2011/4 | Fachbeitrag | Technische Dokumentation

Sprechen Ihre Mitarbeiter alle dieselbe Sprache?

von Dr. Rainer Pflaum

Inhaltsübersicht:

Was Verträge wie auch Angebote auszeichnet, ist eine klare und eindeutige Sprache. Über die Inhalte besteht Einigkeit zwischen den Vertragspartnern und die vereinbarten Leistungen haben vor Gericht Bestand. Die Sprache sollte aber auch in der internen Unternehmenskommunikation klar sein. Dies ist wichtig, sobald mehrere Mitarbeiter daran beteiligt sind, einen Vertrag zu erfüllen oder zu definieren, und es ist unabdingbar, wenn unterschiedliche Abteilungen daran beteiligt sind. In diesem Fall müssen viele einzelne Aspekte abgesprochen werden. Dabei spart klare Vertragssprache Arbeitszeit und vermeidet Missverständnisse, die Mehrkosten und im schlimmsten Fall den Reputationsverlust der Firma selbst nach sich ziehen können. Eine einheitliche Vertragssprache sollte daher bei kleinen und mittleren Unternehmen ebenso wie bei den Großen ein fester Bestandteil der Corporate Identity sein. Diese spricht bestehende und zukünftige Kunden gleichermaßen an: Nur wer die Sprache seiner Kunden spricht, kann mit ihnen gemeinsam wachsen.

 

Terminologiemanagement – vielseitig und günstiger als erwartet

Terminologiearbeit muss nicht teuer sein: Verschiedene umfangreiche und spezielle Softwarelösungen sind auf dem Markt verfügbar. Diese werden als Zusatzprogramm geladen und lassen sich mit gängigen Editoren (Textverarbeitung, Konstruktionssystem, AVA-Software) kombinieren. Bei der Auswahl ist zu achten auf leichte Bedienbarkeit und ein verständliches Konzept, damit die Akzeptanz groß und der Schulungsaufwand klein bleibt. Als erste Grundlage sollte eine kurze Terminologieliste dienen, die all jene Fachbegriffe enthält, mit denen es in der Vergangenheit Probleme gab. Diese aber muss allen Mitarbeitern zugänglich sein, die Text erstellen.

Ist erst einmal die Grundlage und damit das Bewusstsein für die Vorteile einheitlicher Terminologie in einem Unternehmen geschaffen, ergibt sich das Weitere oft von selbst. Die Systematisierung längerer Textteile vermeidet zusätzlich stilistische Exkurse und bildet damit die Basis für „kontrollierte Sprache“ (Controlled Language). Sind die Mitarbeiter darauf trainiert, von Beginn eines jeden Projektes an eine einheitliche Sprache zu verwenden und möglicherweise neue Begriffe sofort zentral und verbindlich festzulegen, wird es auch für jeden leichter, der die vom Team geplanten neuen Funktionen kennen lernt. Ab einer bestimmten Größe der Firma kann die Entscheidung folgen, die Stelle eines hauptberuflichen Terminologiemanagers zu schaffen, der in Absprache mit den Abteilungen neue Benennungen festlegt und Ansprechpartner für alle Zweifelsfälle ist.

 

Ausschreibungen – Quellen neuer Aufträge leichter erschließen

In kleinen Unternehmen lassen sich Angebote, Verträge und selbst die Dokumentation noch mit überschaubarem Aufwand erledigen. Alles Geschäftliche übernimmt ohnehin der Chef. Terminologie wird vielleicht im CAD-System gepflegt und für Einheitlichkeit sorgen die zuständigen Köpfe. Wachstum ist in diesem Konzept nicht immer schon mit eingeplant. Schwierig werden kann es schon mit einem einzigen weiteren Auftrag: Neue Mitarbeiter werden eingestellt, diese bearbeiten Ausschreibungen, kommunizieren mit bestehenden und neuen Kunden und niemand hat Zeit, jeden ihrer Arbeitsschritte zu kontrollieren. Kommt dann hinzu, dass die Projekte immer komplexer werden, sind hohe Kosten abzusehen.

Angebote für größere Anlagen im industriellen Sektor haben oft einen Aufwand von einem halben Personenjahr: Drei oder mehr Mitarbeiter arbeiten an der Erstellung und müssen zahlreiche Details mit Fachabteilungen absprechen. Jede Anpassung des Produkts, sämtliche Bauteile und jeder Softwarebestandteil muss im Angebot enthalten sein – mit einem eindeutigen Namen. Unachtsamkeiten und unklare Spezifikationen könnten schnell teure Folgen haben: Nachbearbeitungen, Gewährleistungsfälle, Rücksendungen durch den Kunden, letztlich falsche und überflüssige Bestellungen im Einkauf. Bei Verträgen ist zusätzlich darauf zu achten, dass Fallstricke vermieden werden, die sich leicht durch Wörter wie „immer“, „stets“ oder „generell“ einschleichen und später bei der Abnahme eines Produkts als Erweiterung der Spezifikationen wirken können.

