2008/11 | Fachbeitrag | Weiterbildung

Trainings standardisieren, Kosten minimieren

von Bernhard Kuntz

Inhaltsübersicht:

In den Unternehmen hat sich eine neue Denkweise breit gemacht: Auf der einen Seite erachten sie das Weiterbilden der Mitarbeiter als unverzichtbar. Also sind sie auch bereit, Zeit und Geld hierfür zu investieren. Zugleich sind sie aber zur Erkenntnis gelangt: Aufwand und Ertrag müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das heißt, sie schauen zunächst sehr genau hin, wer und was geschult wird – und entscheiden erst dann: Was ist uns das Erreichen dieses Ziels wert? Diese Erfahrung sammelt auch Prof. Dr. Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW), Hannover, immer wieder.

 

Differenzierte Weiterbildungsstrategien

 

„In ein und demselben Unternehmen existieren vielfach nebeneinander mehrere Personalentwicklungskonzepte“, berichtet Dr. Georg Kraus. Der Unternehmensberater aus Bruchsal erläutert dies an einem Beispiel. Vor einiger Zeit fragte er den Bereichsleiter Personal einer Kapitalanlagegesellschaft nach deren Mitarbeiterqualifizierungsstrategie. Dessen Antwort: „Wir haben zwei.“ Für die oberen Führungspositionen und stark umworbene Spezialisten wie die Fondsmanager werden aufwändige Entwicklungsprogramme konzipiert und individuelle Fördermaßnahmen wie Einzelcoachings finanziert. Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Anders sieht die Strategie bei den Verwaltungs- und Servicebereichen, dem so genannten Backoffice der Gesellschaft aus. Dort lautet nach Aussagen des Bereichsleiters Personal die Maxime „die Weiterbildung soweit wie möglich standardisieren und die Kosten soweit wie möglich minimieren“. Das heißt: Dort findet in der Regel keine langfristige Personalentwicklung statt. Die Weiterbildung erfolgt weitgehend bedarfsorientiert. Doch nicht nur dies. Dort kommen auch zumeist standardisierte Trainingskonzepte zum Einsatz und die Trainerrolle übernehmen vielfach firmeninterne Fachkräfte oder die Vorgesetzten der Mitarbeiter.

Solche Doppelstrategien verkünden Unternehmen allerdings nur in den seltensten Fällen öffentlich. Sie schmücken sich in den Berichten, die zum Beispiel in Zeitungen über ihre Personalentwicklung erscheinen, lieber mit den aufwändigen Förderprogrammen für die „Stars und Sternchen“ – auch um als attraktive Arbeitgeber zu erscheinen. „Faktisch gibt es aber in fast allen Großunternehmen eine differenzierte Personalentwicklungsstrategie“, betont Dr. Georg Kraus. „Alles andere wäre auch betriebswirtschaftlicher Nonsens.“

 

Standardseminare sind stärker gefragt

 

Dass sich das Denken der Unternehmen gewandelt hat, spürt auch Wolfgang J. Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Schmitt & Partner. Seit zirka drei Jahren registriert er eine „deutlich gestiegene Nachfrage nach ausgearbeiteten Seminarkonzepten seitens der Unternehmen. „Sie nutzen diese verstärkt, um speziell ihre Mitarbeiter auf der operativen Ebene zu schulen.“ Aus mehreren Gründen: Zum einen sehen sie es als wenig sinnvoll an, wenn diese oft personenstarken Mitarbeitergruppen von zahlreichen Einzel-Coaches trainiert werden, die alle mit verschiedenen Konzepten und Unterlagen arbeiten. „Eine gewisse Standardisierung ist hier auch aus Qualitätssicherungsgründen gewünscht.“

 

Zum anderen fragen sich die Unternehmen immer häufiger: Müssen wir, wenn es um das Schulen unserer Mitarbeiter in Standardthemen geht, das Rad stets neu erfinden? Oder ist es nicht besser, auf bewährte Seminarkonzepte zurückzugreifen und diese unserem Bedarf anzupassen? Ähnliche Fragen stellen sich offensichtlich auch viele selbstständige Trainer. Auch bei ihnen registriert Schmitt eine gestiegene Bereitschaft, vorgefertigte Seminarkonzepte zu nutzen – „zumindest bei den Themen, die nicht ihre Kern- oder Standardthemen sind, sondern zu denen sie nur ab und zu ein Seminar durchführen“.

 

Kleine Anpassungen genügen vielfach

 

Dass die Unternehmen sich häufiger fragen: „Muss es ein ,Maßanzug‘ sein?“, ist für den Mannheimer Berater Dirk Pfister, der Manager und Verkäufer in Kleidungsfragen berät, „ein Indiz für eine fortschreitende Professionalisierung der firmeninternen Weiterbildung. Die Coaches denken stärker in betriebswirtschaftlichen Kategorien“. Deshalb gelangten sie beim Planen von Maßnahmen auch häufiger zur Überzeugung: „Hierfür brauchen wir keinen Maßanzug, der aufwändig von Hand gefertigt wurde. Es genügt Konfektionsware, die unseren Bedürfnissen angepasst wird.“

 

Für Prof. Dr. Müller-Siebers hat der zunehmende Rückgriff der Unternehmen auf standardisierte Seminarkonzepte gerade in den Bereichen, in denen viele Mitarbeiter beschäftigt sind – wie zum Beispiel der Produktion, der Verwaltung sowie im Service und Verkauf –, durchaus positive Aspekte. Denn was wäre hierzu die Alternative? Die Unternehmen würden bei diesen Personengruppen aus Kostengründen entweder ganz auf ein Schulen der Mitarbeiter verzichten oder verstärkt E-Learning-Programme einsetzen. Letzteres haben die Unternehmen in den zurückliegenden Jahren vielfach getan. Die Folge, so der Eindruck von Müller-Siebers: Gerade die Mitarbeiter, die am ehesten eine persönliche Unterstützung beim Lernen benötigt hätten, weil sie die geringste Erfahrung mit dem Lernen mit Selbstlernmedien haben, mussten mit diesen Medien lernen. „Die Führungskräfte und die hochqualifizierten Spezialisten hingegen, die meist eine akademische Ausbildung haben, fuhren weiterhin auf ein Seminar.“

Dass dies nicht zielgruppengerecht ist, erkennen immer mehr Unternehmen. Deshalb suchen sie nach neuen Wegen, wie sie zugleich ihre Weiterbildungskosten im Griff behalten und den Mitarbeitern in den operativen Bereichen das benötigte Wissen vermitteln können. Ein Weg in diese Richtung scheint das verstärkte Nutzen von weitgehend standardisierten Trainingskonzepten zu sein; des Weiteren, dass diese Mitarbeiter zunehmend von internen Fachtrainern und ihren Vorgesetzten geschult werden. Für Dr. Kraus hat diese Art der Wissensvermittlung gegenüber dem selbstgesteuerten Lernen einen klaren Vorzug: Die Mitarbeiter sind beim Lernen nicht allein. Und der Trainer kann aufgrund seiner Erfahrung sowie seiner Kenntnis der Branche und des Unternehmens die Lerninhalte unmittelbar auf die (Arbeits-)Situation der Teilnehmer beziehen.

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