentiert der Projektleiter eine Rückschau auf das vergangene Jahr und stellt neue Aufgaben für 2008 vor. Das gibt ihm die Möglichkeit:

 

  • über Changevorgaben zu informieren,
  • mögliche Blockierer zu überzeugen,
  • Förderer zu motivieren,
  • Erreichtes visualisiert zu präsentieren,
  • die Teilnehmer an der Ausgestaltung der Change-Projekte zu beteiligen und
  • Projekte zu diskutieren.

 

Für einen Diskussionsmarkt sollte das Change-Thema in vier Teilthemen unterteilt werden. Pro Teilaspekt gibt es einen Experten für den Inhalt und einen Moderator für den Prozess. Jedes Experten-Moderatoren-Paar erhält ein Regie-Buch, in dem alle notwenigen Informationen für das Thema enthalten sind. Ideal ist es, wenn der Diskussions-Markt in einem großen Saal veranstaltet wird. Die vier Ecken des Raumes dienen dabei als „Standreviere“. Alternativ können die Stände aber auch auf mehrere Zimmer verteilt werden. Anschließend geht es um die Gruppenaufteilung: Der Projektleiter sollte vier Gruppen definieren. Jede Gruppe umfasst möglichst gleich viele Teilnehmer.

 

 

Wissenstransfer: Erfahrungsaustausch fördern

 

Die Gruppen besuchen nach einem festgelegten Zeitplan hintereinander die Stände. Jedes Moderatoren-Experten-Paar erlebt so an seinem Stand vier verschiedene Gruppen. Der Zeitplan muss möglichst genau eingehalten werden. Wenn die einen schon fertig sind und herumlaufen, stören sie diejenigen, die noch arbeiten. Andererseits: Wenn jemand die Zeit überzieht, bringt er den ganzen Zeitplan durcheinander. Bewährt hat es sich, dem Diskussions-Markt durch ein Rahmenprogramm Struktur zu geben und gleichzeitig für Abwechslung und Erholung zu sorgen. Wichtig ist dabei unter anderem eine Rahmen-Rede, die die Funktion und den Sinn des Marktes thematisiert. Auch ein Markt-Bistro, das über den Ablaufplan informiert, ist vorteilhaft: Hier treffen sich die Teilnehmer in den Pausen, um sich auszutauschen.

 

Nach der letzten Standrunde ist eine längere Pause von ca. 30 Minuten notwenig, jedoch nur für die Teilnehmer. Die Experten und Moderatoren fassen in dieser Zeit die Fragen, Ideen und Bemerkungen der Teilnehmer aus allen Standrunden zusammen – für das Protokoll und für die Markt-Nachbereitung. Nach der Pause versammeln sich alle Teilnehmer, die Experten, Moderatoren und das Management im Plenum. Dort stellen die Experten ihre Zusammenfassungen kurz vor. Das ist der Kick-off für die anschließende Podiumsdiskussion.

 

Skripte und Unterlagen: Nachhaltig informieren

Die einzelnen Standrunden sollten nicht dazu dienen, informierende Unterlagen zu verteilen. Ansonsten entsteht eine Materialschlacht: Papier liegt herum, Leute finden Dinge nicht wieder, vermissen etwas, wollen mehr. Alle notwenigen Informationen erhalten die Teilnehmer nach dem Markt. Erstens sind erst dann die Unterlagen wirklich vollständig und zweitens stellen die nach einigen Wochen zugeschickten Unterlagen einen Anlass dar, gedanklich an den Ort und in das Thema des Tages zurückzukehren.

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