Um Problemen vorzubeugen und von vornherein durch einheitliche Terminologie Übersicht zu schaffen, sollte mit der Überlegung begonnen werden, wie Produkte und Leistungen einheitlich benannt werden können. Damit wird eine Basisterminologie erstellt. Es empfiehlt sich, die vergangenen fünf Jahre Geschäftstätigkeit zu betrachten: Welche Probleme haben Folgekosten verursacht, die Terminologiemanagement hätte vermeiden können? Die Erkenntnisse daraus ebnen den Weg zum stringenten Wording. Namen müssen eindeutig und sprechend sein: Fachleute außerhalb des eigenen Unternehmens sollten jeden Ausdruck ohne die Nutzung eines Wörterbuchs verstehen, Bezüge im Gesamttext herstellen und gleiche Produkte als solche erkennen können. Jede Funktion muss eindeutig zu interpretieren sein.

Um dies im Unternehmen zu leisten, werden Positiv- und Negativlisten erstellt – welche Ausdrücke sind zu verwenden, und welche dürfen nicht mehr benutzt werden. Damit ist bereits viel gewonnen. Entsprechende Software erleichtert die effiziente Handhabung dieser Listen. Die marktüblichen Systeme sind zudem im Stande, Listen aus bestehenden Texten automatisch zu extrahieren. Terminologielisten können je nach Aufgabe für das gesamte Unternehmen oder kundenspezifisch verwaltet und aktiviert werden, denn manche Kunden bestehen auf ihren Benennungen, auch wenn diese nicht mit den Produktnamen der Firma übereinstimmen.

 

Vom treffenden Ausdruck zum ganzen Text – und darüber hinaus

Mit Hilfe definierter Terminologie lassen sich Angebote, Verträge und Anforderungsprofile schneller und klarer erstellen. Einige Abstimmungen im Team, das an einem umfangreichen Angebot arbeitet, werden dadurch überflüssig, manche Fehler werden automatisch vermieden. In den Positivlisten lassen sich oft auch Textbausteine speichern, die ganze Absätze umfassen. Wenn ein System über mehrere Jahre gepflegt wird, übernimmt es gleichzeitig eine praktische Archivfunktion. Beispielsweise kann vor Jahren ein Angebot, das womöglich nie umgesetzt wurde, ähnliche Anforderungen enthalten haben, wie aktuell nachgefragt. Im Normalfall wäre es pures Glück, wenn der betreffende Mitarbeiter noch in der Abteilung ist und sich an das alte Angebot erinnert – noch größeres Glück, wenn er ohne Zeit zu verlieren die entsprechende Passage in den Akten findet und übernimmt. Die Software bietet für ein gegebenes Stichwort sofort alle in früheren Kontexten eingepflegten Bausteine an. Die Aktensuche erübrigt sich. Und diese Vereinfachung kann von jedem – neuen oder langjährigen – Mitarbeiter genutzt werden.

Der gesamte Arbeitsprozess wird beschleunigt. Bezogen auf den Erfolg eines auf diese Weise erstellten Vertrags sind weitere positive Effekte absehbar. Anhand der Ausschreibungen der Auftraggeber und der dazu passenden Pflichten- und Lastenhefte lassen sich mit geringem Aufwand kundenspezifische Negativlisten erstellen, die bei Bedarf hinzugeschaltet werden: Das System beginnt die Sprache der Kunden zu sprechen. Schon bei der Angebotserstellung wird zudem eine Grundlage geschaffen, an die alle weiteren Kommunikationsmittel anschließen. Die technische Redaktion und das Marketing können auf das gleiche System zurückgreifen. Nicht auszudenken, wenn das letztlich dokumentierte Bauteil plötzlich einen anderen Namen trüge als das, welches angeboten und abgerechnet wurde.

 

Terminologiemanagement in der internationalen Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit ist erst recht kaum vorstellbar ohne stringentes Terminologiemanagement. Wo im gesamten Arbeitsprozess Übersetzungen vorkommen, darf nichts die Eindeutigkeit trüben und den Überblick verhindern. Terminologiemanagement-Systeme ermöglichen in aller Regel die Verwaltung mehrsprachiger Terminologielisten. Diese sparen auch hier Zeit und Geld. Jeder Text, vom Angebot über den Vertrag bis hin zu Prospekten und zur technischen Dokumentation, kann auf dieser Basis einheitlich in andere Sprachen übertragen werden. Fazit: Terminologiemanagement ist bei Weitem nicht nur ein Thema für technische Redakteure. Terminologiemanagement ist Chefsache.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Effiziente Übersetzungsprojekte: Auf die richtigen Prozesse kommt es an!

