2013/3 | Dokumentation + Kommunikation |

Semantische Systeme unterstützen die menschliche Informationsverarbeitung

von Martin Schleich, Alexander Stumpfegger

Wissen ist die Grundlage für das richtige Handeln im Wettbewerb und für die effiziente Realisierung verschiedenster Projekte, die im Unternehmensalltag anfallen. Die tägliche Herausforderung für Analysten (z.B. in Marktforschung, Produktentwicklung) und Wissensarbeiter ist somit stets auch die Steigerung der Wissensproduktivität. Die Informationen, die handlungs- und entscheidungsrelevant sind, weil sie Rückschlüsse auf die Marktdynamik, auf Kundenwünsche und sinnvolle Produktausrichtungen zulassen, sind im Internet, Intranet, in DMS und CMS oft schon vorhanden.

Somit besteht die Aufgabe darin, diese Informationen zu finden, Zusammenhänge zu verstehen und wertvolle Schlüsse zu ziehen. Ob das gelingt, hängt auch von der Aufbereitung der relevanten Informationen ab. Wie kann man sich einen Überblick über weit gestreute, aber thematisch zusammengehörige Informationen verschaffen? Und wie zielführende Hinweise effizient herausfiltern? In den Beiträgen zu technologischen Analyselösungen wird die „Strukturierung von Daten" als entscheidender Faktor angeführt. Die dahinter stehende Annahme, dass geordnete Informationen leichter in Wissen zu überführen sind, ist richtig. Problematisch ist jedoch, wenn die Überlegungen hier enden. Denn Struktur ist nicht gleich Struktur. Man denke nur an mehrere tausend Einträge fassende Datenbanken, die von einem Computer in Sekundenbruchteilen verwaltet und ausgewertet werden, die Wahrnehmung eines Menschen aber schnell überfordern. Ein System überzeugt nicht schon dadurch, dass es Informationen strukturiert und präsentiert, sondern erst dann, wenn es sie so strukturiert und präsentiert, dass der Marktforscher oder Wissensarbeiter in idealer Weise Schlüsse ziehen, Erkenntnis gewinnen und Zusammenhänge verstehen kann. Was sich andeutet, ist eine weitere Dimension des Themas Struktur: die Denkstruktur des Menschen.

Nicht jede Struktur fördert Verständnis

Laut psychologischer Forschung ist der Wahrnehmungsapparat so beschaffen, dass die Aufmerksamkeit auf nur wenige Eindrücke des augenblicklich Gesehenen gerichtet werden kann. Der Psychologe George Miller nannte bereits 1956 die Sieben als „magische Zahl" – so nämlich die durchschnittliche Anzahl simultan verwertbarer Items. Mehr werden auch bei einem Blick auf eine lange Liste von Analyseergebnissen nicht gleichzeitig verarbeitet. Die Liste kann akribisch geordnet sein – es hilft nur wenig, weil die Art der Ordnung nicht mit den Denkmustern des Betrachters harmoniert. Dies wird wahrscheinlich jedem einleuchten, der sich einmal einen Überblick über ein komplexes Themengebiet machen musste. Sollen etwa die Inhalte eines umfangreichen Lehrbuches verstanden werden, ist es wenig ergiebig, mit dem Auswendiglernen der ersten Seite zu beginnen. Um die Aufgabe zu meistern, muss geordnet, gruppiert, zusammengefasst, vereinfacht und reduziert werden. Ideal sind beispielsweise Baumdiagramme aus Ober- und Unterbegriffen. Was der Lernende häufig intuitiv anwendet, heißt in der Psychologie Chunking – eine Strategie, mit der der Verstand die biologisch bedingten Kapazitätsbeschränkungen kompensiert. Mehrere Items werden sinnvoll zusammengefasst. Der Lernende verdichtet Informationen in Themengruppen mit aussagekräftigen Überbegriffen. Durch ein Analysesystem zu- gänglich gemachte Informationen sind demnach nicht zwingend zugänglich für den menschlichen Verstand. Sie sind nur dann gut verwertbar, wenn sie in einer Struktur vorliegen, die von den Denkmechanismen abgeleitet ist und diesen folglich entgegenkommt.

