2015/3 | Fachbeitrag | Change Management
Changemanagement: Kultureller Wandel bei der Rogers Germany GmbH
Inhaltsübersicht:
- Führungskräfte sind Richtungsgeber im Veränderungsprozess
- Konflikte als Chance
- Spielregeln für eine offene Kommunikation mit interkulturellen Partnern
Die Bedenken der rund 600 Mitarbeiter waren groß, nachdem das amerikanische Technologieunternehmen Rogers Corporation den Eschenbacher Hersteller für keramische Leiterplatten im Jahr 2011 übernommen hatte. Viele In der Integrationsphase sah es Personalleiterin Anette Enders als eine ihrer wesentlichen Aufgaben an , Überzeugungsarbeit zu leisten und den Mitarbeitern zu vermitteln, dass die amerikanische Muttergesellschaft eine langfristige Perspektive verfolgt, mit dem Ziel, die neue Tochtergesellschaft in das globale Unternehmen mit weiteren Standorten, unter anderem den USA, Belgien, Japan und China, zu integrieren und gemeinsam weiter zu wachsen. War das Eschenbacher Unternehmen zuvor hauptsächlich auf den deutschen und europäischen Markt fokussiert, galt es nun, gemeinsam mit der Mutter- und weiteren Tochtergesellschaften die Kundenbeziehungen in den USA und Asien zu verbessern und neue Kunden zu gewinnen. Es galt zudem, die jeweiligen kulturellen Überzeugungen und Managementstile in den Ländern der Mutter- und Tochtergesellschaften zu identifizieren und diese in eine globale Strategie einzubinden. Alle Mitarbeiter auf die Reise des kulturellen Wandels mitzunehmen, war die Devise.
Die formulierten Werte wurden auf allen Ebenen top-down ausgerollt. In einem Train-the-Trainer-Seminar wurde das Senior Management, also Bereichsleiter Marketing, Forschung und Entwicklung, Operations und Personal, zu internen Trainern weitergebildet. Von November 2012 bis März 2013 fanden ganztägige Workshops weltweit an allen Standorten statt und allein in Eschenbach wurden 600 Mitarbeiter in 20 Trainingsveranstaltungen durch das Senior Management hinsichtlich der gemeinsam entwickelten kulturellen Überzeugungen geschult. Jeder Mitarbeiter sollte mit den Zielen und Werten des Unternehmens vertraut gemacht werden und diese in seinem eigenen Arbeitsalltag integrieren: An Hand von Erfolgsgeschichten lernten sie, wie man auch mit kleinen Dingen die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, aber auch Umsatzvolumen und Cash-Generierung positiv beeinflussen kann.
Führungskräfte sind Richtungsgeber im Veränderungsprozess
Warum spielen vor allem die Führungskräfte eine wichtige Rolle im Veränderungsprozess? Sie sind die Richtungsgeber und Vorreiter, die in einem Unsicherheitsumfeld empathisch auf Bedenken ihrer Mitarbeiter reagieren müssen. Schon zu Beginn des Veränderungsprozesses entschloss sich die Rogers Germany GmbH daher, in die Sozialkompetenz ihrer Führungsmannschaft zu investieren. Die Personalberatung Heiden Associates wurde beauftragt, auf mehreren Ebenen diesen Prozess aktiv zu unterstützen: Ein Schwerpunkt war die Entwicklung von rund 35 Führungskräften, unter anderem Teamleiter, Schichtführer und deren Stellvertreter aus der Produktion. Mittels halbstrukturierter Interviews ermittelten die Berater im ersten Schritt den Entwicklungsbedarf in Bezug auf fachliche und soziale Kompetenzen; dabei kristallisierten sich unter anderem die Themen „Konflikte erfolgreich lösen“, „Feedback geben“ und „Führen durch typspezifische Kommunikation“ heraus.
Ein besonderes Augenmerk lag auf der Verbesserung der Zusammenarbeit im Team. Dazu ermittelten die Berater individuelle Kompetenzprofile mittels der Extended DISC Methode auf Basis von vier Grundverhaltensweisen Dominanz, Initiative, Stetigkeit und Konformität und setzten die von Heiden Associates entwickelte Teamfit-Analyse ein, um unter anderem reale und potenzielle Konflikte in der Zusammenarbeit verschiedener Teams aufzuzeigen, nachvollziehbar zu machen und konstruktiv durch Spielregeln zu lösen: Konflikte entstehen, weil Menschen unterschiedliche Kommunikations-, Entscheidungs- und Informationsstile haben, entsprechend denen sie agieren. Wenn man seine eigenen Präferenzen und die der anderen kennt – beides lässt sich aus dem Kompetenzprofil ableiten – kann man sein Verhalten auf den Einzelnen entsprechend einstellen. Zur Erklärung: Wenn eine Führungskraft zum Beispiel weiß, dass einem Mitarbeiter Lob und Anerkennung wichtig sind (das lässt sich häufig bei Menschen mit einer ausgeprägten „Initiative“-Präferenz feststellen), sollte man als Führungskraft darauf achten, dessen Leistung pro-aktiv zu würdigen.
