2009/2 | Fachbeitrag | Weiterbildung

Multiplikatoren als Botschafter neuen Wissens

von Bernhard Kuntz

Inhaltsübersicht:

Jahrelang feilte das Handelsunternehmen Groß-Umsatz an seiner Händlerplattform. Millionen investierte es in die Entwicklung von dessen technischen Features. Nun ist das Portal endlich installiert und der Verkaufsleiter wartet gespannt darauf, was geschieht. Aber es passiert einfach gar nichts! Weiterhin übermitteln die Händler ihre Bestellungen per Telefon und E-Mail, so als existiere die Plattform nicht. Warum? Die Händler wurden zwar über die Existenz der neuen Plattform informiert, aber nicht in deren Nutzung geschult. Ähnlich verhält es sich beim Produktionsunternehmen Schaff-viel. In mühevoller Kleinarbeit strukturierte es seine Produktion um – mit dem Ziel, die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Fehlerquote zu senken. Neugierig beugt sich denn auch der Geschäftsführer Woche für Woche über die aktuellen Zahlen und ist zunehmend enttäuscht, dass sich kein Aufwärtstrend abzeichnet. Der Grund: Die Mitarbeiter arbeiten wie gewohnt weiter.

 

Illusion: Das geht von alleine

 

Wenn Unternehmen neue Strategien, Verfahren oder Problemlösungen einführen, dann stellt man immer wieder fest: Die Anfangseuphorie verfliegt schnell, da die erhoffte Wirkung ausbleibt. Nicht weil die Lösung an sich schlecht wäre, sondern weil die Personen, für die diese entwickelt wurde oder die mit ihr arbeiten sollen, ihren Nutzen nicht erkennen und ihr Verhalten nicht verändern. Das beachten Unternehmen bei der Planung und Einführung neuer Techniken, Strategien oder Abläufe oft nicht. Und wenn doch? Dann werden die budgetierten Unterstützungsmaßnahmen, wie Wolfgang J. Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter der Schmitt Wirtschaftsberatungsgesellschaft, Würzburg, betont, oft kurzfristig gestrichen. Denn meist verschlingt das Entwickeln der Problemlösungen mehr Geld als geplant. Also stehen die Verantwortlichen irgendwann vor der Frage: „Wie können wir das Budget einhalten?“ Zum Beispiel, indem sie die Trainings für die Mitarbeiter streichen. Ähnlich reagieren die Verantwortlichen oft, wenn sie feststellen: „Wir halten den Zeitplan nicht ein.“

Wie erfolgreich die Einführung einer neuen (Problem-)Lösung verläuft, hängt demzufolge stark davon ab, inwieweit das betreffende Unternehmen seinen Mitarbeitern oder Partnern die nötige Kompetenz vermittelt, diese effektiv zu nutzen. Dabei ist die Zeitspanne, in der das Unternehmen den Anwendern die notwendigen Skills vermitteln kann, oft recht kurz. Zuweilen beträgt sie nur wenige Tage. So zum Beispiel, wenn ein Unternehmen eine neue Service-Plattform für seine Handelspartner einführt. Haben diese bei ihren ersten Versuchen den Eindruck: „Die Anwendung funktioniert nicht“, ist oft das gesamte Projekt ein Flop. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Unternehmen für seine Kundenbetreuer im Innen- und Außendienst eine neue Beratungssoftware implementiert. „Auch dann ist das ‚Window of Opportunities’“, wie Christian Herlan weiß, „meist nur wenige Wochen offen.“ Das heißt: In dieser Zeit entscheidet es sich, ob die User die Software aktiv und effektiv nutzen oder ob sie in das System nur deshalb einige Daten eintragen, damit die Vorgaben formal erfüllt sind.

 

Kernfrage: Wie können wir viele Leute rasch schulen?

