2009/4 | Fachbeitrag | Burnout

Burnout – Aufklärung und Wissenstransfer tun not

von Nicole Truckenbrodt

Inhaltsübersicht:

In der Untersuchung „Feuer und Flamme“ von NAVO Consulting wird deutlich, wie äußerst ambivalent Unternehmen mit dem Thema Burnout umgehen. Den Ergebnissen liegen telefonische Interviews mit 52 Führungskräften aus dem oberen und mittleren Management sowie HR-Experten zu Grunde, die von Mai bis August 2008 geführt wurden. Im Gegensatz zu anderen Studien lag der Fokus der Analyse auf der Evaluierung von Führungskompetenzen, die notwendig sind, um Burnout im Ansatz zu vermeiden. Mit diesen Fähigkeiten sind Leistungsträger in der Lage, den täglichen Herausforderungen wesentlich professioneller und effektiver zu begegnen.

 

HR-Abteilungen in der Pflicht

 

Burnout sehen 86 Prozent der Befragten als brennendes Thema an. Bei der Frage nach der Aktualität im eigenen Unternehmen lag das Ergebnis mit 67 Prozent deutlich niedriger. Dies macht offensichtlich, dass Burnout zwar wahrgenommen, aber als Problem „der anderen“ gesehen wird. Nur 38 Prozent sprachen von einem proaktiven Umgang mit dem Thema im eigenen Unternehmen. In jeder dritten Firma ist Burnout hingegen ein Tabu.

Hier ist die Personalabteilung gefordert, eine zentrale Rolle zu übernehmen. Aufklärung und Informationstransfer tun not. Doch da sie sich die HR-Verantwortlichen selbst in dem Dilemma befinden, keine 100 Prozent neutrale Instanz im Unternehmen zu sein, können auch sie nur punktuell den Hebel für proaktive Maßnahmen ansetzen und für eine Enttabuisierung sorgen.

 

Soft Skills gefragt

 

Leistungsträger verfügen speziell in den ersten Berufsjahren über eine scheinbar endlose Energie. Schwächephasen sind jedoch vorprogrammiert, denn ein ständiges Belastungspensum am oder über dem Limit ist nicht durchzuhalten. Daher bedarf es neben den Hard Skills auch eine Reihe der immer wichtigeren Soft Skills, um den beruflichen Anforderungen langfristig gerecht werden zu können. Neben einer lückenlosen Aufklärung und dem offenen Umgang mit dem Thema Burnout (Unternehmenskultur) bedarf es folgender Kompetenzen, um die eigene Führungs-Kraft im Unternehmen, im Markt und im persönlichen Umfeld langfristig stabil zu halten und vorausschauend zu handeln sowie der Führungsverantwortung gegenüber Mitarbeitern gerecht zu werden:

  • Reflexionskompetenz
  • Kurzzeit-Entschleunigungs-Kompetenz
  • Wahrnehmungs-Kompetenz
  • Sich-helfen-lassen-Kompetenz
  • Werte-Kanon-Kompetenz
  • Prioritäten-setzen-Kompetenz
  • Realistische-Selbsteinschätzung-Kompetenz
  • Interesse-an-persönlichem-Wachstum-Kompetenz

In den sich in den letzten Monaten dramatisch veränderten Rahmenbedingungen sind diese Kompetenzen noch wichtiger denn je, um in schwierigen Zeiten Kurs zu halten und durch die Krise sogar zu wachsen. Denn: Jeder ist Bezugspunkt und gleichzeitig auch Umwelt für andere. Burnout ist kein isoliertes Problem, das einen Mitarbeiter „befällt“, sondern hat wechselseitige Ursachen und Auswirkungen im jeweiligen Kontext. Auch die Kompetenzen existieren nicht durch eine isolierte Vorbildwirkung, sondern müssen letztendlich von Unternehmensmitgliedern aller Hierarchiestufen gelebt und erfahren werden. Für die Vermittlung dieser Kompetenzen gibt es jedoch kein Patentrezept, sondern nur maßgeschneiderte Gesamtlösungen – auf die Unternehmen und Menschen in ihren jeweiligen Kontexten zugeschnitten.

 

Leistungsfähigkeit der Organisation erhalten

 

Die Ergebnisse der Untersuchung führten zu folgenden Lösungsstrategien mit Leitbildcharakter für Unternehmen:

  1. Perfekt ist unmöglich: Erwartungshaltung sich selbst und anderen gegenüber überprüfen.
  2. Verhalten ist kontext- und beziehungsabhängig: Mitarbeiter aktiv involvieren und Kontexte schaffen, die von Verantwortung getragen werden.
  3. Vertrauensvolle Spiegelung: Auf der Karriereleiter wird die Luft dünner, die Herausforderungen gestalten sich komplexer – ohne Vertrauensperson wird jeder Change zum Albtraum statt zur Chance.
  4. Selbstverantwortlicher Gestalter: Selbstfürsorge gibt dem Unternehmen Kraft und ist keine Zeitverschwendung.
  5. Burnout des Unternehmens vermeiden: Eine gelebte Fehler- und eine gute Form von Konfliktkultur vermeidet das kollektive Ausbrennen.

