2001/2 | Fachbeitrag | Anreizsysteme

Motivieren für die Wissensteilung und die Wissensentwicklung

von Klaus North und Nadja Varlese

 

Von Klaus

North und Nadja

Varlese

 

 

Inhaltsübersicht:

 

 

 

In vielen

Veröffentlichungen zum Thema Wissensmanagement wird die mangelnde

Bereitschaft der Mitarbeiter zur Wissensteilung unterstrichen [1].

Aussagen wie "Wissen ist Macht" oder "Ich werde nicht

dafür bezahlt, dass ich Ihnen helfe, sondern dafür, dass

mein Geschäft läuft" zeigen, dass das Mitarbeiterverhalten

und die bestehenden Zielsysteme einer effizienten Wissensteilung

und Wissensnutzung oft im Wege stehen. Wenn jedoch Wissensmanagement

zum Unternehmenserfolg beitragen soll, müssen die Mitarbeiter

zur Teilnahme an einer wissensbasierten Unternehmenskultur motiviert

werden. Hierzu können Anreizsysteme beitragen.

 

 

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Anreizsysteme

 

 

Unter Anreizsystem

im engeren Sinne sind alle Maßnahmen zu verstehen, deren vorrangiges

Ziel die Erhöhung der Mitarbeiter-Motivation ist [2].

Für Unternehmen sind diejenigen Anreize interessant, welche

die Motivation im Sinne der Erreichung des Unternehmensziels fördern.

 

 

Anreizsysteme

können nur dann adäquat wirken, wenn sie auf die zu Grunde

liegende Motivation der Menschen ausgerichtet sind. Die Motivationsforschung

unterscheidet idealtypisch zwischen extrinsischer Motivation, die

im Wesentlichen durch materielle Anreize zu steuern ist, und intrinsischer

Motivation, für die Selbstverwirklichung und Anerkennung mehr

bedeutet.

 

 

Arbeitsmotive Anreize

extrinsische
Arbeitsmotive:

  • Geld
  • Sicherheit
  • Geltung
 

materielle Anreize,
z.B.:

  • Gehaltserhöhung, Prämien
  • Renten, Kredite
  • Statussymbole
 

intrinsische
Arbeitsmotive:

  • Kontakt
  • Leistung
  • Sinngebung und Selbstverwirklichung
 

Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der Arbeit (durch einen entsprechenden Führungsstil):

  • Ausflüge, Vereinstätigkeiten
  • Feedback über eigene Leistung (z.B. durch Anerkennung oder Kritik)
  • Selbstständigkeit (durch flexible Arbeitszeiten und Mitsprachemöglichkeiten)
  • Lernmöglichkeiten durch anspruchsvolle Tätigkeiten
  • Aufstieg
  • Aufhebung extremer Spezialisierung durch Job-Rotation, Job Enlargement und Job Enrichment
 

 

 

Je mehr

sich die Wirtschaft hin zu wissensbasierten Organisationen, wie

z.B. Beratungsunternehmen, entwickelt, desto bedeutungsvoller wird

es für den Unternehmenserfolg, die Wissensarbeiter im Unternehmen

zur Nutzung, Teilung und Entwicklung ihres Wissens zu bewegen. Anreizsysteme,

die die Motivationsstrukturen hochqualifizierter Mitarbeiter berücksichtigen,

gewinnen in der Folge an Bedeutung.

 

 

Während

herkömmliche Formen der leistungsbezogenen Entlohnung vielfach

auf extrinsischer Motivation aufbauen, ist für die Wissensteilung

und Wissensentwicklung die intrinsische Motivation ausschlaggebend

[3]. Bestimmte und

oft gerade die wichtigsten Teile des in einer Firma vorkommenden

Wissens lassen sich weder aufschreiben noch in Symbolen ausdrücken.

Dieses implizite Wissen ist nicht messbar, mehrere Mitarbeiter sind

an der Übertragung beteiligt, ohne dass der jeweilige Einzelbeitrag

für eine Wissens-Prämie ermittelt werden könnte.

Zur Förderung des Wissenstransfers ist eine mit den Zielen

des Unternehmens kompatible intrinsische Motivation erforderlich.

Auch kreative Tätigkeiten im Hinblick auf die Wissensentwicklung

beruhen weitgehend auf intrinsischer Motivation. Ebenso werden Lernprozesse

durch intrinsische Motivation gefördert ("Ich lerne, weil

mich das Thema interessiert") gegenüber der extrinsischen

Motivation ("Ich lerne, weil ich dafür etwas bekomme").

