2002/7 | Fachbeitrag | K2BE-Roadmap

Ready for Take-Off – Wissensmanagement einführen mit der K2BE-Roadmap

von Irene Häntschel und Angelika Mittelmann

 

Von Irene Häntschel

 

und Angelika Mittelmann

 

 

Inhaltsübersicht:

 

 

 

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In

 

der voestalpine Stahl GmbH, Linz, wurde vor etwas mehr als zwei

 

Jahren auf Vorstandsebene beschlossen, sich mit Wissensmanagement

 

zu beschäftigen. Als Potenzial von Wissensmanagement wurden

 

die Optimierung der Geschäftsprozesse und die Steigerung der

 

Innovationsfähigkeit – kurz: die Erreichung von Business

 

Excellence – erkannt. Im Folgenden wird geschildert, wie die

 

komplexe Aufgabe der Einführung von Wissensmanagement bei der

 

voestalpine Stahl GmbH mit Hilfe der K2BE-Roadmap gelöst wurde.

 

 


Vom Start zur Landung:
Die Prinzipien der K2BE-Roadmap

 

 

Die K2BE-Roadmap bedient sich der Begriffswelt der Luftfahrt. Die

 

Namen der fünf Phasen beschreiben bei einem Flug die Vorbereitung

 

des Flugs (Check-In), das Anlassen der Triebwerke (Start-Up), das

 

Rollen des Flugzeugs auf die Startbahn (Line-Up), das Abheben des

 

Flugzeugs (Take-Off) und das Zwischenlanden (Stop-Over, bevor erneut

 

die Triebwerke angelassen werden usw.). Sinngemäß reflektieren

 

diese Aufgaben auch jene bei der Einführung von Wissensmanagement.

 

 

 

Jede Phase ist durch einen Point of Clearance (PoC) von der nachfolgenden

 

Phase getrennt. Der Begriff "Clearance" hat in der Berufswelt

 

der Fluglotsen und Piloten eine besondere Funktion: Die Flugsicherungsstelle,

 

als die zentrale Steuerungsstelle, erteilt damit den Piloten Freigaben

 

für bestimmte Flugphasen.

 

 

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Die fünf Phasen nach der K2BE-Roadmap

 

Der K2BE-Roadmap liegen folgende Prinzipien zugrunde:

 

  • Strategieorientierung:
    Die Wissensmanagement-Einführung muss mit den Unternehmenszielen und Wettbewerbsstrategien abgestimmt sein. Nur dann führt Wissensmanagement zu Business Excellence.
  • strategiegeleitete Einführung:
    Die Einführung von Wissensmanagement muss strategisch geplant werden. Auf Basis des strategischen Planes kann dann die Umsetzung in (Teil-) Projekten erfolgen.
  • Verquickung von Informations- und Lernprozessen:
    Wissensmanagement ist mehr als Informationsmanagement und organisationales Lernen.
  • Ganzheitlichkeit:
    Struktur (insbesondere die IT-Infrastruktur, die Organisation des Wissensmanagements und die Integration von Wissensmanagement in die Geschäftsprozesse) und Kultur (insbesondere Verhalten und Werte/Normen) sowie Führungsstile und Anreizsysteme müssen betrachtet und bearbeitet werden.
  • Verantwortung der Führungsebene:
    Die Einführung von Wissensmanagement löst geplante Veränderungen im Unternehmen aus. Die Führungsebene muss die Verantwortung sowohl für die Strategieentwicklung als auch für die Strategieumsetzung übernehmen.
  • Partizipation und Reflexion:
    Die Einführung von Wissensmanagement braucht die Beteiligung möglichst vieler Mitarbeiter. Der Einführungsprozess muss so gestaltet sein, dass Partizipation und Reflexion auf breiter Basis möglich sind.

