2020/7 | Fachbeitrag | Knowledge Sharing

Hilfe-Communities: Von Klickanleitungen zu kollaborativen Arbeitsweisen

von Oliver Chaudhuri

Inhaltsübersicht:

Mittlerweile ist in vielen Unternehmen ein neuer Arbeitsalltag eingekehrt - mit neuartigen Instrumenten zur Vernetzung und Wissensaustausch als festem Bestandteil davon. Nach der ersten Phase der Einführung und Bereitstellung der digitalen Helfer ergeben sich weitergehende Fragestellungen für die Nutzerinnen und Nutzer. Es gilt, neue Standards in der Organisation rund um produktive und effiziente digitale Zusammenarbeit und produktive Sammlung und Bereitstellung von Wissen zu etablieren:

  • Was genau mache ich mit welchem Tool für welche Arbeitsaufgabe?
  • Was bedeutet virtuelle Zusammenarbeit jenseits von Webmeetings?
  • Wie arbeiten wir dauerhaft ortsungebunden zusammen und wie funktionieren kollaborative Arbeitsweisen im Detail?
  • Welche Leitplanken und Regelungen sollte ich beachten, gerade im Umgang mit Dateien und Dokumenten?
  • Viele Instrumente verändern sich in punkto Funktionsumfang und Design (Stichwort "immergrüner digitaler Arbeitsplatz") - wie halte ich dabei Schritt und nutze das Instrument "richtig"?

All diese Fragen stellen auch Wissens- und Kommunikationsmanager vor neue Aufgaben: Es können nicht ständig neue oder erweiterte Erklärmaterialien wie "How-to-Videos" und One-Pager hergestellt sowie Schulungs-Sessions in eng getakteten Intervallen angeboten werden. Ihre Produktion bzw. Durchführung bindet auf Dauer zu viele Kapazitäten und Ressourcen.

Eine leistungsstarke Alternative, um Nutzerakzeptanz rund um den digitalen Arbeitsplatz zu erhöhen, Investitionsruinen zu vermeiden und eine hohe Reichweite zu erzielen, sind Hilfe-Communities.

Nutzer helfen Nutzern

Microsoft Teams, Yammer oder ein Workspace/virtueller Teamraum in einem Social Intranet bieten die optimale technische Infrastruktur, um Wissen und Dokumente zu bündeln und einen Informations-Hub rund um die digitale Arbeitsumgebung in einer Organisation rasch aufzubauen. So entsteht ein verlässlicher Ankerplatz, auf den in allen Support-Medien und Trainingsangeboten immer wieder hingewiesen werden kann. Zudem ist eine Hilfe-Community für viele Menschen der Einstieg in kollaborative Arbeitsweisen: Virtueller Dialog und Interaktion sind häufig nach wie vor unbekanntes Terrain. Volle Wirkung entfaltet die Community also als Ort für Feedback-Schleifen und virtueller Treffpunkt für Mitarbeitende, um Fragen platzieren zu können, Antworten zu erhalten, voneinander zu lernen und von den Erfahrungen weiterer Kolleginnen oder Kollegen oder ganzer Abteilungen zu profitieren. Was für Tipps gibt es jenseits von Klickanleitungen? Wie entstehen tatsächlich mehr Transparenz, schnellere Informationsflüsse und höhere Durchschlagskraft durch Kooperation und Kollaboration? Menschen interessieren sich nicht für Software. Menschen interessieren sich für Menschen und ihre (positiven) Erfahrungen im Umgang mit der Software!