Eine betriebliches, präventives Gesundheitsmanagement, ein offener Umgang auch mit vermeintlichen Tabuthemen und konsequentes Selbstmanagement können helfen, diese fünf Grundsätze in der Unternehmensphilosophie zu verankern und die Leistungsfähigkeit der Belegschaft langfristig zu erhalten.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Der Wissensarbeiter auf der Suche nach Lebenssouveränität

WISSENplus
Zeitmanagement ist ein wichtiger Aspekt des Selbstmanagements. Aber Selbstmanagement ist mehr als der Versuch, die Zeit in den Griff zu bekommen und effektiv zu nutzen. Selbstmanagement verfolgt das Ziel, unter einem ganzheitlichen Aspekt die verschiedenen Lebensbereiche, mit denen Wissensarbeiter zu tun haben, in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen und so zu mehr Lebenssouveränität zu gelange...

Weiterlesen

Achtsamer Umgang mit modernen Technologien: Wie wir in Zeiten der Digitalisierung unser Glück bewahren

Was ist das erste, was Sie nach dem Aufstehen machen? Wahrscheinlich der Griff zum Smartphone und das Lesen der eingegangenen Nachrichten. So sieht ein typischer Morgen in unserer digitalen Welt aus. Und damit bestimmen wir den Rest unseres Tages, wie eine Studie von Michael McQueen (2016), Wirtschaftsanalytiker und Trendprognostiker, zeigt: Schon die ersten zehn Minuten unseres Morgens können einen Einflu...

Weiterlesen

Die persönliche Zukunftslandkarte – Orientierungshilfe für den eigenen Weg

WISSENplus
Das Konzept einer Zukunftslandkarte ist aus der Strategieentwicklung und Zukunftsplanung im Unternehmen bekannt. Doch die Methodik lässt sich in Form einer persönlichen Zukunftslandkarte auch für Einzelpersonen zum zukunftsorientierten Coaching nutzbringend einsetzen. Der Vorteil: Sie vermittelt dem Coachee ein individuelles Gesamtbild zu Grundlagen und Chancen seiner persönlichen Handlungsalternativen;...

Weiterlesen

Macht die moderne Arbeitswelt krank?

WISSENplus
Die Zahl der Berufstätigen mit psychischen Problemen steigt. Doch warum? Aufgrund des erhöhten Arbeitsdrucks in vielen Unternehmen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Arbeitgebervertreter betonen: Die Ursachen liegen meist auch im privaten und persönlichen Bereich....

Weiterlesen

Kernkompetenz Resilienz

WISSENplus
Zugluft, Allergien auslösende Chemikalien, ohrenbetäubender Lärm – solche Krankmacher am Arbeitsplatz können Unternehmen leicht identifizieren. Ähnlich verhält es sich bei den meisten Arbeitsunfällen. Quetscht sich ein Produktionsmitarbeiter beim Stanzen die Hand, ist sofort klar, wodurch der Unfall verursacht wurde. Also können auch Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Anders sieht es bei den psychi...

Weiterlesen

BGM als Säule einer nachhaltigen Unternehmensführung

WISSENplus
Die meisten Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass ihre Mitarbeiter als Träger von Wissen und Kompetenz bzw. von Kreativität und Innovationen die wertvollste Ressource für einen nachhaltigen Erfolg darstellen. In unserer modernen Welt mit ihrer steigenden Komplexität, Beschleunigung und den Anforderungen in der Arbeits- und Privatwelt, die sich immer enger miteinander verzahnen, gilt es somit in bes...

Weiterlesen

Ideenmanagement: Unbekanntes Terrain betreten

Wir leben im Zeitalter des so genannten „Hyperwettbewerbs“: kürzere Produktionszyklen, verschärfte Konkurrenz und ein Markt, der sich in einem steten Veränderungsprozess befindet. Um unter diesen Umständen im internationalen Markt bestehen zu können, müssen Führungskräfte den Mut haben, alte Strukturen in Frage zu stellen und neue Ideen, Konzepte sowie Wege zu finden und einzuführen – kurzum:...

Weiterlesen

Wie viel Wissen steckt in mir?

WISSENplus
Es genügt nicht, Wissen anzuhäufen. Entscheidend ist, dieses Wissen auch nutzen und einsetzen zu können. Doch zuweilen hindern uns innere Barrieren daran, unsere Potenziale voll auszuschöpfen. Woran liegt das – und vor allem: Wie gelingt es, diese Potenziale doch noch zu heben...

Weiterlesen