2017/5 | Dokumentation + Kommunikation | Wissensmanagement-Konzepte

Die WBI-Methode: Wie Unternehmen ihr Wissen besser integrieren

von Christina Stoisser, Agnes Zlotkiewicz

Wissensmanagement ist keineswegs eine neue Disziplin, aber erst jetzt beginnt auch im Zuge der Anforderungen der ISO 9001?:?2015 ein wirkliches Umdenken der Unternehmen. In den vergangenen 20 Jahren ist Wissensmanagement mehr und mehr ein Begriff geworden. Es entwickelten sich zahlreiche Methoden und Tools, die die Einführung und Gestaltung von Wissensmanagement-Prozessen erleichtern und ermöglichen sollen. Die Liste an Mitteln ist endlos und dennoch bringt deren Einsatz selten den erhofften Nutzen. Ein Patentrezept für alle Organisationen gibt es nicht. Eine Methode kommt diesem allerdings sehr nahe und hat es geschafft, Wissensmanagement (er-)lebbar zu machen und effektiv zu gestalten, die WBI-Methode.

Die WBI-Methode (WBI steht hier für „Wissen besser integrieren“) ist das Herzstück eines aus der Praxis entstandenen, ganzheitlichen Wissensmanagement-Konzepts, welches sich im Laufe der Jahre entwickelt und immer weiter verbessert hat. Dabei werden die drei wesentlichen Bereiche des Wissensmanagements, Mensch – Organisation – Technik, gleichermaßen berücksichtigt und optimal aufeinander abgestimmt. Den Mitarbeitern als Träger des Wissens wird der Arbeitsalltag durch eine einfache Dokumentenablage erleichtert. Das Management wird durch die übersichtliche Darstellung des Unternehmenswissens bei der Delegation und in der Entscheidungsfindung entlastet. Als technische Unterstützung dient ein System, welches alle Anforderungen erfüllt und keine abteilungseigenen Insellösungen notwendig macht.

Das Besondere an der WBI-Methode

Viele der Ansätze im Wissensmanagement setzen die Technik in den Mittelpunkt aller Überlegungen. In der WBI-Methode wird diese jedoch nur als unterstützende Größe und nicht als zentraler Erfolgsfaktor angesehen. Ein technisches Tool erleichtert den WBI-Prozess, führt aber nicht automatisch zu einem perfekten Wissensmanagement. Vielmehr sind es die Prozesse und die Organisation rund um die Sicherung des relevanten Wissens, die wesentlich zum Erfolg von Wissensmanagement beitragen.

Die Basis der WBI-Methode bildet eine gemeinsame Dokumentenablage, die sich durch Einfachheit und Praktikabilität auszeichnet. Wissensdokumente, kurz WiDoks, werden aus den gängigen Formaten Word, Excel und PowerPoint generiert. Mitarbeiter können durch eine automatisch erscheinende Vorlage ihre Metadaten einpflegen und somit ihre erstellten Dokumente ganz leicht in WiDoks umwandeln. Versehen mit den wichtigsten Daten:

  • aussagekräftiger Titel,
  • Name, Kürzel und Durchwahl des Inhaltsverantwortlichen,
  • Datum, Seitenanzahl sowie
  • eine eigene Dokumentennummer,

werden die Dokumente unmittelbar in der gemeinsamen Ablage hinterlegt. Mithilfe der einmaligen Nummer wird jedes Dokument identifiziert und automatisch als WiDok erkannt. Das uniforme Layout dient zusätzlich der schnellen Erfassung der Inhalte und unterstützt damit alle Mitarbeiter und Führungskräfte beim raschen Auffinden des für sie relevanten Wissens. Durch den prägnanten Titel der Dokumente können die WiDoks leicht über die Eingabe von Schlüsselwörtern gefunden werden. Jene Inhalte, die den Suchbegriff im Titel haben, werden zuerst angezeigt.

Der WBI-Prozess

Rund um die WBI-Methode haben sich vier Kernprozesse entwickelt, die sich mit den „Bausteinen des Wissensmanagements“ von Probst, Raub und Romhardt verbinden lassen.