Wer aber betreut die Community? Erwartungsmanagement ist essenziell für den Erfolg. Die Hilfe-Community sollte sich auf inhaltliche Fragen fokussieren, nicht auf technische. Sie kann niemals das IT-Helpdesk ersetzen - wohl aber entlasten. Richtig ist, dass natürlich auch hier ein Moderator und Community Manager benötigt wird. Er oder sie hilft beim "gärtnern" und lässt die Community wachsen und gedeihen. Doch rasch tritt der Community-Effekt ein: Nutzer helfen Nutzern und treten in Co-Moderation. Denn auch sie beginnen schrittweise, Fragen ihrer Kolleginnen und Kollegen zu beantworten: Diese Aufgabe kann problemlos auf mehrere Schultern verteilt werden. Für die Community-Mitglieder ist es zweitranging, ob Person A oder B eine Antwort zu den Tools und ihren Möglichkeiten liefert, ob ein vermeintlicher "Profi" oder ein "Fachfremder" etwas beizusteuern hat - Hauptsache, die nutzenstiftende Antwort kommt zeitnah und hilft weiter. Durch transparente Beitrage vieler zum Mitlesen entsteht ein stetig wachsender Wissenspool - und das Projektteam wird signifikant entlastet.

Zudem stellt die Community ein wertvolles Radar bzw. einen wertvollen Seismographen für das Projektteam dar: Wie gelingt der Schwenk vom Kennenlernen der Tools hin zum Verinnerlichen moderner Formen der Zusammenarbeit? Wie werden die Angebote von IT, Personal und der Unternehmenskommunikation hierzu stetig weiter für die "internen Kunden" verbessert? Die Hilfe-Community und die Wünsche, Sorgen oder auch das Lob ihrer Mitglieder liefern dafür wichtige Antworten.

Fallbeispiel NEW AG

Schneller als ursprünglich geplant hat auch das Mönchengladbacher Dienstleistungsunternehmen NEW AG im Zuge der Corona-Krise Microsoft 365 eingeführt.

Anhand der Statistiken aus dem Admin-Portal lässt sich die Wirkung der begleitenden Change & Adoption-Maßnahmen inkl. der Hilfe-Community gut nachverfolgen:

  • Ende März/Anfang April: "Emergency-Rollout" von Microsoft Teams & Co. sowie "VIP-Schulungen" für ca. 200 Nutzer
  • April: Beginn der Web-Trainings für Nutzer und Start der "Hilfe-Community"
  • April/Mai: Weitere Trainings und stückweise Befüllung der Community, in der Erklärmaterialien gebündelt werden und Nutzer inhaltliche Fragen adressieren können
  • Juni: Rollout von Teams & Co. für alle Mitarbeitenden, seitdem unternehmensweit konstant hohe Nutzungsraten.

"Es ist deutlich erkennbar, wie wir seit Mitte März zunehmend mehr digitale Besprechungen ermöglicht haben. Die Beschäftigten haben nicht nur die Möglichkeit, Teams zu nutzen - sie tun es auch", ziehen René Meurer und René Endt vom M365-Projektteam ein gemeinsames Zwischenfazit.

Gleichzeitig weist die Auswertung den Weg in die Zukunft: Teams hat sich in kurzer Zeit als Tool für Webmeetings und Chats in der Organisation etabliert. Weiter ausbaufähig ist das Thema Zusammenarbeit jenseits von Videokonferenzen. Dies lässt sich gut beim Blick auf die Nutzungsintensität z. B. von SharePoint und OneDrive erkennen. Genau aus diesem Grund werden weitere Trainings- und Unterstützungsangebote seit Q3 für die Mitarbeitenden der NEW AG angeboten.

 

 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Weniger Verkehrschaos trotz boomendem E-Commerce: Die letzte Meile smart gestalten

Der E-Commerce wächst immer weiter: 2019 erzielte der deutsche Online-Handel einen Rekordumsatz von 72,6 Milliarden Euro, so der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh). Kein Wunder, denn in Zeiten von Over-Night-Zustellung, kostenlosem Versand- und Rückversand ist Online-Shopping so bequem wie nie zuvor. Diese Entwicklungen stellen Logistiker vor immense Herausforderungen und sorgen auf d...