Seitenanfang

 

Soziale und technische Reife entwickeln

 

 

Ein kontinuierlicher und erfolgreicher Verlauf bei der Einführung

 

von Wissensmanagement ist nur dann zu erwarten, wenn an der Weiterentwicklung

 

der technischen wie auch der sozialen Reife mit gleicher Sorgfalt

 

und Intensität gearbeitet wird:

 

 

  • Die technische Reife wird bestimmt durch die Qualität der Ergebnisse (Produkte und Prozesse), die Auswahl und Anwendung von Methoden und Werkzeugen zur Umsetzung sowie durch die Nachvollziehbarkeit und Korrektheit der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen.
  • Die soziale Reife wird bestimmt durch das Vertrauen in die Veränderungen und die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Die Freigaben an den PoC sind Ausdruck für das Erreichen einer bestimmten sozialen Reife.

 

 

Bei zu geringer sozialer und/oder technischer Reife ist mit Widerstand

 

und Ablehnung im Unternehmen zu rechnen.

 

Seitenanfang

Gestaltung des Einführungsprozesses

 

 

Die K2BE-Roadmap gibt dem Einführungsprozess so viel Struktur

 

wie nötig und so wenig wie möglich. In der Projektplanung

 

erfolgt die unternehmensspezifische, situationsabhängige Detaillierung

 

der K2BE-Roadmap.

 

 

Check-In

 

 

In der Check-In-Phase erfolgt – ausgehend von wahrgenommenen

 

Defiziten und der Idee, dieses Problem mit Wissensmanagement lösen

 

zu können – eine Bewusstseinsbildung bei den Entscheidungsträgern,

 

das Werben für einen ganzheitlichen Systemansatz und für

 

eine Top-Down-Strategie sowie der Aufbau einer Lobby.

 

 

 

In der voestalpine Stahl GmbH wurde nach der Auftragserteilung

 

durch die Vorstandsvorstände (Konzern und GmbH) ein Projektteam

 

gegründet. Dieses erarbeitete auf Basis der K2BE-Roadmap den

 

Projektauftrag im Detail, den der Gesamtvorstand der GmbH am ersten

 

PoC genehmigte.

 

 

Start-Up

 

 

Anschließend erfolgt beim Start-Up die unternehmensweite

 

und langfristige Gesamtplanung für die Einführung von

 

Wissensmanagement. Das Gesamtkonzept bestimmt Fokus und zeitliche

 

Abfolge der Einführung. Es versucht, Widersprüche aufzudecken

 

und aufzulösen. Es werden die Wissensmanagement-Ziele entwickelt,

 

der Ist-Zustand erhoben und der Handlungsbedarf ermittelt.

 

 

 

In der voestalpine Stahl GmbH wurden durch Firmenbesuche (z.B.

 

bei AVL Graz, Deutsche Bank Frankfurt und McKinsey) Best-Practice-Beispiele

 

gesammelt und analysiert. Mit Hilfe eines Fragebogens und strukturierten

 

Interviews wurde der Ist-Zustand erhoben, welche Anforderungen bzw.

 

Erwartungen es an ein Wissensmanagement gab und welche Projekte

 

bzw. Aktivitäten, die dem Thema Wissensmanagement zugeordnet

 

werden konnten, bereits liefen. Daraus wurden die Handlungsfelder

 

abgeleitet, welche zunächst bearbeitet werden sollten. Es sind

 

dies: Projektdatenbank und -standards, Prozessbeschreibung, Lessons

 

Learned, Wissensnetzwerke, Know-how-Sicherung und IT-Architektur

 

für Wissensmanagement. Am zweiten PoC wurden dem Gesamtvorstand

 

die Ergebnisse der Ist-Zustandserhebung präsentiert und es

 

erfolgte die Zustimmung zu den Handlungsfeldern.

 

 

Line-Up

 

 

In der Phase Line-Up wird das Gesamtkonzept abhängig von den

 

vorhandenen Ressourcen und der Risikobereitschaft des Unternehmens

 

in Teilschritte untergliedert. Es werden konkrete Maßnahmen

 

entwickelt und ein Projektportfolio erstellt.