Im ersten Schritt wird das Wissen aus Arbeitsgesprächen oder individuellen Erfahrungen in einem gängigen Format erfasst und als WiDok abgespeichert. Damit ein Dokument ein WiDok wird, muss es gewisse, vorab geklärte Kriterien erfüllen; z.?B. wenn das Thema Innovationspotenzial hat oder sich auf das Kerngeschäft bezieht. Dieser Filter ermöglicht die Identifikation und die gezielte Weiterentwicklung des unternehmensrelevanten Wissens.

Ist das WiDok gespeichert, kann es im zweiten Schritt durch das Verteilen sofort genutzt werden. Es wird automatisch eine E-Mail an jene ausgewählten Nutzergruppen versendet, die das Wissen für ihre tägliche Arbeit benötigen. Der Nutzerkreis wird von dem Inhaltsverantwortlichen definiert und bei der WiDok-Erstellung eingetragen. Diese Selektion verhindert eine Flut an nicht relevanten Informationen für jeden einzelnen Mitarbeiter.

Nachdem das Wissen in einem WiDok dokumentiert und in einem System abgelegt wurde, beginnt im dritten Schritt die Weiterentwicklung des Wissens. Inhaltsnahe WiDoks bilden ab sofort die Wissensbasis eines jeden themenbezogenen Arbeitsgesprächs. Neu gewonnene Erkenntnisse können somit leicht in das bestehende WiDok aufgenommen und dadurch die Wissensbasis aktualisiert werden.

Im vierten Schritt wird das Wissen nach all seinen Entwicklungsstufen gespeichert und ist dadurch auch in Zukunft jederzeit abrufbar. Damit kann das Wissen dauerhaft gesichert werden, so dass auch bei Abgang der Experten oder im Vertretungsfall nichts verloren geht.

Ein wichtiger Faktor der WBI-Methode ist die Unterstützung durch Führungskräfte. Nur wenn das Bewusstsein für Wissensmanagement ständig kommuniziert und vorgelebt wird, kann sich der WBI-Prozess im Unternehmen etablieren.

Erleichterung des Arbeitsalltags

Der zentrale Speicherort, das einheitliche Design und die Konzentration auf wesentliche Inhalte dienen einer einfachen Suche und begünstigen das schnelle Auffinden relevanter Informationen. Alle Mitarbeiter können auf denselben Wissensstand aufbauen und sind dadurch immer auf dem aktuellen Stand. Doppelarbeit und lange Suchzeiten werden verhindert und beschleunigen den Arbeitsprozess. Klare Zuständigkeiten werden durch die eindeutige Zuordnung des WiDoks mithilfe der Angabe des Inhaltsverantwortlichen einsehbar. Eine regelmäßige Wiedervorlage sichert außerdem die Aktualität der Dokumente und bewahrt deren Relevanz und Qualität.

Die WBI-Methode verhindert

  • eine Vielzahl an Datenquellen.
  • mehrere Versionen desselben Dokuments.
  • die Verbreitung von Falschmeldungen.
  • die Verteilung von veraltetem Wissen.
  • immer wiederkehrende Fragestellungen und Fehler.
  • das ständige Neu-Erfinden des Rades.

Der Aufbau eines unternehmensweiten WBI-Prozesses ermöglicht die Konzentration auf die wertschöpfenden Tätigkeiten einer Organisation. Arbeitsabläufe werden effizienter, die Qualität der Ergebnisse wird erhöht und neue Ideen können zielgerichtet als zukunftsträchtige Innovationen weiterverfolgt werden.

Entlastung der Führungskräfte

Führungskräfte sind durch die WBI-Methode regelmäßig über den Stand der Arbeitsprozesse im Bilde und haben einen guten Überblick über die aktuellen Themen ihrer Mitarbeiter. Dadurch sind sie über den Status Quo der laufenden Projekte informiert. Die Delegation der Aufgaben wird durch die Transparenz des Kernwissens und dessen Zuweisung an bestimmte Personen erleichtert. So können Arbeiten an genau jene Experten delegiert werden, die optimale Kompetenzen dafür mitbringen. Führungskräfte haben eine Kontrollmöglichkeit und können auf Basis des aktuellen Wissensstands gute Entscheidungen treffen. Zudem lassen sich Änderungen in den Arbeitsabläufen gezielt anstoßen. Die WBI-Methode entlastet das Management, weil

  • Entscheidungen schneller getroffen werden.
  • es immer genau weiß, woran die Mitarbeiter gerade arbeiten.
  • Experten effizient und effektiv eingesetzt werden.
  • die Koordination der Abläufe und Aufgaben erleichtert wird.

