2007/2 | Fachbeitrag | Wissenstransfer

Miteinander statt gegeneinander: Wissensmanagement in Forschung und Lehre

von Nicola Moeßner

Von Nicola Mößner

Inhaltsübersicht:

 

 

Initiatoren eines übergreifenden Wissensmanagements stehen im Bereich öffentlicher Hochschulen nach wie vor vor dem Problem, sinnvolle Ansätze für die unterschiedlichen Anforderungen und Arbeitsmentalitäten in den klassischen drei Sektoren Verwaltung/Technik, Forschung und Lehre zu entwickeln. Darüber hinaus müssen sie auch die universitäre Ausdifferenzierung in unterschiedliche Fakultäten und untergeordnete Institute berücksichtigen.

 

Ist-Stand: Wissensmanagement an Universitäten und Hochschulen

 

Ansätze zur technischen Optimierung lassen sich leicht auf allen Ebenen des Hochschulwesens ausmachen: Elektronische Medien unterstützen bereits die meisten Arbeitsabläufe und erleichtern damit die täglichen Prozesse im universitären Verwaltungsbereich. Bestrebungen zur Vereinheitlichung der eingesetzten IT-Struktur bringen weitere Fortschritte mit sich. Die schrittweise Einführung elektronisch unterstützter Lehrangebote (sei es in der reinen Form des E-Learnings oder in der hybriden Erscheinungsweise des Blended Learnings) fördert im Bereich der Lehre die gemeinschaftliche Nutzung webbasierter Lernplattformen. Auch der Forschungssektor zeichnet sich durch ein breites Spektrum technischer Neuerungen aus wie z.B. der Förderung und des Ausbaus der open-access-Bewegung im internationalen Maßstab. In Verbindung damit ergeben sich mittlerweile auch Entwicklungen und Anregungen auf der organisatorischen und personalen Ebene des Wissensmanagements. Hierzu zählen u.a. die Förderung des Vorschlagswesens und der Teamarbeit im Verwaltungsbereich sowie erste Ansätze zum Content Sharing in der Lehre.

 

Die Herausforderung: Fächerübergreifende Zusammenarbeit

 

Dennoch stellt die – insbesondere in der geisteswissenschaftlichen Forschung und Lehre – vorherrschende Einzelkämpfe¬rmentalität der Hochschullehrenden eine große Hürde für gezielte und langfristig orientierte Vorhaben des Wissensmanagements dar. Gerade die fächerübergreifende Zusammenarbeit und die Vernetzung von Forschern aus natur- und geisteswissenschaftlichen Arbeitsbereichen zur Teilung von Informationen, zur wechselseitigen Nutzung von Spezialwissen und zur Erzielung daraus erwachsender Synergie-Effekte sind immer noch eine Ausnahme, vor allem im nationalen Kontext der deutschen Hochschullandschaft.

Mit der Etablierung des Zentrums für Wissenschaftstheorie (ZfW) hat die Westfälische Wilhelms-Universität Münster eine solche Initiative erfolgreich vorangetrieben. Das Zentrum wurde im Januar 2006 unter Beteiligung von Vertretern aus sieben Fachbereichen gegründet, zu denen so unterschiedliche Fächer wie Philosophie, Physik, Medizin und Wirtschaftswissenschaften zählen. Schon die Planungsphase machte deutlich, dass auf Seiten verschiedener Disziplinen ein erheblicher Bedarf an interdisziplinärer wissenschaftstheoretischer Arbeit und Forschung besteht. Dies verwundert nicht, da viele Fächer die Wissenschaftstheorie als grundlegende Wissenschaft des Wissens begreifen. In ihren Aufgabenbereich fällt die Thematisierung der methodischen Voraussetzungen des jeweiligen Forschungsfeldes. Die angestrebte forschungsleitende und forschungskritische Funktion kann die Wissensschaftstheorie jedoch nur dann in vollem Umfang erreichen, wenn sie im Kontext ihrer Anwendungen in unterschiedlichen Disziplinen betrieben wird. Zu den Zielen des ZfW zählen daher u.a. die Verknüpfung und Intensivierung der Forschungs- und Lehraktivitäten auf dem Gebiet der Wissenschaftstheorie und die kommunikative Vernetzung der beteiligten Fächer und Wissenschaftler. Darüber hinaus soll das ZfW durch eigene Veranstaltungen und Forschungsvorhaben Beiträge zu aktuellen Debatten in der Wissenschaftstheorie leisten.

 

Das Ziel: Interdisziplinärer Wissensdialog

 

Die Wissenschaftstheorie als philosophische Disziplin setzt sich im Allgemeinen mit der Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten wissenschaftlicher Erkenntnis auseinander. Theorieentwicklung, die Natur wissenschaftlicher Belege, wissenschaftliche Erklärungen und Beobachtungen – verbunden mit den Namen großer Wissenschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderst wie Karl Popper oder Thomas Kuhn – sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem breiten Themenspektrum wissenschaftstheoretischer Untersuchungen. Vor diesem Hintergrund stellt das ZfW einen institutionalisierten, fächerübergreifenden Forschungsverbund dar, welcher Forschungsvorhaben unterstützt, der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gewidmet ist und (internationale) Workshops und Veranstaltungen ausrichtet. So initiierte es im Jahr 2006 die zweiteilige Vorlesungsreihe „Was können wir wissen?“ und führte sie als öffentliche Veranstaltung durch. Das Spektrum der Beiträge über Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Erkenntnis in den verschiedenen Wissenschaftsbereichen reichte von so unterschiedlichen Themen wie „Das Unendliche in der Mathematik“ über „Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie in den Wirtschaftswissenschaften“ bis zu „Der Begriff des Naturgesetzes in der Physik“.

Solche interdisziplinär ausgerichteten Veranstaltungen sollen Studierende und Hochschullehrende aus den verschiedenen Fachgebieten zusammenführen und zu einem kritischen Diskurs über die Fächergrenzen hinweg motivieren. Als fest etablierte Wissenscommunity bietet das ZfW somit ein Forum für Lehrende und Studierende, in welchem sie in einem interdisziplinär ausgerichteten Wissensdialog von- und miteinander lernen.

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