2022/10 | Fachbeitrag | Digitalisierung

Gestatten, Chief Digital Officer – die neue Rolle im Top-Management

Welche Rolle nimmt der Chief Information Officer (CIO) in Zukunft ein? Wie gestaltet sich das Zusammenspiel mit dem Chief Digital Officer (CDO)? Im Top-Management ist gerade Bewegung. Neue Rollen und Verantwortlichkeiten rund um die IT kämpfen um ihren Platz in der Führungsriege. Diese Vielfalt hat durchaus ihre Berechtigung. Denn den Druck der Digitalen Transformation spüren viele Verantwortliche. Ein prominentes Beispiel: Die Automobilbranche. Sie arbeitet intensiv daran, die Transformation hin zum Software-defined Car voranzutreiben. Das funktioniert nur, wenn Hersteller den IT-Dschungel im Auto lichten. Wenn sie die Prozesse rund um Erstellung und Wartung von Software neu denken. Ähnliche Entwicklungen gibt es in allen Branchen.


Bildquelle: (C) Gerd Altmann / Pixabay

Mancher Vorstand traut dem klassischen CIO weder die dafür nötigen Fertigkeiten noch die Kreativität zu. Das Gremium beruft deshalb einen CDO. Sie oder er soll digitale Innovationen vorantreiben und so die unternehmerische Zukunft federführend bestimmen. Dagegen hält der CIO weiterhin alle IT-Systeme möglich störungsfrei am Laufen. So zumindest die Vorstellung.

Aber: Eine Diskussion darüber, wer nun die wichtigere Rolle bei der Digitalen Transformation einnimmt, ist nicht zielführend. Unternehmen brauchen vielmehr den engen Schulterschluss zwischen CIO und CDO. Denn IT kann ihre ganze Schlagkraft nur dann entfalten, wenn die Verantwortlichen nicht in Kategorien von "neu" und "alt" denken. Eine von Fachabteilung und CDO initiierte Marketingkampagne auf Basis von Echtzeitdaten mag noch so packend sein. Ohne Kundendaten aus dem CRM-System - Hoheitsgebiet des CIO - bringt sie kaum den gewünschten vertrieblichen Erfolg.

Organisationsformen, die diese Abhängigkeiten nicht berücksichtigen, werden sich schwertun. Die Verbindung zwischen einzelnen IT-Disziplinen und -Teams zu kappen, ist der falsche Weg. Eine zukunftsfähige IT verlangt beides - innovative Methoden und stabile Prozesse. Und das unter einem Dach.

Der Ansatz der sogenannten Ambidextrie liefert dafür eine überzeugende Blaupause. Die Übersetzung des recht sperrigen Begriffs macht die Idee klar: In Ambidextrie stecken die lateinischen Wörter für "beide" (ambo) und "rechte Hand" (dextera). Übertragen auf die IT bedeutet das: Es gibt eine - wirklich nur eine - IT. Dafür braucht es die richtigen Rollen an den richtigen Stellen. Nämlich CIO und CDO. Mit Betonung auf "und". Erster ist in der Regel für die gesamte IT-Strategie, die technologische Infrastruktur und die Applikationen verantwortlich. Er hat so Zugang zu unzähligen Datenquellen. Und Daten sind der Rohstoff, aus denen der CDO und sein Team die Zukunft bauen: Sie liefern die Grundlage für schlankere Prozesse oder bessere Angebote.

Die eine Rolle kann also nicht ohne die andere.

Die Gefahr besteht, dass in diesem Zweiergespann unterschiedliche Kulturen und Selbstverständnisse für Reibereien sorgen. Dem müssen alle Beteiligten entgegenwirken. Auf menschlicher Ebene sind Verständnis für und Respekt vor der Arbeit des anderen unabdingbar. Gemeinsame Zielvereinbarungen und Erfolgskriterien helfen, die Vorstellungen auf beiden Seiten zu synchronisieren. Aber auch der Vorstand sollte realistische Erwartungen an seinen CDO stellen: Er kann nicht in kurzer Zeit ausgleichen, was ein Unternehmen jahrelang bei der Transformation versäumt hat. Digitale Wunder passieren nicht über Nacht.

Vielen Unternehmen würde die Rolle des CDO guttun, um Veränderungen anzustoßen, neue Themen zu setzen und das passende Mindset zu etablieren. Nichts ist lähmender, als in festgefahrenen Arbeitsweisen zu verharren. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass die Rolle des CIO bedeutungslos wird - im Gegenteil. ?