 

 

 

Bei der Ausgestaltung

wissensorientierter Anreizsysteme ist zu beachten, dass jeder Mitarbeiter

des Unternehmens ein Wissensträger ist, den es durch individuell

gestaltbare Anreizsysteme zur Erreichung der Wissens- und Unternehmensziele

zu motivieren gilt. Doch ist die Bezugsgröße für

Wissensmanagement schwer zu definieren: Die bloße Menge an

Wissen, die ein Mitarbeiter erwirbt und kollektiv verfügbar

macht, stellt keine geeignete Bezugsgröße dar, da sie

keinen Rückschluss auf Qualität und Nutzen zulässt.

Aus diesem Grund sollten mit den Mitarbeitern konkrete Wissensziele

als Bezugsgröße für das Anreizsystem vereinbart

werden.

 

 

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Gruppenbezogene Vergütung

 

 

Der Trend zur

Gruppenarbeit macht die Wissens(ver)teilung zu einem zentralen Erfolgsfaktor.

Die auf Leistung des Individuums ausgerichteten Anreizsysteme sind

jedoch ein dominierendes Hindernis beim Wissensaufbau und -transfer

innerhalb einer Gruppe. Der Wissenstransfer kann durch eine gruppenorientierte

Vergütung gefördert werden. So vergibt ein Unternehmen

keinen individuellen Bonus, sondern macht diesen abhängig von

Team-, Bereichs- und Unternehmensergebnissen. Die Mitarbeiter werden

dadurch motiviert, gemeinsam Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten

und zu realisieren.

 

 

Eine andere

Möglichkeit ist die Kopplung eines erheblichen Teils des Gehaltes

an den Gesamterfolg des Unternehmens. Durch diesen finanziellen

Anreiz werden die Mitarbeiter motiviert, im Sinne des Gesamterfolgs

des Unternehmens zu handeln. Während diese Vergütungsform

in den USA und Europa vielfach für obere Führungskräfte

gilt, ist in Japan eine erfolgsabhängige, variable Vergütung

auch für Arbeiter und Angestellte üblich.

 

 

 

In den USA

bezieht das Topmanagement häufig den größten Teil

des Einkommens aus so genannten Stock Options. Stock Options geben

den Mitarbeitern das Recht, Aktien des eigenen Unternehmens zu einem

festen Preis an einem bestimmten Termin zu erwerben. Die Differenz

zwischen dem dann geltenden Kurs und dem durchschnittlichen Wachstum

der Branche – gemessen an einem Branchenindex – kann der

Mitarbeiter als attraktives Zusatz-Einkommen verbuchen. Bei der

Kaffeehaus-Kette Starbucks sind sogar sämtliche Angestellte

per Stock Options direkt am Unternehmenserfolg beteiligt. Dadurch

besteht ein Interesse, das persönliche Wissen auch über

die Grenzen des eigenen Verantwortungsbereichs zum Nutzen des Gesamtunternehmens

einzusetzen.

 

 

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Management by Knowledge Objectives

 

 

 

Beim Management

by Objectives werden zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter Ziele

vereinbart, die Verantwortung jedes Einzelnen in Form von erwarteten

Ergebnissen definiert und das Ergebnis schließlich anhand

von Soll/Ist-Vergleichen gemessen.

 

 

Eine Erweiterung

des Zielkatalogs um individuelle Wissensziele wird als Management

by Knowledge Objectives bezeichnet. Dabei sind die operativen und

strategischen Wissensziele Ausgangspunkt der Zielvereinbarungen.

Die Ziele können sich sowohl auf die Erweiterung der persönlichen

Kompetenz richten als auch auf die Weitergabe von Wissen (z.B. beim

Einarbeiten eines Nachfolgers). Die Qualifizierungsziele werden

periodisch gemessen und angepasst. Der Mitarbeiter selbst ist aufgefordert,

sich an der Zielbildung zu beteiligen.

 

 

Ein amerikanisches

Industrieunternehmen hat kombiniert mit den Zielvereinbarungen Anreize

in Form von Prämien geschaffen: Dazu wird in so genannten Skill

Blocks das für bestimmte Tätigkeiten benötigte Wissen

definiert. Ein erfolgreicher Abschluss eines Skill Blocks führt

zu einer Gehaltserhöhung. Dabei muss sich der Mitarbeiter einer

Prüfung unterziehen, die der Vorgesetzte und diejenigen Kollegen,

die diesen Skill Block bereits beherrschen, bewerten. Durch dieses

Anreizsystem wurden eine erhöhte Flexibilität und spürbareVerbesserungen

der Arbeitsprozesse erreicht.