 

 

 

In der voestalpine Stahl GmbH wurden zu jedem Handlungsfeld Projektaufträge

 

mit passenden Pilotbereichen definiert und im dritten PoC vom Gesamtvorstand

 

genehmigt.

 

 

Take-Off

 

 

Beim Take-Off erfolgt die schrittweise Einführung in parallel

 

ablaufenden Projekten. In der voestalpine Stahl GmbH stehen zur

 

Zeit die meisten Projekte kurz vor ihrem Abschluss, eines ist bereits

 

abgeschlossen. Folgende Ergebnisse liegen vor:

 

 

  • Die Methode des Story Telling wurde zur Sicherung von Erfahrungen aus Großprojekten erfolgreich erprobt.
  • Ein Wissensnetzwerk im Bereich Forschung und Entwicklung lebt.
  • Ein Werkzeug für Prozessbeschreibungen wurde anhand von Prototypen evaluiert und ausgewählt.
  • Der Leitfaden zur Know-how-Sicherung inklusive Checklisten liegt vor.
  • Die Projektdatenbank, die als intranetbasiertes Projektmanagement-Unterstützungswerkzeug angelegt ist, ist fertiggestellt.
  • Die Soll-IT-Architektur zur Unterstützung von Wissensmanagement ist fertiggestellt. Derzeit wird an einer Marktübersicht von Software-Produkten, die gemäß der Soll-Architektur höchste Priorität haben, gearbeitet.

 

Stop-Over

 

 

In der Stop-Over-Phase erfolgt schließlich die Konsolidierung

 

und Bewertung der bisherigen Wissensmanagement-Aktivitäten.

 

Damit wird die Voraussetzung für den nächsten Zyklus (beginnend

 

mit einer neuen Start-Up-Phase) geschaffen. Die Wissensmanagement-Aktivitäten

 

werden gegebenenfalls fortgesetzt, um den nächsten Reifegrad

 

zu erreichen.

 

 

 

In der voestalpine Stahl GmbH wird derzeit die Projektorganisation

 

zu einer Prozessorganisation umgebaut, um die Institutionalisierung

 

von Wissensmanagement voranzutreiben.

 

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Fazit

 

 

Der Hauptnutzen der K2BE-Roadmap liegt in der Sicherheit, die den

 

Entscheidungsträgern mit dieser Vorgehensweise gegeben wird

 

– sie fühlen sich nicht mehr wie in einem luftleeren Raum.

 

Der Einführungsprozess wird überschaubar und steuerbar.

 

Die K2BE-Roadmap trägt zudem durch die geforderte Arbeit an

 

der sozialen Reife zur Entwicklung einer wissensorientierten Unternehmenskultur

 

bei.

 

 

 

Unsere Erfahrungen zeigen, dass die K2BE-Roadmap nicht nur –

 

wie hier dargestellt – in großen Produktionsunternehmen,

 

sondern auch in kleinen Dienstleistungsunternehmen nutzbringend

 

eingesetzt werden kann.

 

 


Anmerkung und Literaturhinweis

 

 

K2BE steht für Knowledge Management to Business Excellence

 

und ist eine registrierte Marke der Entwickler der Roadmap: Wolfgang

 

Erhart, Irene Häntschel, Thomas Hahn, Angelika Mittelmann und

 

Steffen Wienerroither (alle Österreich).

 

 

 

Vgl. auch Mittelmann, A. et al.: Holistic Knowledge Management.

 

In: Hofer, Chr./Chroust, G. (Eds.): IDIMT-2001 9th Interdisciplinary

 

Information Management Talks Proceedings. Schriftenreihe Informatik.

 

Band 6, Universitätsverlag Rudolf Trauner: Linz 2001, S. 81-90.

 

 

 

 

 

 

 

 

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