Weiterlesen

Komplexe Angebote auf Knopfdruck? Mit GenAI funktioniert’s!

WISSENplus
Die Generative KI und Large Language Models (LLMs) bieten mit ihren enormen Fähigkeiten bei der Sprachverarbeitung und -generierung großes Potenzial für das Wissensmanagement. Aufgrund der gigantischen Datenmengen, mit denen sie trainiert wurden, sind die Ergebnisse sowohl beim Verstehen von Eingaben als auch bei der Ausgabe von Antworten beeindruckend. Der Nutzer hat den Eindruck, er kommuniziere ...

Weiterlesen

Hololens & Co.: Virtual Reality erobert die Weiterbildung

Die neuen Medien halten mit Siebenmeilenstiefeln Einzug in den Arbeitsalltag, daher ist auch Virtual Reality im betrieblichen Einsatz schon länger ein Thema für viele Unternehmen. Es begann - ganz "klassisch" - zunächst im Bereich der Instandhaltung in produzierenden Betrieben: Die Unternehmen erkannten, dass sich VR-Brillen wie die Hololens von Microsoft hervorragend dazu eignen, Wartungsarbeiten a...

Weiterlesen

Das Büro der Zukunft

WISSENplus
Remote Work, Home Schooling, Versorgungsengpässe - das Jahr 2020 hat viele Unternehmen an die Belastungsgrenze gebracht. Eine besonders große Herausforderung stellte das mobile Arbeiten dar. Aber die bisherige Bilanz sieht größtenteils gut aus: Aus der Notwendigkeit heraus, eine Business Continuity zu gewährleisten, haben viele Unternehmen in kürzester Zeit enorme Fortschritte gemacht. Die groß...

Weiterlesen

Wenn kritisches Wissen verloren geht: Ein Blick in die Gegenwartsforschung

WISSENplus
Der Transfer von Tacit Knowledge gewinnt in der gegenwärtigen Wissensverlustforschung zunehmend an Bedeutung. Der Verlust von organisationalem Wissen, kurz Organizational Knowledge Loss (OKL), bezeichnet die Situation, in der eine Organisation ihr kritisches Wissen teilweise oder vollständig verliert. Der Verlust hat einen negativen Einfluss auf das organisationale Gedächtnis, welches die organisatorisch...

Weiterlesen

Digitalisierung im Mittelstand - der Status quo

Im Alltag haben wir es überwiegend mit Bildschirmen und Maschinen zu tun. Der persönliche Kontakt oder die Interaktion mit Menschen sinkt Schritt für Schritt. Sei es beim Self-Checkout an der Kasse, bei der Gepäckaufgabe am Flughafen oder der Bezahlung des Taxis. Doch was für viele im privaten Umfeld selbstverständlich geworden ist, gilt nicht zwingend im Business-Kontext. Vor allem nicht bei kleinen...

Weiterlesen

Schluss mit halbherziger Digitalisierung!

WISSENplus
Auf Server Nr. 1 eine E-Mail versenden, mit Tool Nr. 2 ein neues Projekt erfassen und in Software Nr. 3 Rechnungen verwalten - für alle digitalen Prozesse gibt es unterschiedliche Insellösungen. Unternehmen sind sich häufig nicht bewusst, wie zeitaufwändig und kostenintensiv eine derart verteilte Softwarelandschaft ist. Enterprise-Content-Management (ECM)-Systeme arbeiten anders: Intelligent vern...

Weiterlesen

Firmen-Events digital moderieren

WISSENplus
Je vernetzter die Strukturen in Unternehmen und je komplexer ihre Problemlösungen sind, umso größer ist der Bedarf an bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifender Abstimmung und Kooperation. Entsprechend viele Workshops und Meetings fanden zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Krise in den Unternehmen statt; zudem Kick-offs und Tagungen, an denen oft Hunderte und zuweilen sogar Tausende von ...

Weiterlesen