 

 

 

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Integration von Wissenszielen in Arbeitsprozesse

 

 

Eine andere

Variante der Zielvereinbarungen ist die Integration von Wissenszielen

in den Arbeitsprozess, an dem dann die Entlohnung anknüpft.

So kann z.B. bei einem Beratungsunternehmen die Leistung der Berater

nach verschiedenen Kriterien bewertet werden, wovon eines lautet:

"Beitrag zum Wissensbestand der Firma sowie dessen Nutzung".

Bei einem anderen Unternehmen wird ein Teil der Entlohnung des einzelnen

Mitarbeiters von seinen Aktivitäten bei der Wissensweitergabe

(z.B. in so genannten Lessons Learned) bestimmt. Die Wissensunterstützung

geht in die jährliche Mitarbeiterbeurteilung ein.

 

 

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Wissensbezogene Kriterien in Mitarbeiterbeurteilung

und

-entwicklung

 

 

In der Mitarbeiterbeurteilung

und in periodisch stattfindenden Mitarbeitergesprächen (beispielsweise

nach Projektabschlüssen) werden zunehmend Kriterien des Wissensaufbaus

präzisiert. Leitfragen können sein:

 

  • Was haben Sie im vergangenen Jahr getan, um Ihre eigene Kompetenz zu steigern?
  • Was haben Sie zur Weiterentwicklung der organisationalen Wissensbasis des Unternehmens beigetragen (z.B. durch Mitarbeit in Netzwerken, Einstellung von Projektprofilen in die Datenbanken etc.)?
  • Was haben Sie als Vorgesetzter getan, damit die Ihnen zugeordneten Mitarbeiter ihre Kompetenz entwickelt und ihr Wissen weitergegeben haben?

 

 

Die Integration

von Wissensmanagement in die Mitarbeiterbeurteilung stellt sicher,

dass die Mitarbeiter langfristig angehalten sind, Wissensmanagement

aktiv zu betreiben, um sich im Unternehmen zu entwickeln. Dies bedeutet

jedoch auch eine Neudefinition von Karriere, die auf der Anerkennung

der fachlichen und sozialen Kompetenz beruht.

 

 


Anerkennung

 

 

Anerkennung

als Fachmann auf einem Gebiet ist ein wichtiger Anreiz zur Verstärkung

intrinsischer Motivation. Mit dieser Anerkennung ist zugleich die

Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verbunden. Das verbreitete

Engagement in Vereinen, Berufsverbänden und Ehrenämtern

zeigt, wie stark motivierend Anerkennung wirkt.

 

 

 

Die Möglichkeit,

sich als Mitarbeiter mit der eigenen Homepage im Intranet zu präsentieren

und ein Wettbewerb über die am meisten von den individuellen

Homepages heruntergeladenen Dokumente sind Möglichkeiten, Engagement

für Wissensteilung zu honorieren.

 

 

Oder das Beratungsunternehmen

CSC Ploenzke AG fragt beispielsweise: "Karriere, was ist das

eigentlich?" Und beantwortet die Frage:

 

Bei CSC Ploenzke haben Sie Karriere gemacht,

  • wenn man Sie fragt
  • wenn man Ihren Rat holt
  • wenn man Ihnen Informationen gibt
  • wenn man Ihnen traut und viel zutraut
  • wenn man Ihnen viel Spielraum (Raum zum Spielen) lässt
  • wenn man Ihnen Verantwortung überträgt!

Kurz, wenn Sie gefragt sind, bei Kunden und Kollegen.

 

 

Das Unternehmen

American Management Systems (AMS) hat das Lotus-Notes-basierte System

Virtual Knowledge Center eingeführt. Die Berater, die Fallstudien

in das System einstellen, werden auf einer Bronzeplatte am Hauptsitz

von AMS in Fairfax namentlich aufgeführt. Zusätzlich werden

die am meisten genutzten Dokumente des Virtual Knowledge Centers

veröffentlicht. Die Berater mit der höchsten Platzierung

haben die Möglichkeit, an der jährlichen Veranstaltung

Knowledge Center Conference teilzunehmen. AMS berichtet, dass im

ersten Quartal nach Einführung dieser Anreize 50 neue Studien

in das System eingestellt wurden. Dies entspricht der kompletten

Leistung des Vorjahres.

