2001/9 | Fachbeitrag |
"Der flexible Mensch" von Richard Sennett
Von Gabriele
"Flexibilität" ist eines der
Zauberwörter der neuen Wirtschaft. Das Konzept der Flexibilität
setzt einen durchweg positiv interpretierten Kontrapunkt zu der
starren Hierarchie, einengenden Autorität und abstumpfenden
Routine einer zu überwindenden alten Welt. Doch beschleicht
uns, wenn wir ehrlich sind, nicht manchmal auch Unbehagen angesichts
zunehmender Strukturlosigkeit und ständigen Wandels?
Richard Sennett, US-amerikanischer Soziologe und einigen von Ihnen
sicherlich durch sein Buch "Verfall und Ende des öffentlichen
Lebens. Die Tyrannei der Intimität" (1983) bekannt, thematisiert
dieses Unbehagen und fragt kritisch nach den Folgen der gepriesenen
Flexibilität für die Lebensführung des Einzelnen
und dessen soziale Umgebung. Er tut dies eingebettet in verschiedene
Fallgeschichten und deshalb auf gut lesbare und verständliche
Art und Weise.
Für Sennett leben wir in einer fragmentarisierten Welt, in
der sich einige wenige "Sieger" behaupten, die die Stärke
besitzen, Chaos und Grenzenlosigkeit auszuhalten, in der aber das
Gros der Menschen zunehmend darunter leidet. Vor diesem Hintergrund
kommt er zu der überraschenden, aber nachvollziehbaren fast
schon positiven Bewertung von Routine, klarer Autorität und
festen Regeln.
Doch tut man dem bekennenden Alt-Linken, der stellenweise zu Ausfällen
gegen den kapitalistischen Anti-Christ in Gestalt von Bill Gates
neigt, Unrecht, wenn man ihn einfach in die Ecke der Kulturkonservativen
stellt. Auch ist Richard Sennett kein Nostalgiker, der ein Rousseausches
"Zurück zur alten Ordnung" ausruft. Er ist sich bewusst,
dass die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten neue flexible Ordnungen
erfordern und die Entwicklung letztlich irreversibel ist. Trotzdem
aber sind seine kritischen Töne geeignet, nachdenklich zu stimmen.
Fazit:
Lesens- und nachdenkenswert!
Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. |