2010/11 | Fachbeitrag | IT-Sicherheit

Produktpiraterie kostet Unternehmen jährlich bis zu 50 Milliarden Euro

von Nicole Krestan

Inhaltsübersicht:

 

„Gerade für kleine Firmen enden Patentstreitigkeiten mit der Konkurrenz oft verheerend“, sagt Jürgen Friedrich, Geschäftsführer der Gesellschaft für Marken- und Patentrechtsschutzversicherung Vertriebsgesellschaft mbH (GMP). Hängt der Hauptumsatz einer KMU von einer bestimmten Erfindung ab, könne ein Rechtsstreit den ganzen Betrieb ruinieren. Doch vor allem die immateriellen Firmenwerte wie Humankapital und geistiges Eigentum sind für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend. Viele Betriebe haben bereits darauf reagiert: Die Investitionen in diesem Bereich sind in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen, während die Ausgaben für Maschinen nur um 17 Prozent wuchsen. „Sobald man eine Idee vermarkten möchte, sollten sich Unternehmen darüber bewusst sein, dass eine Patentanmeldung allein noch nicht vor Ansprüchen der Mitbewerber schützt“, so Friedrich.

 

Klein gegen Groß: Rechtsschutzversicherung schützt KMUs

Im Streit um Patentnutzungen sehen sich die so genannten Global Player im Vorteil. Aus ihrer Sicht ist es klar, dass der Kleinere nachgibt und vermeiden wird, sich mit einem international tätigen Konzern anzulegen. Auch in den Medien wird selten über Patentstreitigkeiten zwischen David und Goliath berichtet. „In Deutschland haben wir in diesem Bereich noch keine Streitkultur. Bislang gab es allerdings auch keine Möglichkeit der Absicherung“, stellt Friedrich fest. Seit 2008 vertreibt GMP als einziger Anbieter eine eigens auf die Bedürfnisse von KMUs abgestimmte Marken- und Patentrechtsschutzversicherung, die sowohl bestehendes als auch zukünftiges, geistiges Eigentum schützt. Dies umfasst die Geltendmachung und die Abwehr von Schadenersatz-, Unterlassungs- und Auskunftserteilungsansprüchen. So können sich auch kleinere Firmen auf einen Rechtsstreit einlassen. Denn die durchschnittlichen Gerichtskosten und Anwaltsgebühren bei einem Streitwert von zirka 100.000 Euro liegen bei bis zu 30.000 Euro.

 

Beispiele wie der Rechtsstreit der Schlagmann Baustoffwerke GmbH & Co. KG zeigen, warum diese Art der Versicherung sinnvoll ist: 1998 meldete der bayerische Baustoffhersteller die ersten Wärmedämmziegel zum Patent an. 2004 legten Mitbewerber, die ebenfalls Mauerziegel mit Dämmkern herstellten, Einspruch ein und wollten ihre Produkte ebenfalls schützen. Erst fünf Jahre später wurde dies vom Bundespatentgericht abgelehnt. Nun überlegt das Unternehmen rechtliche Schritte gegen Ziegelproduzenten vorzunehmen, welche das gleiche Prinzip anwenden.

 

Zehn Prozent der Unternehmen melden zwei Drittel der Patente an

In Deutschland werden 63 Prozent aller Patentanmeldungen von Großunternehmen getätigt. KMUs nutzen die Schutzrechte für ihre Erfindungen noch zu wenig. Die Initiative SIGNO des BMWi macht es sich zum Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen, Handwerksbetrieben sowie Existenzgründern zu verbessern. Ein Expertennetzwerk informiert über gewerblichen Rechtsschutz und hilft bei der Umsetzung von Erfindungen, zusätzlich werden finanzielle Fördermaßnahmen angeboten. SIGNO sieht sich als Anlaufstelle zu allen Fragen, von der Ideenfindung bis zur wirtschaftlichen Verwertung.

