2024/9 | Fachbeitrag | Künstliche Intelligenz / Robotic
KI im Mittelstand: Mythen und Fakten
Der Einsatz von KI-Lösungen ist heute ein allgegenwärtiges Thema. Für deren Einführung müssen Unternehmen einige Voraussetzungen erfüllen. Diese betreffen nicht nur die IT-Landschaft und die Vorbereitung der Organisation. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist es, die eigenen Mitarbeiter von den Vorteilen solcher Lösungen zu überzeugen. Denn gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) haben sich diverse Mythen über KI in den Köpfen festgesetzt. Werden diese nicht entkräftet, kann es passieren, dass die eigene Belegschaft KI-Projekte boykottiert und diese damit scheitern. Dieser Artikel ordnet die wichtigsten Mythen rund um KI ein und zeigt, wie Unternehmen ihnen mit einem gut aufgesetzten Change-Management begegnen können.
Bildquelle: (C) Gerd Altmann / Pixabay
Mythos #1: "KI ersetzt meinen Arbeitsplatz"
Mitarbeiter befürchten, dass sie durch KI ersetzt werden und dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren. Tatsache ist jedoch, dass KI neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und von manuellen, repetitiven Tätigkeiten entlasten kann. Dies führt in der Regel zu einer Veränderung des Aufgabenspektrums hin zu Arbeiten mit höherer Wertschöpfung.
Ein klassischer Anwendungsfall ist die Serviceabteilung, in der Kundenanfragen über verschiedene Kanäle eingehen. Hier sind die Mitarbeiter im Wesentlichen damit beschäftigt, diese zu sichten und zu beantworten. Der Einsatz einer KI-Lösung kann diesen Aufwand minimieren, indem Antworten auf wiederkehrende Fragen automatisch vorbereitet werden. Servicemitarbeiter müssen diese lediglich prüfen und versenden. Das schont die Ressourcen in der Serviceabteilung und die Mitarbeiter haben mehr Zeit für komplexere Kundenanliegen. Auch hierbei können KI-Lösungen unterstützen, indem sie aus Erfahrungswerten passende Mitarbeiter vorschlägt.
Tipp: Damit dieses Vorhaben gelingt, sollten die Servicemitarbeiter für ihr neues Aufgabenspektrum geschult und von Anfang an in den Transformationsprozess eingebunden werden. Dabei ist es wichtig, ihnen aufzuzeigen, welche neuen Perspektiven sich für sie ergeben - zum Beispiel im Hinblick auf ihre Weiterentwicklung.
Mythos #2: "KI ist nur etwas für Großunternehmen"
Hartnäckig hält sich auch die Annahme, dass der Einsatz von KI aus Kosten- und Komplexitätsgründen ausschließlich Großunternehmen vorbehalten ist, die über entsprechende Budgets und Spezialisten verfügen. Es gibt jedoch KI-Plattformen auf dem Markt, die dem No-Code- oder Low-Code-Ansatz folgen. Diese können ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse implementiert und schnell an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden. Zudem sind KI-Lösungen mittlerweile für jedes Unternehmen erschwinglich, da sich ihr Einsatz in kurzer Zeit amortisiert, wie die folgenden Beispiele zeigen:
- Generative KI-Lösungen können E-Mails, SMS-Nachrichten oder Angebote erstellen und so das Backoffice entlasten. Dazu verwenden sie Sprachmodelle, die auf früherer Kommunikation mit Kunden und einer Wissensdatenbank basieren, um automatisch Texte zu generieren. Dies beschleunigt die Kommunikation mit Kunden und macht das Sales-Team effizienter.
- KMU sind nicht zuletzt aus Liquiditätsgründen bestrebt, ihre Lagerhaltung zu optimieren. Produkte sollten nur dann vorrätig sein, wenn eine entsprechende Nachfrage besteht. Welche dies betrifft, können prädiktive KI-Lösungen prognostisch aus historischen Daten ableiten und so dafür sorgen, dass keine Ladenhüter unnötig Liquidität binden.
- Auch die Personaleinsatzplanung lässt sich mithilfe solcher KI-Tools optimieren, indem auf Basis historischer Daten das zu erwartende Kundenaufkommen zuverlässig prognostiziert wird. So können Mitarbeiter bedarfsgerecht verschiedenen Abteilungen zugewiesen werden.
Tipp: Zunächst sollten kleine Teams verschiedene KI-Lösungen in Pilotprojekten testen. Auf Basis der dabei gesammelten Erfahrungen können dann geeignete Lösungen im Unternehmen eingeführt und deren Einsatzgebiete sukzessive ausgeweitet werden. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter in Schulungen mit den neuen Technologien vertraut gemacht werden, um Berührungsängste abzubauen.