Wie man dem Einzelnen entsprechend seiner Präferenzen Feedback geben kann und wie man im Sinne der gewaltfreien Kommunikation auch in kritischen Situationen klar und konsequent kommuniziert, ohne den anderen dabei persönlich anzugreifen, waren weitere Trainingsthemen. Führungskräfte schilderten anhand konkreter Herausforderungen aus der Praxis ihre Probleme, die in Rollenspielen gemeinsam mit den Teilnehmern analysiert wurden; darauf aufbauend wurden neue Verhaltensweisen eingeübt. Trainiert wurde zum Beispiel der Umgang mit dem Fehlverhalten eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz. Die Führungskräfte lernten ganz konkret, wie man zum Beispiel mit einer Minderleistung, Qualitätsmängeln oder dem Überziehen von Pausenzeiten umgeht und konstruktiv Feedback gibt. Dabei wurden verschiedene Methoden angewendet: zum Beispiel eine Beobachtung zu schildern, ohne diese zu bewerten, Ich-Botschaften zu verwenden und die Reflexion darüber, welche Auswirkungen das Fehlverhaltens auf einen selbst hat. Zu einem konstruktiven Feedback gehört auch, den Zielzustand klar zu formulieren, gekoppelt mit einer Aussage über die Konsequenz im Falle einer Fortführung des Fehlverhaltens.
Konflikte als Chance
Zusätzlich fanden Einzelcoachings mit sechs Führungskräften auf freiwilliger Basis statt. Hierfür brachten die Führungskräfte ihre Fälle aus dem Führungsalltag mit: Wie kann ich einen Konflikt frühzeitig erkennen, und wie kann ich eine neutrale Haltung zwischen zwei Konfliktparteien einnehmen, waren zum Beispiel Themen, für die der Coach Feedback gab. Thematisiert wurden auch Konflikte, die zum Beispiel bei der Beförderung eines Mitarbeiters zur Führungskraft geschehen. Gerade für junge Führungskräfte ist es oftmals schwer, ihre neue Führungsrolle anzuerkennen; der frühere Kollege ist nun Mitarbeiter, den man Ziele setzen muss. Ein Lösungsansatz besteht darin, Glaubenssätze aufzulösen. Ein solcher ist zum Beispiel: „Ich will ein harmonisches Umfeld haben und vermeide deshalb Konflikte.“ Im nächsten Schritt wurden Glaubenssätze aus der Vergangenheit hinterfragt, aufgelöst und durch gemeinsam neu erarbeitete Glaubenssätze ersetzt. Wichtig im Umgang mit einem Konflikt ist, diesem nicht aus dem Weg zu gehen, sondern ihn bewusst einzugehen, ihn auszuhalten und den Konflikt auch als Chance zur Verbesserung einer Situation oder einer Beziehung zu sehen. Eingesetzt wurden im Coaching auch zirkuläre Fragen, zum Beispiel: „Wie nimmt mein Mitarbeiter mein Verhalten wahr?“ Hierbei ging es darum, die eigene Position aus einer anderen Sicht zu hinterfragen, mit dem Ziel, verhärtete Positionen aufzulösen. „Durch das Coaching fiel es mir leichter, klar meine Erwartung und auch meine Bedürfnisse gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeiter zu kommunizieren“, sagte eine Führungskraft im Anschluss an das Coaching.
Für führungskritische Situationen wurde darüber hinaus auch die Methode des so genannten Schatten-Coachings eingesetzt. Dabei begab sich der Coach in die reale Führungssituation. Er setzte sich hinter den Coachee und schaute ihm zum Beispiel bei einem Mitarbeitergespräch über die Schultern. Daraufhin bekam der Coachee eine klare Rückmeldung über sein Verhalten. Auf dieser Grundlage entwickelte er gemeinsam mit dem Coach konkrete Maßnahmen für neue Verhaltensweisen.
Spielregeln für eine offene Kommunikation mit interkulturellen Partnern
Das Unternehmen will weiter daran arbeiten, eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens und der Wertschätzung zu stabilisieren. Regelmäßige Feedback-Gespräche und Spielregeln für eine offene Kommunikation sind wichtige Tools. Durch die Trainings zum kulturellen Wandel, so die Überzeugung der Personalleiterin Anette Enders, haben die Mitarbeiter gelernt, dass gezieltes Feedback etwas Positives ist und zur Entwicklung der Mitarbeiter beiträgt. Die Umsetzung dieser Form des Feedbacks war eine weitere Herausforderung in einem globalen Unternehmen und insbesondere im asiatischen Kulturkreis. In der Zusammenarbeit mit den interkulturellen Kollegen, zum Beispiel aus den USA, erlebt das Unternehmen, wie individuelles Loben motiviert und zum „Wir“-Gefühl beitragen kann. Die Stärkung der Führungs- und Kommunikationskompetenz wird weiterhin ein Trainingsschwerpunkt bleiben. Nachdem in der Phase I insbesondere Führungskräfte höherer Ebenen im Fokus standen, sollen in der Phase II unter anderem Nachwuchsführungskräfte gecoacht werden. Je nach Bedarf können die Coachees der ersten Runde weiterhin begleitet werden.