 

Doch wie können Unternehmen einer großen Anzahl von Personen in relativ kurzer Zeit das nötige Bewusstsein, Wissen und Können vermitteln, das sie zum Arbeiten mit einer neuen Problemlösung und in veränderten Strukturen benötigen? Laut Wolfgang J. Schmitt eignen sich hierfür folgende drei Wege:

  • Weg 1: Das Unternehmen trainiert alle Mitarbeiter (beziehungsweise Händler und User) mit eigenem Schulungspersonal. Das scheitert oft daran, dass den Betrieben zu wenig Weiterbildungsprofis zur Verfügung stehen.
  • Weg 2: Das Unternehmen überträgt die Schulungsaufgabe einem externen Trainingsanbieter. Damit sind jedoch meist sehr hohe Kosten verbunden. Außerdem kennen die Mitarbeiter des externen Dienstleisters in der Regel die Abläufe und Feinstrukturen im Unternehmen nicht. Also müssen sie selbst erst aufwändig geschult werden, bevor sie selbst die Coachingfunktion übernehmen können.
  • Weg 3: Das Unternehmen bildet firmenintern, bevor es die Neuerung einführt, so genannte „Multiplikatoren“ aus. Das heißt: Es lässt ausgewählten Mitarbeitern das nötige Know-how und die erforderliche Kompetenz zum Schulen anderer Personen vermitteln. Danach trainieren diese wiederum ihre Kollegen oder die Kunden des Unternehmens. Durch ein solch mehrstufiges Vorgehen lässt sich die für das Schulen großer Personengruppen benötigte Zeit erheblich verkürzen.

 

Die Lösung: Eigene Mitarbeiter als Wissensvermittler qualifizieren

 

Ein solches Vorgehen hat gegenüber dem Schulen durch externe Trainingsanbieter noch weitere Vorteile: Die internen „Trainer“ stehen, wenn beim Umsetzen im Alltag Probleme auftauchen, weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung. Hinzu kommt ein Plus, das man nach Auffassung von Herlan nicht unterschätzen sollte: „Verfügen die Mitarbeiter oder Führungskräfte erst einmal über die nötige Kompetenz, um Wissen anderen Personen strukturiert zu vermitteln, kann auf diese Kompetenz immer wieder zurückgegriffen werden.“ Werden die internen Trainer aus der Führungsriege rekrutiert, erhöht sich außerdem deren Kompetenz, ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag auch bei anderen Arbeiten professionell anzuleiten und zu coachen“. Solche Train-the-Trainer-Ausbildungen müssen jedoch anders konzipiert sein, als Ausbildungen für hauptberufliche Trainer. Sie dürfen sich laut Wolfgang J. Schmitt zum Beispiel nicht über anderthalb oder gar zwei Jahre erstrecken und sollten sich zudem auf die so genannten „Bullet Points“ fokussieren, die für die Wissensvermittlung an Mitarbeiter oder Kollegen unabdingbar sind.

Diese Rückmeldung erhielt auch Udo Albert, der bei der IHK Würzburg den Bereich Anpassungsweiterbildung leitet, in Gesprächen mit Unternehmen immer wieder. Deshalb bietet zum Beispiel die IHK Würzburg eine Trainerausbildung an, in der sich die Mitarbeiter von Unternehmen binnen einer Woche zum „Trainer (IHK)“ weiterbilden können. Hier bekommen die Teilnehmern weitgehend das Wissen vermittelt, das auch im Programm der klassischen Trainerausbildungen steht – in komprimierter Form. Dazu zählen unter anderem Didaktik und Methodik. Was jedoch fehlt, sind Themen wie Auftragsklärung. Denn „bei firmeninternen Schulungsmaßnahmen ist der Auftrag nebst den Zielen, die mit der Maßnahme verbunden sind, in der Regel vorgegeben. Darüber braucht man nicht mehr lange debattieren“, so der IHK-Weiterbildungsexperte Udo Albert.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Weiterbildung in Europa

WISSENplus
Nicht erst seit der Wirtschaftskrise wollen Angestellte und Arbeiter in Europa ihr Wissen mit Weiterbildung erweitern. Dabei sind regionale Unterschiede zu erkennen: Vor allem Süd- und Osteuropäer holen auf. Sie investieren immer mehr Zeit und Geld in ihre persönliche Qualifizierung. Dabei spielt auch E-Learning eine immer wichtigere Rolle....