Mythos #3: "Mit Transparenz verliere ich meine Kunden an Kollegen"
Vertriebsmitarbeiter befürchten, dass durch den Einsatz von KI-Lösungen die Beziehungen zu ihren Kunden transparent innerhalb der Abteilung werden und sie dadurch Gefahr laufen, diese an Kollegen zu verlieren. Dies ist insbesondere der Fall, wenn alle Informationen wie Kundenhistorie oder bevorzugte Produkte in einem CRM-System gespeichert sind. KI-Lösungen könnten diese dann analysieren und für Außenstehende prägnant zusammenfassen.
Dieses Szenario ist prinzipiell denkbar. Vertriebsmitarbeiter sollten die Fähigkeiten von KI-Lösungen jedoch vielmehr als Chance für eine höhere Kundenzufriedenheit und damit mehr Umsatz wahrnehmen. Sie können mit dem Einsatz von KI-Lösungen ihre Kunden noch besser betreuen, indem es sie in die Lage versetzt, auf Basis der Kaufhistorie ähnlicher Kunden Produktempfehlungen auszusprechen. Die daraus resultierenden zugeschnittenen personalisierten Angebote stärken das Vertrauen und die Kundenbindung. Zudem lassen sich Kundenbedürfnisse durch intelligente Datenanalysen vorhersagen.
Tipp: Durch eine transparente Kommunikation und die Einbindung aller Mitarbeiter bei der Einführung von KI-Lösungen kann die Angst vor Kundenverlust minimiert werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich, Konkurrenzdenken durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen im Keim zu ersticken und gleichzeitig den Teamgedanken zu verankern.
Mythos #4: "KI ersetzt den Menschen bei Entscheidungen"
Keine Frage: KI-Lösungen sind in der Lage, Daten schnell zu analysieren und daraus komplexe Schlüsse zu ziehen. Auch die Fähigkeit sprachbasierter Systeme, verständliche Aussagen zu tätigen, ist beeindruckend. Doch davon sollten sich Unternehmensverantwortliche nicht täuschen lassen. KI ist "nur" eine Technologie und kann das menschliche Gehirn nicht ersetzen. Sie wichtige Entscheidungen allein treffen zu lassen, ist nicht ratsam, da KI-Lösungen - je nach Datenlage und Parametrisierung -falsche Schlüsse ziehen können.
Deshalb ist es ratsam, KI-Lösungen mit ihren analytischen Fähigkeiten als Hilfsmittel in Entscheidungsprozesse einzubinden. Dazu müssen sie mit qualitativ hochwertigen Daten trainiert werden. Andernfalls liefern sie keine verlässlichen oder im schlimmsten Fall sogar falsche Ergebnisse (Stichwort: Garbage in, Garbage out).
Tipp: Vor der Einführung einer KI-Lösung sollte sichergestellt werden, dass eine ausreichende Menge an hochqualitativen Daten zur Verfügung steht. Wie groß das Volumen sein muss, hängt vom Anwendungsfall und der jeweiligen Lösung ab. Darüber hinaus empfiehlt es sich, klare Richtlinien für den Einsatz von KI in Entscheidungsprozessen zu formulieren. Dazu gehört auch, dass die Ergebnisse der KI sorgfältig überprüft werden.
Fazit
KI-Lösungen können unter anderem Prozesse optimieren, Kosten senken und Absatzchancen aufzeigen. Damit KMU diese Potenziale vollständig ausschöpfen können, sind sie gefordert, etwa Ängste oder Skepsis bei den Mitarbeitern abzubauen. Dies kann durch ein schlüssiges Change-Management-Konzept mit entsprechenden Schulungen, Informationsgesprächen etc. erreicht werden. Empfehlenswert ist zudem ein Vorgehen nach dem Prinzip "Think big, start small", bei dem Mitarbeiter sukzessive mit den Möglichkeiten von KI-Lösungen vertraut gemacht werden. Erfahrene Dienstleister können KMU kompetent dabei unterstützen, die notwendigen Grundlagen zu schaffen, geeignete Use Cases zu identifizieren und mit einem durchdachten Change-Management KI-Technologien erfolgreich einzuführen.
Der Autor:
Timur Nurdogan ist Geschäftsführer der Salesfive GmbH. Das Unternehmen agiert als Full-Service-Dienstleister im Bereich Customer Relationship Management (CRM) und Datenintegration.