2015/8 | Editorial | Digitalisierung

Schöne, virtuelle Welt

von Oliver Lehnert

Briefe, Telefone und E-Mails haben unser Kommunikationsverhalten nachhaltig verändert. Jedes Medium war ein Meilenstein. Das Briefwesen geht bereits bis in die Antike zurück, das Telefon wurde vor mehr als 150 Jahren erfunden. Und selbst die E-Mail gehört bereits zur Ü-30-Generation. Was an diesen klassischen Kommunikationsmedien auffällt: Sie haben sich über lange Zeit entwickelt und etabliert. Selbst der fast schon historisch anmutende Brief ist nach wie vor fester Bestandteil unserer Verständigung. In der neueren Welt 2.0 hingegen überschlagen sich die Kommunikationsmedien. Innovative IT-Tools erobern in immer kürzeren Abständen den Markt. Und auch die Kommunikation selbst nimmt an Tempo zu: Lagen zwischen der Zustellung eines Briefes früher mehrere Tage – von einer Beantwortung ganz zu schweigen, ermöglichte das Telefon erstmals Echtzeit-Gespräche – aber auch nur dann, wenn der Angerufene gerade in der Nähe seines Apparats war.

Heute sollen E-Mails möglichst immer sofort beantwortet werden. Das Handy steht auf Dauerempfang. Instant Messaging, Video-Konferenzen & Co. versprechen Erreichbarkeit rund um die Uhr. Sie überwinden räumliche Grenzen und Zeitzonen. Wir arbeiten – weltweit verstreut – an ein und demselben Dokument. Treffen uns – virtuell – regelmäßig mit unseren Geschäftspartnern aus Asien, Australien oder den USA. Die neuen Technologien lassen die Welt zusammenwachsen. Sie machen uns flexibler und eröffnen ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Arbeits- und Privatleben verschmelzen. Eine strikte Trennung beider Welten gibt es vielerorts nicht mehr. Das hat Vor-, mitunter aber auch Nachteile.

Ist es für den einzelnen Wissensarbeiter nicht erforderlich, das Handy auch mal auszuschalten? Brauchen wir keine „regelmäßigen Ruhezeiten“ mehr? Und darüber hinaus: Kann virtuelle Zusammenarbeit den persönlichen Kontakt tatsächlich ersetzen? Kommt ein IP-Telefonat oder ein Video-Chat an die gemeinsame Kaffeepause oder das gesellige Feierabend-Bierchen heran? Sicherlich nicht! Und genau an dieser Stelle zeigen sich die Herausforderungen, die die moderne Arbeitswelt mit sich bringt: Wir müssen die richtige Balance finden, einen ausgeglichenen Mix aus realer und virtueller Welt. Wir müssen – bei aller Dynamisierung und Flexibilisierung – auch Zeit haben, innezuhalten. Uns Zeit nehmen für das persönliche Gespräch. Denn Wissensaustausch erfolgt bekanntlich oft implizit. Hier ist jeder Wissensarbeiter selbst gefordert, aktiv zu werden. Aber auch die Unternehmen. Zwar lassen sich dank IT-Tools immense Reisekosten sparen und Redundanzen vermeiden. Aber hin und wieder sollte sich die virtuelle Gemeinschaft auch von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Um ein Wir-Gefühl zu entwickeln, Missverständnissen vorzubeugen – und anschließend virtuell wieder durchzustarten.

Und vielleicht erinnert sich der ein oder andere dann auch wieder an den guten alten Brief – und schreibt seinem bisher virtuellen Kollegen einen handschriftlichen Geburtstagsgruß. Der braucht zwar im Vergleich zur virtuellen Sofortheit eine scheinbare Ewigkeit bis er beim Empfänger ankommt. Dafür ist er in Zeiten von Posts und Tweeds eine besonders persönliche Geste. Die mit Sicherheit prompt beantwortet wird – vermutlich virtuell.

Wie man im Sog der Digitalisierung ganz vorne mitschwimmen kann, ohne darin unterzugehen – diese Fragen beantworten auch unsere Autoren im aktuellen Titelthema ab Seite 18.

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