 

 

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Freiräume

 

 

 

Zeit ist für

Wissensarbeiter ein immer knapper werdendes Gut. Wissensteilung

und Wissensentwicklung können daher mit dem Schenken von Zeit

und dem Schaffen von Freiräumen honoriert werden: Die Möglichkeit,

für ein halbes Jahr Urlaub zu nehmen, ein MBA-Programm zu besuchen

oder 10% der Arbeitszeit zur freien Verfügung zu haben, können

stärkere Anreize sein als Bezahlung und hierarchischer Aufstieg.

Auch die Möglichkeit, mit führenden Experten in einem

Projektteam zu arbeiten, komplexe Probleme zu lösen, Fortschritte

in ihrem Berufsfeld mitzugestalten oder die Freiheit in der Suche

nach neuen Lösungen, gut ausgestattete Arbeitsplätze und

Anerkennung für ihre Leistungen motivieren Wissensarbeiter.

 

 

 

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Wissen teilen gewinnt Meilen

 

 

Zur Sensibilisierung

und Motivation für Wissensmanagement sind spielerische Anreize

nützlich, die formale Anreizsysteme ergänzen. So wurde

in einer Unternehmensberatung die Initiative "Wissen teilen

gewinnt Meilen" ins Leben gerufen, die inzwischen von einer

Reihe von Unternehmen genutzt wird.

 

Wir wollen dazu motivieren Wissen zu teilen, den Kollegen Hilfe anzubieten, erfolgreiche Konzepte aus der Projektarbeit offensiv zur Verfügung zu stellen. Hierzu wollen wir die Mitarbeiter in unserer Organisation finden, die Wissen aktiv an andere weitergeben.

Die Spielregeln:

  1. Sie erhalten pro Quartal 50 Punkte, die Sie an Kollegen verteilen können (aber nicht müssen), die Sie besonders unterstützt haben.
  2. Sie stellen sich folgende Fragen:
    Wer hat mich bei der Lösung eines Problems aktiv unterstützt?
    Wer hat mich an seinen Erfahrungen teilhaben lassen?
    Wer fördert Wissensaufbau und -transfer in unserem Unternehmen besonders?
  3. Sie schicken zum Quartalsende per E-Mail Ihre Punkteverteilung ans Meilensekretariat.
  4. Die mit Punkten bedachten Kollegen sammeln diese Punkte auf ihrem Meilenkonto und können sich zum Ende des Geschäftsjahres nach der Meilenzahl gestaffelt ein Geschenk aus dem Geschenk-Repertoire aussuchen (z.B. hochkarätige Seminare nach eigener Wahl, inkl. Seminargebühr und Reisespesen).
 

 

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Fazit

 

 

Die Bereitschaft

zu Wissensaustausch und Wissensgenerierung wird in Zukunft immer

mehr den Unternehmenserfolg bestimmen, so dass die Unternehmensleitung

in besonderer Weise gefordert ist, die Mitarbeiter dahingehend zu

motivieren. Sie sollte in die aktive und systematische Gestaltung

der Anreizsysteme für ihre Mitarbeiter mehr Engagement investieren,

als dies bislang in den meisten Unternehmen im Rahmen von Wissensmanagement

der Fall ist. Insbesondere sollten intrinsische Motive durch entsprechende

Anreize unterstützt werden. Die Unternehmensleitung leistet

damit einen maßgeblichen Beitrag zu einer zeitgemäßen,

mitarbeiterorientierten, zugleich wissensbejahenden Unternehmenskultur.

 

 

 

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Literatur

 

 

[1] North,

K.: Wissensorientierte Unternehmensführung. 2. Aufl. Wiesbaden

1999.

 

 

[2] Frese,

E.: Grundlagen der Organisation. 7. Aufl. Wiesbaden 1998.

 

 

[3] Frey, B.S./Osterloh,

M.: Pay for Performance – Immer empfehlenswert? In: Führung

und Organisation 2/2000, S. 64-69.

 

 

 

Varlese, N.:

Entwicklung eines Anreizsystems zur Förderung von Knowledge

Management am Beispiel einer Unternehmensberatung. Diplomarbeit

Fachhochschule Wiesbaden. Fachbereich Wirtschaft 2000.

 

 

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