2018/3 | Fachbeitrag | Digitale Transformation

Die Intelligenzfalle – und ihre Folgen für den digitalen Wandel

von Jochen Adler

Inhaltsübersicht:

Viele sehr intelligente Leute sind Gefangene falscher Ansichten, denn sie können ihren Standpunkt gut rechtfertigen. Außerdem will ein Mensch, der sich daran gewöhnt hat, intelligenter als andere zu sein (vielleicht durchaus eine berechtigte Meinung), von seiner Intelligenz profitieren. Das geht am schnellsten und besten, wenn er „andere widerlegt“. Diese Strategie bringt sofortigen Erfolg und beweist seine Überlegenheit. Anders ausgedrückt: Konstruktiv sein lohnt sich oft gar nicht. Schließlich kann es Jahre dauern, nachzuweisen, dass eine neue Idee richtig ist.

Der digitale Wandel erfordert radikale Veränderungen

Wer kritisch und destruktiv ist, hat also mehr Spaß an seiner Intelligenz. Was der Entwickler der Kreativitätstechnik „Sechs Denkhüte“, Edward de Bono, im „Management-Handbuch“ Denkschule anspricht, ist auch für den Unternehmensalltag in gewissem Sinne problematisch. Nicht selten stellen sich die besten Ingenieure nach einer Beförderung als die schlechtesten Manager heraus.

Doch Veränderungen zwingen uns dazu, gewohntes Verhalten zu hinterfragen und neu hinzuzulernen. Vor allem mit der digitalen Transformation hat sich die Geschwindigkeit, in der sich Wirtschaft und Gesellschaft verändern, spürbar erhöht. Neue Technologien wie Smartphones, soziale Netzwerke, Künstliche Intelligenz und Analysen schier endloser Datenbestände erlauben völlig neue Geschäftsmodelle. Da die Möglichkeiten dieser Technologien exponentiell steigen – und nicht linear, wie es unserer kognitiven Gewohnheit und der Erfahrung aus anderen intellektuellen Disziplinen entspricht – erscheinen uns die Veränderungen radikal.

VUCA und die schwindende Halbwertzeit von Wissen

Weil die neuen Technologien in Organisationen auch neue Rahmenbedingungen schaffen, hat sich die „Halbwertzeit“ gesicherter Erkenntnisse – also dessen, was man glaubt zu wissen, und was man nicht in Frage stellt – erheblich verkürzt. Dazu gehören Aspekte wie extreme Kundennähe und Kundenzentrierung, Agilität in der Projektdurchführung und -organisation, Führung verteilter Teams, Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg. Was im Business heute noch gelebte Gewohnheit ist, kann längst schädlicher Ballast sein. In der heutigen VUCA-Geschäftswelt – volatile, uncertain, complex, ambiguous – ist die Gefahr, in de Bonos Intelligenzfalle zu tappen, also noch viel größer als je zuvor.

Umdenken beginnt im Kopf: Tipps für Unternehmen

Für die Unternehmensleitung lassen sich damit konkrete Handlungsanweisungen ableiten:

  • Versuchen Sie, ein bisschen wie ein Kind, die Haltung eines Anfängers beziehungsweise Neulings zu bewahren. Im japanischen Zen spricht man von „shoshin“. Lernen Sie von jungen Kolleginnen und Kollegen. Oder von Kindern aus Ihrem privaten Umfeld.
  • Nutzen Sie Techniken wie Design Thinking und Prototyping, um neue Ideen „gefahrlos“ auszuprobieren und schnell zu erkennen, was fehlschlägt oder schiefgeht – und haben Sie keine Scheu, Experimente dann auch zu beenden.
  • Nehmen Sie Ihren Mitarbeitenden die Angst vor Fehlern, die in den meisten Kulturen leider allzu tief verwurzelt ist. In einer neuen Zeit gelten neue Gesetze. Da darf man auch mal nass werden. Um Schwimmen zu lernen muss man ins Wasser!
  • Führungskräfte werden normalerweise darauf getrimmt, sich schnell eine Meinung zu bilden und auch zu urteilen. In Ihrem digitalen Umfeld sollten Sie jedoch zurückhaltender urteilen, bis Sie es auch ausprobiert haben. Es ändert sich einfach zu viel gleichzeitig.

Die digitale Transformation ist nämlich tiefgreifend, sie bringt einen epochalen Kulturwandel. Denken Sie immer daran: Gerade die brillantesten Köpfe Ihres Unternehmens, die am gewandtesten argumentieren, oder auch am lautesten trommeln, könnten diejenigen sein, die am tiefsten „in der Denkfalle“ stecken.

 

 

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