2012/4 | Kolumne |

Und wo bleibt die Moral?

von Gabriele Vollmar

Am 31. März 2012 haben sich in Frankfurt Mitglieder der GfWM (Gesellschaft für Wissensmanagement e.V.) zum jährlichen so genannten Aktiventreffen zusammengefunden, um gemeinsam an inhaltlichen Themen (unter anderem „Im Spannungsfeld von Wissensarbeit, Wissensarbeiter und Wissensgesellschaft“ sowie „Integrative Reporting“) zu arbeiten. Zum Start in den Tag haben wir uns außerdem die Frage gestellt, ob Mission und Vision der Gf- WM noch zeitgemäß sind; immerhin wurden beide vor mittlerweile fast sieben Jahren erarbeitet.

Hier der (noch) derzeitige Wortlaut:

„Unser gesellschaftliches und volkswirtschaftliches Wohl sowie der Erfolg von Unternehmen und Organisationen aller Art sind in starkem Maße von der effektiven und effizienten Bewirtschaftung der Ressource Wissen abhängig.

Daher fördert die Gesellschaft für Wissensmanagement (GfWM) den professionellen Umgang mit Wissen und stellt die Notwendigkeit der ganzheitlichen Sicht auf das Thema Wissensmanagement mit den Dimensionen Mensch, Organisation und Technik heraus.“

Auf einen ersten Blick liegt der Fokus auf einer sachlichen Nutzenorientierung bedingt durch Begriffe wie „Bewirtschaftung“, „effizient“, „effektiv“, „Erfolg“… In der Diskussion der anwesenden Mitglieder zeigte sich nun rasch, dass hier doch etwas fehle. Ich will es mal die Dimension der Ethik und Werteorientierung nennen. So wurden Aspekte wie der verantwortungsvolle Umgang mit Wissen oder auch der Nachhaltigkeit, der Qualität und tatsächlich der Moral im Zusammengang mit Wissensmanagement thematisiert.

Nun kann man sicher konstatieren, dass wenn personell unterschiedlich besetzte Gruppen sich eines Themas annehmen, eine jeweils individuelle Sicht die Interpretation eben dieses Themas bzw. eine gewisse Schwerpunktsetzung prägen wird. Trotzdem frage ich mich – und Sie – ob sich hier nicht auch ein Wandel in der Gesellschaft (?), in unserem Thema (?) seit 2005 wahrnehmen lässt. Ausgelöst wurde dieser Gedankengang durch zwei Ereignisse der letzten Zeit:

Der ehemalige Diplomat und Résistance-Kämpfer Stéphane Hessel, der im letzten Jahr mit seiner kleinen Streitschrift „Indignez-vous!“ („Empört Euch!“) fu?r Aufruhr in Frankreich gesorgt hat, hat in einer Rede anlässlich eines Besuches in Tu?bingen gefordert: „Wir brauchen nicht mehr Wissen, sondern mehr moralische Erkenntnis!“ Bei einer Podiumsdiskussion in Stuttgart zum Thema Wissensbilanzierung hat Gisela Erler, Staatsrätin fu?r Zivilgesellschaft und Bu?rgerbeteiligung im Staatsministerium Baden-Wu?rttemberg, darauf hingewiesen, dass die verstärkt eingeforderte Bu?rgerbeteiligung einen anderen Umgang mit Wissen bedinge und dass der Erfolg einer Partei wie die der Piraten deutlich zeige, dass sich die Menschen in unserer (Wissens-) Gesellschaft auch zunehmend daru?ber bewusst seien. Und dabei gehe es keinesfalls nur um eine Transparenz im Sinne eines Mehr an Information und Wissen, sondern eben genau auch um einen qualitativ anderen Umgang damit.

Mu?ssen wir also neben den – nach wie vor spannenden und wichtigen – Fragestellungen zu Wirksamkeit, Nutzen- und Erfolgsmessung im Wissensmanagement expliziter als bisher auch Fragestellungen zu Verantwortung, Ethik, Werteorientierung und Moral betrachten? Und wenn ja, wie sehen unsere Antworten aus?

Übrigens: Sowohl in der Gf-WM als auch bei Ihren Regional- und Aktiventreffen ist jeder Engagierte und Interessierte herzliche willkommen. Mehr Infos unter www.gfwm.de

Ihre Gabriele Vollmar

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