Der Autor:

Prof. Dr. Volker Gruhn ist Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der adesso SE sowie Lehrstuhlinhaber für Software Engineering an der Universität Duisburg-Essen

Bildquelle: (C) adesso

Web: www.adesso.de

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Wie lässt sich der Erfolg von KI messen?

WISSENplus
Generative KI kann Prozesse optimieren und innovative Lösungen bieten. Die Frage, wie erfolgreich ein Unternehmen dabei ist, gewinnt aktuell an Relevanz. Doch ohne geeignete Messmethoden bleibt der tatsächliche Nutzen oft unklar. Zeit für einen Überblick, der Ziele, Herausforderungen und mögliche Lösungen in den Blick nimmt....

Weiterlesen

Über Bits und Wundermittel: Ist Generative AI die Antwort auf alles?

Blicken wir der Realität ins Auge: Geopolitische Krisen verändern Handelsbeziehungen rasant, Lieferketten sind nach wie vor gestört, steigende Energiepreise zerstören die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Binnennachfrage schwindet dank sinkender Kaufkraft. Kurzum: Die deutsche Wirtschaft steht gerade mächtig unter Druck. Doch nicht nur die Rahmenbedingungen ändern sich - auch neue Te...

Weiterlesen

Digital Twins: Was sie leisten können – und welche Rolle KI dabei spielt

WISSENplus
Digitale Zwillinge ermöglichen die virtuelle Simulation von Systemen, Maschinen oder sogar realen Fabriken, ohne dass die Produktionsanlagen gestoppt werden müssen. Mit dem Einsatz digitaler Zwillinge können selbst große Systeme als Ganzes getestet werden. Für Unternehmen bedeuten sie mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit: Denn durch die Anwendung eines digitalen Zwillings können Produktionsproze...

Weiterlesen

Wie Reaktanz Changevorhaben ausbremsen kann

WISSENplus
Viele Menschen reagieren sehr sensibel, wenn ihre Autonomie real eingeschränkt wird oder sie dies befürchten. Das sollten Führungskräfte wissen, um beispielsweise unnötige Widerstände gegen Changevorhaben zu vermeiden. ...

Weiterlesen

KI im Mittelstand: Mythen und Fakten

Der Einsatz von KI-Lösungen ist heute ein allgegenwärtiges Thema. Für deren Einführung müssen Unternehmen einige Voraussetzungen erfüllen. Diese betreffen nicht nur die IT-Landschaft und die Vorbereitung der Organisation. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist es, die eigenen Mitarbeiter von den Vorteilen solcher Lösungen zu überzeugen. Denn gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) haben sic...

Weiterlesen

Wenn zwei Boomer auf GenZ treffen: Wissensmanagement, New Work & Future Skills – drei Konzepte, die perfekt matchen

Ein Blick in aktuelle Unternehmensstrategien der unterschiedlichsten Branchen zeigt, dass Themen wie Digitale Transformation, New Work oder Future Skills zuoberst auf der strategischen Agenda stehen. Wird mit diesem strategischen Fokus das Thema Wissensmanagement in Organisationen zunehmend obsolet? Wir haben Prof. Dr. Andrea Belliger, Expertin für Digitale Transformation, getroffen und mit ihr über die R...

Weiterlesen

Wenn zwei Boomer auf GenZ treffen: Wissensmanagement, New Work & Future Skills

WISSENplus
Ein Blick in aktuelle Unternehmensstrategien der unterschiedlichsten Branchen zeigt, dass Themen wie Digitale Transformation, New Work oder Future Skills zuoberst auf der strategischen Agenda stehen. Wird mit diesem strategischen Fokus das Thema Wissensmanagement in Organisationen zunehmend obsolet? Wir haben Prof. Dr. Andrea Belliger, Expertin für Digitale Transformation, getroffen und mit ihr über...

Weiterlesen

Modern Teaming: Teamarbeit neu definiert

WISSENplus
Wandel im Teaming ist ein natürlicher Prozess. Das Augenmerk auf ein paar Besonderheiten dieser Entwicklung zu richten, schafft einen Zugang zum Verständnis für das Modern Teaming. Neuerung und Veränderungen sind im Team sowie am Arbeitsplatz als auch im alltäglichen Umfeld Normalität. Modern Teaming ist einerseits eine Fortsetzung des Teamings mit ein paar Anpassungen, die all den Veränderunge...

Weiterlesen