Finanzkriminalität proaktiv begegnen und Risiken minimieren
2008/10 | Fachbeitrag | Netzwerk

Networking – weniger ist mehr

von Klaus-Ulrich Moeller

Inhaltsübersicht:

Dass es modern klingt, wenn Führungskräfte sich als bekennende Netzwerker charakterisieren, ist noch kein Beweis dafür, dass Netzwerke tatsächlich unternehmerischen Mehrwert schaffen. Zwar verzeichnen Netzwerke, online und offline, immer neue Mitgliederrekorde, schaffen aber schnell auch ein hohes Frustrationslevel: Schon bald stehen die Teilnehmer vor Bergen nicht nutzbarer Visitenkarten, sind der langen An- und Abfahrten zu Präsenzveranstaltungen mit wildfremden Menschen überdrüssig, schlummern bei enttäuschenden Referenten schon einmal weg und erhalten insgesamt nur wenige konkrete Hinweise für die eigene Situation im Unternehmen. Aber die Sorge, den entscheidenden Tipp oder Kontakt zu verpassen, treiben sie doch immer wieder in die Netzwerke hinein. Und das nicht ohne Grund! Denn richtig konzipiert und umgesetzt, werden Netzwerke zu exzellenten Plattformen für einen erfolgreichen Erfahrungsaustausch.

 

Netzwerke simplifizieren

Sowohl in Online- als auch in Präsenznetzwerken stellt sich für die Teilnehmer immer wieder die gleiche Frage: Kann ich den Ratschlägen Dritter überhaupt vertrauen? Denn noch immer erweisen sich Hinweise häufig als veraltet, auf die eigene aktuelle Situation nicht zutreffend oder schlichtweg als falsch. Durch die fehlende Verlässlichkeit benötigen sie wiederum überproportional viel Zeit zur Überprüfung der Information. Außerdem können sie sich in offenen Netzwerken nie sicher sein, wie ihr Wissen verwertet wird. Das macht sie extrem vorsichtig und nicht offen, wie es Netzwerke versprechen. Netzwerkaustausch ist immer punktuell begrenzt, er umfasst nie nachhaltige Prozessbegleitung oder komplexere Sachverhalte. Netzwerke simplifizieren.

Klasse statt Masse

 

Wie kann man Netzwerke also produktiver machen? Die Antwort ist überraschend: Netzwerke dürfen nicht offen, sondern müssen vertraulich organisiert sein. Und sie müssen zunächst kleiner werden. Das erscheint paradox, aber die hohe Zahl der Teilnehmer, oft auch noch wechselnd, ist kontraproduktiv, weil sie zu viele unnütze Austauschvorgänge produziert. Netzwerke müssen auch nachhaltiger sein – mit festen Zirkeln von Personen, die sich gegenseitig kennen, um Problemtiefe und Vertrauen zu schaffen.

 

Ohne Vertrauen findet kein freier Erfahrungsaustausch statt, ohne Nachhaltigkeit kein Mehrwert. Das Geheimnis des erfolgreichen Networkens liegt in der Verdichtung von Austauschbeziehungen, nicht in deren quantitativer Ausweitung. Da viele Netzwerke aber kommerzielle Veranstaltungen und auf Wachstum ausgelegt sind, entziehen sie sich selber den Boden für eine höhere Produktivität. Es sind also Vertrauen, Interessenneutralität, Prozesstiefe, Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit, die den Erfolg ausmachen. Modelle hierfür gibt es im Markt durchaus. Eines davon ist TEC International, ein in den USA entstandenes, jetzt auch in Deutschland wachsendes Unternehmernetzwerk. Es arbeitet bewusst in regional organisierten Gruppen mit jeweils 12 bis maximal 15 Mitgliedern, Unternehmensgröße zwischen 20 und 500 Millionen Euro Umsatz. Für die optimale Zusammensetzung sorgt der Chairman einer jeden Gruppe.

 

Praxisbeispiel: Networking bei TEC International

 

In den monatlichen ganztägigen vertraulichen Arbeitssitzungen geht es bisweilen hart zur Sache: Wieso fehlt eine saubere Cashflow-Berechnung in der Präsentation für die Banken? Warum ist beim Engagement in Spanien keine Minderheitsbeteiligung ins Auge gefasst worden? Welche Konsequenzen zieht der CEO aus der jüngsten verheerenden Mitarbeiterumfrage, die er gerade vorgestellt hat? Wo ist die Unterlegung der neuen Vertriebsstrategie mit validen Marktdaten? Ist es richtig, nicht in Polen zu investieren? Warum hat ein anderer seine Lebenspartnerin nicht früher in seine USA-Pläne eingeweiht? Was ist jetzt zu tun? Es geht um Prozesstiefe und Nachhaltigkeit, Begleitung und Beratung.

 

Die vertraulichen Arbeitssitzungen, flankiert durch Vorträge und Vieraugengespräche, finden jeweils bei einem der Mitgliedsunternehmen statt. Vertriebsabläufe, Produktionsstrukturen, Unternehmenskultur – all das lässt sich direkt vor Ort viel praxisnäher darstellen als in sterilen Hotels und erlaubt gleichzeitig kritische Hinweise aus der Gruppe: Warum grüßt beim Werksrundgang keiner der Mitarbeiter? Ist die Tür zur Geschäftsleitung absichtlich geschlossen? Sind die Maschinen wirklich prozessorientiert aufgestellt? Würde nicht einem Kunden der Rost an der Abfüllanlage auffallen? Ein ungeschminkter Unternehmens-Audit, aber eben nicht durch einen einzigen Berater, sondern durch viele hochkarätige CEOs, die auch selber Ideen mitnehmen, wie andere Firmen Abläufe organisieren, Mitarbeiter einbinden, die Vertriebsmannschaft besser motivieren.