Ein semantisches System macht Informationen verwertbar

Exemplarisch für eine von den Denkprinzipien abgeleitete Analyseansicht ist das Topic Wheel, das in dem Softwaregespann CORPUS® und Topic Analyst® der CID GmbH zum Einsatz kommt. Es handelt sich um ein Kreisdiagramm mit einer eingängigen Informationsstruktur, die den Analysten darin unterstützt, „versteckte" entscheidungsrelevante Indizien herauszuarbeiten, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und zielführende Erkenntnisse zu gewinnen. Jeder Kreisausschnitt repräsentiert einen Aspekt des Analysethemas. Um eine optimierte Informationsaufnahme und Weiterverarbeitung zu gewährleisten, werden – den psychologischen Erkenntnissen gemäß – sieben Kreissegmente (Items) dargeboten. Es genügt ein Klick auf einen Punkt, um ihn aufzufächern und zu den Details zu navigieren. Um das anbieten zu können, übernimmt das CID-System bereits im Vorfeld Aufbereitungsprozesse, die von der menschlichen Informationsverarbeitung abgeleitet sind. Redundanzen werden beseitigt, Wortformen vereinheitlicht, inhaltlich Verwandtes wird zusammengefasst (Chunking), Aspekte werden auf Signifikanz analysiert. Im Ergebnis werden ideal verwertbare Informationsbündel präsentiert. Der Analyst sieht nicht beliebige Daten in einer beliebigen Struktur vor sich, sondern die für ihn relevanten Informationen in einer bereits einleuchtenden und ideal weiterverwertbaren Aufmachung.

Intelligente Informationsaufbereitung unterstützt durch Technologie

Um die hochstrukturierten, grafischen Auswertungen, die dem Nutzer des CID-Systems zur Verfügung stehen, vollautomatisch berechnen zu können, ist ein komplexes Zusammenspiel von Algorithmen im Hintergrund erforderlich. Zu den Hauptkomponenten zählen die Sprachverarbeitung sowie die semantische Analyse auf der Basis einer Knowledge Base. Gemeinsam machen sie es möglich, verschiedene Daten auf der Bedeutungsebene zu verarbeiten. Das ist die Voraussetzung, um zu erkennen, dass z.B. in etlichen Dokumenten dasselbe Thema behandelt wird. Ob der jeweilige Inhalt im Plural oder im Singular steht, ob unter dieser oder jener Bezeichnung geführt (z.B. Kanzlerin anstatt Angela Merkel) – das semantische System erkennt die Zusammenhänge und benötigt für einen Lösungsansatz jeweils nur einen Eintrag in der Analyseansicht. Durch dieses intelligente Zusammenfassen entsteht im Topic Wheel Platz, der genutzt wird, um neben den Antworten auch neue Fragestellungen aufzuwerfen sowie auf Auffälligkeiten und Entwicklungen aufmerksam zu machen. Der Analyst erfasst die dargebotenen „magischen sieben" Lösungen und Anknüpfungspunkte mit einem Blick.

Topic Wheel in der Praxis

Zwei Beispiele: Dass eine signifikant große Benutzergruppe das Kameramenü des analysierten Smartphone-Modells wenig intuitiv findet oder dass die Lenkung des fokussierten Fahrzeugmodells bei Minusgraden schwergängig wird, verrät das Topic Wheel bei Echtzeit-Analysen (z.B. von Kundenservicedaten oder Social Media). Darin erschöpfen sich aber noch nicht die Erkenntnisse, die semantische Systeme wie Topic Analyst® aus großen Informationsfluten „an die Oberfläche spülen". Blickt der Analyst auf die im Topic Wheel aufgeführten Aspekte, wird er auch auf Hinweise, Indizien und Symptome „gestoßen", nach denen er nicht gesucht hat, die im Analysecontent aber auffällig sind. In den Beispielen wird der Produktentwickler darauf hingewiesen, dass zehn Prozent der Fahrer, die die Lenkprobleme beklagen, auch einen Verlust von Lenkflüssigkeit beobachtet haben. Der Analyst für Wettbewerbsbeobachtung sieht, welches Smartphone die Kritiker als Beispiel für eine bessere Bedienführung anführen. Beide sehen, dass Verbesserungsbedarf besteht, in welchen Punkten sie ansetzen könnten und was von den Kunden gewünscht ist. Das CID-Analysetool macht nicht nur auf Probleme, Zusammenhänge und neue Fragen aufmerksam, es ermöglicht dem Analysten auch, sich mit einem Klick einen Überblick über die Hinweise, Indizien und Symptome zu verschaffen, von denen Lösungsansätze und Handlungsstrategien ableitbar sind.

Fazit

Was die Qualität und die Effizienz von Marktanalysen, Technologie-Monitoring und Wissensarbeit steigert, sind keineswegs beliebig strukturierte Daten, sondern intelligent ausgewählte auf den Menschen zugeschnittene und gut verwertbare Informationsbündel. Semantische Systeme wie CORPUS® und visuelle Analysewerkzeuge wie im Topic Analyst® bieten die Basis. Dadurch, dass die Strukturierung der Informationen den menschlichen Denkmustern entgegenkommt, können Analysten und Wissensarbeiter in idealer Weise ihrer eigentlichen Tätigkeit nachgehen: sich komplexe Zusammenhänge verdeutlichen, die Bedeutung der Ergebnisse beurteilen sowie Handlungen und Entscheidungen ableiten. In der verdichteten, dem menschlichen Denken entgegenkommenden Aufbereitung sind die Informationen weniger „sperrig", was eine Steigerung der Wissensproduktivität zur Folge hat.

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