WISSENplus
Immer kürzere Time-to-Markets erfordern eine schnellere Aktualisierung von Marketingunterlagen oder Handbüchern. Andererseits bewirkt die Vielzahl von Sprachen verbunden mit dem allgegenwärtigen Outsourcing von Übersetzungsleistungen einen immer höheren Aufwand für die Steuerung der Übersetzungen. Translation-Management-Systeme (TMS) neuester Generation haben deshalb die Prozessautomatisierung und da...

Weiterlesen

Handbücher erstellen – weltweit auf hohem Sprachniveau

WISSENplus
Handbücher und Betriebsanleitungen zu Automatisierungsprodukten erstellen bei Schneider Electric verschiedene, international verteilte technische Schreibbüros. Einheitliche Dokumentationssprache ist Englisch. Da Inhalte von Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern erstellt werden, waren die Dokumente von stark unterschiedlicher Qualität und von verschiedenen Schreibstilen geprägt. Um den Prozess zu v...

Weiterlesen

Translation-Memory – Das Gedächtnis des Übersetzers

WISSENplus
Alle Abteilungen innerhalb eines Unternehmens haben eines gemeinsam: Es werden Texte erarbeitet. Angefangen beim Vertrieb, dem Einkauf, der Marketing-Abteilung, dem Projektmanagement und der Dokumentations-Abteilung, um nur einige zu nennen. Die dort zusammengestellten Texte enthalten ähnliche, oft sogar identische Formulierungen. Die Wiederholungsrate beläuft sich erfahrungsgemäß auf 30 bis 40 Prozent ...

Weiterlesen

Vom Nutzen der Wiederverwendung für die Wiedererkennung

WISSENplus
Aus dem Hausgebrauch kennt es jeder: Je kleiner und leichter heute ein technisches Gerät ist, desto umfangreicher erweist sich oft die Bedienungsanleitung, die die Vielfalt der Funktionen beschreibt. An dieser Stelle erwartet den Konsumenten nicht selten eine solche Menge schlecht strukturierter Informationen, dass die erste Freude über die technische ?Neuanschaffung schnell getrübt ist....

Weiterlesen

Wissensverteilung in der multilingualen Kommunikation

WISSENplus
In der globalisierten Wirtschaft müssen Produktinformationen für eine äußerst heterogene Zielgruppe zur Verfügung gestellt werden. Für eine konsistente Wissensvermittlung in verschiedenen Sprachen und über unterschiedliche Kanäle genügt es dabei nicht, einen Text lediglich in die Sprache des Ziellandes zu übertragen. Unternehmen sollten sich außerdem mit der Frage beschäftigten, wie sich eine ko...

Weiterlesen

Technische Dokumentation: Die Schätze aus dem Keller holen

WISSENplus
Oft fristen sie ein echtes Kellerdasein. Nicht nur in der Wertschätzung, sondern in manchen Unternehmen sogar auch räumlich. Die Rede ist von der Technischen Dokumentation, den Redakteurinnen und Redakteuren, die in oft mühevoller Kleinarbeit dafür sorgen, all die erforderlichen Daten, Textbausteine, Bilder, Zeichnungen etc. zusammenzustellen, die in eine Betriebsanleitung müssen. Diese braucht nun mal...

Weiterlesen

Markenkommunikation bei Carl Zeiss: hohe Präzision trotz engen Zeitrahmens

WISSENplus
Kein Name ist so untrennbar mit der Entwicklung von Optik und Mikroskopie verbunden wie Zeiss. Deshalb steht auch der Unternehmensbereich Microscopy von Zeiss ganz in der Tradition seines Namensgebers. Heute zählt der Betrieb zu den führenden Anbietern von Mikroskoplösungen für Biowissenschaft und Materialforschung, Qualitätssicherung und -kontrolle. Zudem baut das in Jena ansässige Unternehmen optisc...

Weiterlesen

Künstliche Intelligenz revolutioniert die Übersetzungsbranche

Wenn ein Unternehmen über Sprachgrenzen hinweg tätig wird, bedeutet dies immer auch: Es muss sichergestellt werden, dass diese Sprachgrenzen effizient überwunden werden. Wenn das Unternehmen internationale Zulieferer hat – und erst recht, wenn es internationale Märkte bedient – sind akkurate Übersetzungen und Lokalisierungen unerlässlich. Dabei müssen Übersetzungen oft sehr schnell angefertigt w...

Weiterlesen