2015/1 | Editorial | Editorial

Die Revolution zwischen Vision und Wirklichkeit

von Oliver Lehnert

Auf die Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft und die Massenproduktion auf Basis elektrischer Energie folgte ab den 1970er Jahren die digitale Revolution – mit der wir alle groß geworden sind und deren Errungenschaften wir ebenso wie die der ersten beiden industriellen Revolutionen nicht mehr missen möchten. Digitale Welten gehören zu unserem privaten wie beruflichen Alltag. Doch nun steht bereits die nächste Revolution vor der Tür: Industrie 4.0. Im Grunde stecken wir bereits mittendrin. Denn seit die Bundesregierung Industrie 4.0 als Zukunftsprojekt in seiner Hightech-Strategie postuliert hat, ist der Begriff in aller Munde. Ziel ist es, „die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen, für die Zukunft der Produktion gerüstet zu sein.“ Diese Zukunft trägt der zunehmenden Individualisierung Rechnung und macht die Einzelproduktion in Form einer kundenindividuellen Massenproduktion erschwinglich. Grundlage für diese Entwicklung ist das Internet der Dinge – und eine enge Verzahnung von IK-, Automatisierungs- und Produktionstechnologien. Das Ergebnis sind intelligente Produkte und Maschinen, die durch Barcodes oder RFID-Chips untereinander kommunizieren und Informationen austauschen.

Soweit die Theorie. Technisch ist das auch alles realisierbar. Die Voraussetzungen sind geschaffen. Dennoch zeigt sich in der Praxis bei vielen Unternehmen, gerade im wichtigen Mittelstand, ein Fragezeichen, wenn Industrie 4.0 zur Sprache kommt. Es herrscht Verunsicherung, was sich hinter diesem viel beschworenen Konzept verbirgt. Natürlich weil man bei dem Thema noch ganz am Anfang steht. Es fehlt schlichtweg an Standardisierung – das beginnt bei einer einheitlichen Definition und hört bei Integrationsplattformen und Branchenstandards noch lange nicht auf. Auch mangelt es noch an Best Practices, die die Umsetzung in der Unternehmenspraxis veranschaulichen und somit für ein größeres Verständnis sorgen.

Damit Industrie 4.0 in den Unternehmen ein Erfolg wird, bedarf es jedoch noch mehr: Entscheidend ist eine gute Datenbasis auf der einen und eine entsprechende Unternehmenskultur auf der anderen Seite. Die Angst, dass die intelligente Vernetzung von Maschinen den Faktor Mensch überflüssig macht, kann man mit gutem Gewissen ausräumen. Doch seine Rolle wird sich neu definieren und vielleicht sogar anspruchsvoller und verantwortungsvoller werden als sie es bisher war. Fest steht aber, dass auch die Führung und der Umgang mit der Ressource Wissen auf das Niveau 4.0 gehoben werden müssen, damit die smarte Fabrik funktionieren kann. Was das im Einzelnen bedeutet, welche Rolle dem Faktor Wissen im Zuge von Industrie 4.0 zukommt und wo in den Unternehmen derzeit Handlungsbedarf besteht, lesen Sie in unserem Titelthema ab Seite 16. Rund um Industrie 4.0 dreht sich auch unsere neue Kongress-Messe „1. Wissensmanagement-Tage für Industrie und Produktion 4.0“ am 23. und 24. Juni 2015 in Stuttgart. Weitere Infos finden Sie unter www.wima4-0.de.

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