Weiterlesen

„Schau hin!“ Video-Tutorials auf dem Vormarsch

WISSENplus
Als am 03. August 1984 um 10:14 Uhr Michael Rotert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Telematik an der Universität Karlsruhe, die Botschaft von Deborah Brittner aus dem US-Bundesstaat Massachusetts auf seinem Terminal erhielt, konnte er nicht erahnen, dass dies die Geburtsstunde einer neuen Art der Informationsverteilung sein würde: Deborah Brittner war eine Mitarbeiterin des CSNET, ei...

Weiterlesen

Transdisziplinäres Lernen in realen & virtuellen Welten

WISSENplus
Veränderungen in der Arbeitswelt bedingen, dass sich die Anforderungen an die Mitarbeitenden in fertigungstechnischen Unternehmen ebenfalls verändern. Neben den fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten werden vermehrt transdisziplinäres Denken, Kommunikations- und Teamfähigkeit gefordert. Die Hochschulen werden künftig verstärkt mit ihren Studien- und Fortbildungsangeboten diesen Anforderungen Rechnung...

Weiterlesen

Smart Learning: Weiterbildung neu gedacht

Auch in der betrieblichen Weiterbildung ist derzeit scheint angesichts von Kontaktbeschränkungen und Abstandsgeboten ein einfaches "Weiter so!" nicht möglich. Und vielerorts auch gar nicht gewollt, denn wer sich in den vergangenen drei Monaten an Homeoffice und vernetztes Arbeiten gewöhnt hat, der will nicht unbedingt zurück in alte Muster. Freie Zeiteinteilung und Selbstbestimmung gehören zu den groß...

Weiterlesen

Kernkompetenz Resilienz

WISSENplus
Zugluft, Allergien auslösende Chemikalien, ohrenbetäubender Lärm – solche Krankmacher am Arbeitsplatz können Unternehmen leicht identifizieren. Ähnlich verhält es sich bei den meisten Arbeitsunfällen. Quetscht sich ein Produktionsmitarbeiter beim Stanzen die Hand, ist sofort klar, wodurch der Unfall verursacht wurde. Also können auch Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Anders sieht es bei den psychi...

Weiterlesen

Viktoriaschule Aachen setzt auf Cloud-managed WLAN

WISSENplus
In einer Gruppenarbeitsphase recherchieren Schülerinnen und Schüler gemeinsam zu einer aktuellen Frage im Geschichtsunterricht mit schuleigenen Tablets. Währenddessen stellt ein Physik-Lehrer im Fachraum seiner Klasse online Materialien zur Verfügung und streamt im Anschluss daran über WLAN die Aufzeichnung eines aufwändigen Experiments mit dem Beamer. Nach dem Unterricht sichten Lehrkräfte Arb...

Weiterlesen

Big Data in HR: Viel Potenzial, wenig Akzeptanz

WISSENplus
Roboter rekrutieren zukünftig neue Mitarbeiter. Software-Programme lesen aus, welche Führungsprinzipien zum Erfolg führen. Und Algorithmen liefern die Information, wann jemand kündigen möchte – noch bevor es der Mitarbeiter selbst weiß. In den Medien werden die Möglichkeiten von Big Data, der Analyse von Daten, die Bewerber und Mitarbeiter produzieren oder die in der Personalabteilung anfallen, bis...

Weiterlesen

Generation Y als Treiber eines „neuen“ Innovationsmanagements

WISSENplus
Natürlich waren und sind creaktive Ideen auf motivierte Mitarbeiter angewiesen. Doch bisher haben Führungskräfte ihre Mitarbeiter dafür höchstens in Crea-Seminare geschickt, in denen sie mit einem gut gefüllten Crea-Werkzeugkasten ausgerüstet wurden. Anders ausgedrückt: Das „klassische“ Innovationsmanagements ist sehr toolbasiert. Brainstorming gilt als die Methode, mit der sich Innovationen...

Weiterlesen