In der TEC-Gruppe wird nach Ursachen gebohrt. Das kann – ähnlich wie beim Zahnarzt – auch durchaus schmerzhaft sein, aber sehr heilsam. Denn oft zeigt sich, dass der Geschäftsführer ein Problem am völlig falschen Ende anpackt. Und das kann teuer werden. Dieses Modell zeigt: Networking, richtig gemanagt, kann durchaus als neues Führungs- und Managementmethodik für die unmittelbare Zukunft taugen.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Best-Practice-Sharing: Mehr Effizienz bei Forschung & Entwicklung

WISSENplus
WeItweit stehen Unternehmen vor stetig wachsenden Herausforderungen: Es gilt, international zu agieren und fortlaufend neue Innovationen oder Produktvariationen mit kürzer werdenden Produktlebenszyklen auf dem Markt anzubieten. Vom Markt werden sowohl Produktneuheiten als auch kontinuierlich verbesserte Varianten von bestehenden Produkten gefordert. In der Beherrschung dieser Herausforderungen sind besonde...

Weiterlesen

Interdisziplinäre Produktentwicklung durch gezielten Erfahrungsaustausch

WISSENplus
Eine erfolgreiche Produktentwicklung ist heutzutage längst nicht nur auf die Forschungs- und Entwicklungsabteilung beschränkt. Es ist ein interdisziplinärer Prozess, in dem alle relevanten Abteilungen entlang der gesamten Produktionskette zusammenarbeiten müssen. Aus diesem Grund ist eine strukturierte Vorgehensweise, mit der das gemeinsame, bereichsübergreifende Wissen effektiv geteilt wird, unabdingb...

Weiterlesen

Storys, Diskussionen & Verhandlungen: Kommunikation hat viele Formen

WISSENplus
Geschichten schreibt das Leben. Täglich kommen wir in Situationen, die sich einfach nur erzählen lassen. Aus ihnen können wir lernen, wir können Sachverhalte verdeutlichen, sodass sie besser verstanden und länger erinnert werden. Geschichten funktionieren am Stammtisch, bei der Weihnachtsrede und in der PowerPoint-Präsentation. Aber auch bei Diskussionen und Verhandlungen lassen sich Geschichten gezie...

Weiterlesen

Lernen aus Erfahrung: Was die Generation 50plus alles weiß

WISSENplus
Angesichts des demografischen Wandels wird die Frage nach Instrumenten, mit denen das Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter in der Firma gehalten werden kann, immer bedeutsamer. Denn Fakt ist: Der Wirtschaftsstandort Deutschland und unsere Unternehmen können sich langfristig und nachhaltig nur behaupten, wenn diese die Ressourcen und Potenziale aller Führungskräfte und Mitarbeiter optimal nutzen – gera...

Weiterlesen

Mit Storytelling Wissen & Werte kommunizieren

WISSENplus
Geschichten zu erzählen und anzuhören macht Spaß – und die meisten Menschen können dies stundenlang tun. Geschichten sind die natürlichste Form von Wissen, Gedächtnis und Kommunikation. [1] Im beruflichen Alltag lernt man fachlich und menschlich viel aus den Geschichten erfahrener Kollegen. Über Geschichten erfährt man auch, welche moralischen Werte in einer Firma herrschen. Umgekehrt lassen sich ...

Weiterlesen

Five Minute Stories: Mitarbeiterbefragungen neu erzählt

WISSENplus
Die klassische Form der Mitarbeiterbefragung befindet sich im Wandel. Die Grenzen groß angelegter, standardisierter (Online-)Fragebögen werden immer deutlicher. Vor allem wenn es um die Abfrage von Einstellungen und Meinungen von Mitarbeitern zu strategischen Themen geht, ist die Aussagekraft und Tiefe der Ergebnisse oft enttäuschend....

Weiterlesen

Social Publishing als neue Form der Wissensverbreitung

Das neue Jahrzehnt wird das Jahrzehnt der sozialen Netzwerke. Bereits heute sind Milliarden Menschen weltweit auf diese Art miteinander verbunden – für das Business-Network beispielsweise bei XING oder LinkedIn, privat bei Facebook, die Jüngsten nutzen SchülerVZ, um sich nach der Schule mit Klassenkameraden und Freunden auszutauschen. Die aktuellen Zahlen sind beeindruckend: Facebook zählt mittlerweil...

Weiterlesen

Mit Wissen und Erfahrung

Seit über zehn Jahren verfolgt die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) e. V. dasselbe Ziel: Mitgliedern schnell und umfassend Informationen an die Hand zu geben, die sie dabei unterstützen, ihre Geschäftsprozesse zu verbessern. Neben der Förderung des Erfahrungsaustauschs unter den Mitgliedern versucht sie zudem, Einfluss auf die Strategien und das SAP-Porfolio zu nehmen, um bedarfsgerechte Lösu...

Weiterlesen