 

Auch Hochschulen und deren Patentvermarktungsgesellschaften werden von SIGNO gefördert. Letztere tragen dazu bei, dass Universitäten ihre Innovationen wirtschaftlich nutzen und sorgen für den Wissenstransfer in private Unternehmen. Die Patentvermarktungsgesellschaft PROvendis der 24 Hochschulen in Nordrhein-Westfalen nutzt seit kurzem die Versicherung von GMP über einen speziellen Rahmenvertrag. So können die Universitäten ihre Patente besser sichern. Werden diese Innovationen dann im Rahmen einer Lizenz von Firmen aus der freien Wirtschaft genutzt, können sich diese ebenfalls über einen speziellen Rahmenvertrag vor Angriffen Dritter schützen oder ihr Recht geltend machen.

 

Keine Vorveröffentlichung und strenge Geheimhaltung: Tipps für die Patentanmeldung

„Aufgrund mangelnder Erfahrung und Unwissenheit werden Fehler bereits vor der Einreichung einer Patentanmeldung gemacht“, weiß Claudia Gatzert, Patentanwältin bei der Meissner Bolte & Partner in München. Vor allem mit der Veröffentlichung von Erfindungen werde oft nachlässig umgegangen. „Vor der Anmeldung einer Erfindung zum Patent ist unbedingt darauf zu achten, dass die Erfindung nicht auf Messen oder in Fachzeitschriften bekannt gemacht wird“, erklärt Gatzert. Denn sonst ist diese Erfindung nicht mehr patentfähig beziehungsweise später als Patent angreifbar. Soll eine Entwicklung Geschäftspartnern präsentiert werden, ist es sinnvoll, alle Beteiligten eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen zu lassen. „Generell wird die Bedeutung eines professionellen Patentmanagements in vielen KMUs unterschätzt“, so Gatzert. Anmeldestrategien existieren also nicht und es gibt keine Wettbewerbs- und Technologieüberwachung, was erhebliche Nachteile für den Innovationsprozess im Unternehmen mit sich bringt.

 

Gibt es intern keinen Mitarbeiter mit den entsprechenden fundierten Sachkenntnissen, sollte ein Patentanwalt hinzugezogen werden. Denn inhaltliche Fehler in der Patentanmeldung sind später in den seltensten Fällen rückgängig zu machen und reduzieren die Chancen auf eine Patenterteilung erheblich. „Ein weiterer Punkt, der oft außer Acht gelassen wird, ist eine möglichst frühzeitige Anmeldung von Schutzrechten“, sagt Gatzert. Der Tag der Einreichung beim Patentamt sichert den Vorrang der Erfindung gegenüber anderen. Weiterentwicklungen können im so genannten „Prioritätsjahr“ jederzeit eingereicht werden.

 

„Kommt es zum Rechtsstreit zwischen KMUs und einem großen Konzern, können eigene Schutzrechte die Verhandlungsposition erheblich stärken“, so Gatzert. Die Rechtsschutzversicherung für Patente trägt dazu bei, die Angst vor den Kosten zu verringern, wodurch mehr Patentinhaber aktiv auf Rechtsverletzungen oder Anschuldigungen reagieren können. Dies kann letztendlich dazu führen, dass mehr KMUs Patente anmelden und so ihre Position gegenüber Konzernen gestärkt wird. Sind auf beiden Seiten Patente vorhanden, die für den jeweils anderen interessant sind, werden Konflikte häufig durch die Vergabe von Kreuzlizenzen gelöst. Die Bedingungen für solche Verhandlungen fallen besonders gut für denjenigen aus, der über ein starkes Patentportfolio verfügt. „Umso entscheidender ist es, frühzeitig mit der Anmeldung zu beginnen. Eine große Anzahl von Schutzrechten auf dem jeweiligen technischen Gebiet kann zu einem Wettbewerbsvorteil werden“, sagt Gatzert.

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