Mit dem Einsatz der WBI-Methode können sich Führungskräfte auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und ihre Mitarbeiter in der täglichen Arbeit effektiv unterstützen.

Die WBI-Methode in der Praxis

Als bestes Beispiel für aktives und gelebtes Wissensmanagement kann das Unternehmen Meusburger Georg GmbH & Co KG mit Sitz in Vorarlberg (Österreich) mit rund 1.400 Mitarbeitern genannt werden. Die Meusburger Gruppe ist der international führende Hersteller von standardisierten Qualitätsnormalien, Produkten der Heißkanal- und Regeltechnik und ausgesuchten Artikeln aus dem Werkstattbedarf. Der WBI-Prozess ist fest in der Unternehmenskultur integriert und ein fixer Bestandteil der täglichen Arbeit eines jeden Mitarbeiters. Als Plattform für die Dokumentenablage dient derzeit SharePoint. Für die erfolgreiche Umsetzung des WBI-Prozesses ist jedoch auch jedes andere Tool denkbar und gut möglich. Zu Beginn wurde die WBI-Methode sogar ohne jegliche Computer-Unterstützung umgesetzt. Durch das Aufkommen von PCs wurden die Dokumente erstmals in einer Laufwerkumgebung abgelegt und für alle zugänglich gemacht. Erst später kam SharePoint als Dokumentenmanagement-System für die WBI-Methode zum Einsatz.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Knowledge Asset Networking: Strategy, Processes and Systems for Leveraging Corporate Knowledge

In dieser Ausgabe veröffentlichen wir erstmals einen Beitrag in englischer Sprache, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten: Gregoris N. Mentzas stellt die von ihm entwickelte, aus dem gleichnamigen EU-Projekt hervorgegangene Wissensmanagement-Methode Know-Net vor. Sie können zunächst eine kurze Zusammenfassung seines Beitrages lesen oder aber direkt zur englischen Originalfassung springen....

Weiterlesen

Wissen und wissen lassen

In der Regel legt man Wissen in einer Datenbank in der Hoffnung ab, dass es auch für andere wissenswert ist und auch tatsächlich genutzt wird. Siemens IC Mobile hat eine Lösung entwickelt, die den Prozess des Wissensmanagements umkehrt und dabei auf konsequente Mitarbeiter- und Kundenorientierung setzt. Werner Kleinhaus stellt die Software Adsideo Response vor, deren Ziel es ist, auf konkrete Mitarbeiter...

Weiterlesen

Wissensmanagement in deutschen Unternehmen - eine Bestandsaufnahme

Wissen als nachhaltige Ressource gewinnt in Wertschöpfungsprozessen immer mehr an Bedeutung. Zwar ist die Weitergabe von Wissen in Unternehmen keine Erfindung des ausgehenden 20. Jahrhunderts, aber es systematisch zu erfassen, aufzubereiten und zu nutzen ist vor allem für weltweit agierende Unternehmen zur Notwendigkeit geworden. Auch deutsche Unternehmen müssen, wollen sie im internationalen Markt beste...

Weiterlesen

Nachlesen oder Nachfragen? - Ein Ansatz zur Intensivierung des Wissenstransfers

Wie lässt sich der Wissensaustausch in Unternehmen vorantreiben? Mit dieser Frage hat sich das Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) der Technischen Universität Braunschweig beschäftigt. Ergebnis ist ein ganzheitliches Wissensmanagement-Konzept, das eine erhöhte Handlungskompetenz der Mitarbeiter zum Ziel hat. Dabei werden unter Berücksichtigung der verschiedenen Wissensarte...

Weiterlesen